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30.6.14

Schlussapplaus für eine Koryphäe – Das Badische Lan-desmuseum Karlsruhe verabschiedet Direktor Prof. Dr. Harald Siebenmorgen in den Ruhestand

(blm) Nach über 22-jähriger Amtszeit wurde Prof. Dr. Harald Siebenmorgen am Freitag, dem 27. Juni, als Direktor des Badischen Landesmuseum Karlsruhe in seinen wohl verdienten Ruhestand verabschiedet.

Prof. Dr. Harald Siebenmorgen. © B. v. HartmannBereits in der Schulzeit interessierte sich Harald Siebenmorgen für Tutanchamun, Riemenschneider und Kandinsky, kaufte zeitgenössische Grafik und befasste sich mit fremden und vergangenen Kulturen. Da lag nahe, was folgte: Harald Siebenmorgen studierte Kunstgeschichte und Archäologie mit Auslandsaufenthalten in Rom und Paris. Nach seinem Studium in Freiburg schloss sich die Promotion über die Beuroner Kunstschule an, die wissenschaftliche Mitarbeit bei Ausstellungen im Städtischen Reiß-Museum Mannheim und die Co-Leitung bei der Großen Landesausstellung „Stadt im Wandel“ in Braunschweig. Als Leiter des Hällisch-Fränkischen Museums und der Städtischen Galerie in Schwäbisch Hall zeigte er Führungsqualität und Gespür für gesellschafts- und museumspolitische Fragen.

Bild: Prof. Dr. Harald Siebenmorgen. © B. v. Hartmann

Im Jahre 1991 übernahm der gebürtige Koblenzer als einer der jüngsten Direktoren seiner Zeit die Leitung des Badischen Landesmuseums mit Hauptsitz im Karlsruher Schloss. Gleich zu Amtsantritt öffnete er das Haus mit Museumsfesten und steigerte die Besucherzahlen auf das Drei- bis Vierfache – und damit zu den höchsten eines Museums in Baden-Württemberg. In seiner Amtszeit errichtete er mehrere Außenstellen und Zweigmuseen, brachte die Umwandlung des BLM zum modernen Landesbetrieb 2003 voran, realisierte über 300 Ausstellungen und erwarb bedeutende Werke der Kunst- und Kulturgeschichte für das große universalgeschichtliche Museum und das Land Baden-Württemberg – darunter unschätzbares Kulturgut der markgräflich-großherzoglichen Sammlungen Badens im Rahmen der Auktion 1995 in Baden-Baden. Diese Auktion ist Siebenmorgen wahrlich in Erinnerung geblieben: Wenn auch unschätzbar wertvolle Objekte für „Baden gerettet“ werden konnten, gingen einige bedeutende Stücke, wie das berühmte Insektenservice der Markgräfin Caroline Louise, leider in unzugänglichen Privatbesitz ins Ausland über. Ein schmerzlicher Verlust für den leidenschaftlichen Direktor und Keramikliebhaber.

Das Vermitteln von Kunst- und Kulturgut für die Öffentlichkeit stand für Siebenmorgen immer an erster Stelle. Aus diesem Grund war es ihm in den letzten beiden Jahrzehnten ein Herzensanliegen, die komplette Neueinrichtung des Hauses in allen 15 Abteilungen voranzutreiben und bis jetzt abzuschließen. Darüber hinaus publizierte das BLM zu allen Abteilungen einen Sammlungsführer. „Es macht mich heute nachträglich äußerst zufrieden, ein bisschen gegen den Zeitgeist konsequent über die Jahre dafür gesorgt zu haben, dass in diesem Hause sämtliche Abteilungen von der Ur- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart und am Schluss mit der zusätzlichen Krönung durch die Abteilung WeltKultur neu konzipiert und neu präsentiert worden sind, und nicht die Sammlung in einer alten Form irgendwo am Rande verblieben wäre“, so Siebenmorgen auf die Frage nach einem seiner größten Erfolge. Und was allen Abteilungen, nicht zuletzt der „WeltKultur“, zu eigen ist, ist ihre Ausrichtung auf das Thema Interkulturalität und Komparatistik. So ist das BLM heute ein Ort des Dialogs, der Kommunikation, der „Begegnung mit der Fremdheit“ und bietet die einzigartige Möglichkeit, fremde Kulturen mit der eigenen zu vergleichen und die eigene Kultur im Fremden wieder zu erkennen.

Mit diesem innovativen Konzept prägte Siebenmorgen die Rolle das BLM als Vermittler inter- und transkultureller Kompetenz nachhaltig. Aber auch internationale Projekte geben diesem Bestreben seit Jahren ein Gesicht: Die Kooperationspartnerschaften mit dem „Institut National du Patrimoine" in Tunis, mit dem Kultusministerium von Algerien und jetzt auch mit Kultureinrichtungen in Italien und Griechenland sind ein Alleinstellungsmerkmal für das Haus – auch für die Zukunft. Die freiwillige Rückgabe von Objekten der Grabräuberei dieses Jahr hat weltweit Maßstäbe gesetzt, gegen Raubgrabungen und den illegalen Kunsthandel vorzugehen.


© blm/ ONUK

Das integrative, kulturvergleichende Verständnis ist aber nicht nur in den zahlreichen Partnerschaften oder den Dauerausstellungen des BLM wiederzufinden, sondern spiegelt sich auch in den kleinen und großen Sonderausstellungen. Präsentationen wie „Hannibal ad portas“ (2004/5), „Die ältesten Monumente der Menschheit“ (2007) oder „Das Königreich der Vandalen“ (2009/10) haben international Maßstäbe gesetzt. Seine Ausstellungspolitik war dabei immer eine abseits des Mainstreams: „Keine Staufer, keine Salier, keinen Alexander oder Augustus, sondern durchweg innovative Themen, die so noch nicht verhandelt worden sind. Ein bisschen auch mit Schwerpunkt auf die Frühphase oder die so genannte dekadente Spätphase einer Kultur, weniger aus der klassischen Mitte heraus. Ich glaube, dass wir damit oft genug den Zeitgeist getroffen haben.“

Eines der größten Projekte läuft gerade jetzt: die Große Landesausstellung „Das Konstanzer Konzil“. Eine Ausstellung an einem für das BLM unüblichen Ort, mit hochkarätigen Leihgaben aus dem gesamten Abendland – mit einem enormen logistischen und personellen Aufwand, dafür aber am Originalschauplatz im Konzilgebäude Konstanz. Bis zum 21. September läuft diese letzte Präsentation Siebenmorgens noch am Bodensee. Und bei der Frage, was jetzt kommt, antwortet er:

„ Mein Frau hat mir schon empfohlen, ich soll mir ein T-Shirt bedrucken lassen, auf dem steht: ‚Auch im Ruhestand geht es mir gut und ich habe genug zu tun‘. Aber ich werde bei meiner Verabschiedung auf die sicher allfällige Frage die Äußerung von Giuseppe Verdi zitieren. Der antwortete, allerdings bereits im Alter von 57, auf die Frage, was er denn künftig tun wolle: ‚Essen, trinken, spazierengehen und schlechte Bücher lesen.‘ Er hat dann trotzdem noch zehn Opern komponiert. – Nein, die seriöse Antwort ist die: Ich habe vor, mich im wissenschaftlichen Publizieren zu betätigen, wozu ich bislang zu wenig gekommen bin.“

Prof. Dr. Siebenmorgens Publikationsverzeichnis verzeichnet derzeit 250 Titel.

 
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