Hexen - Mythos und Wirklichkeit


Ausstellungsstationen

 

Krisensituation in der frühen Neuzeit
Zu Beginn der Ausstellung erfährt der Besucher mehr über die Welt der „frühen Neuzeit“, dem 16. und 17. Jahrhundert. In dieser Zeit gab es die größten Verfolgungswellen von Menschen, die der Hexerei bezichtigt wurden. Der Besucher erfährt mehr über die Hintergründe dieser Zeit, welche gesellschaftlichen, klimatischen und religiösen Faktoren zu diesen Massenverfolgungen beitrugen. Filme über die frühe Neuzeit geben einen Einblick in die Umstände dieser Epoche. Zeittafeln und Bodengrafiken geben einen thematischen Überblick zu den bedeutenden Umwälzungen dieser Jahre. Der damals religiöse Konflikt wird an einigen Schriften von Martin Luther deutlich. In ihnen ist nachzulesen, wie Luther die Verfolgungen von Hexen befürwortete.

Magisches Weltbild
Im Lebensalltag der Menschen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit war Magie und Aberglaube ein selbstverständlicher Bestandteil. Dies betraf nicht nur bestimmte gesellschaftliche Schichten, sondern war ein schichtübergreifendes Phänomen. Dieser Magie- und Wunderglaube wird in Abwehrmitteln und -gegenständen gegen Schadenszauber deutlich: Kostbar eingefasste Bezoare (Magensteine von Wiederkäuern), denen der Schutz vor Vergiftung zugeschrieben wurde, zeugen ebenso davon wie geweihte Benediktusglöckchen zur Abwehr von Hexenzauber und Unwettern. Gesammelt wurden zu dieser Zeit Raritäten und Kuriositäten, wie beispielsweise Weltgloben aus dem 14. Jahrhundert, exotische Tiere oder etwa das Horn eines Narwals, welche in der Ausstellung zu sehen sind. Die Stücke sollten in großes Staunen versetzen und den Fortschritt der Wissenschaft verdeutlichen. Die „Hohe Magie“ war Gegenstand der Gelehrten und Wissenschaftler; die Besucher treffen auf das Handwerkszeug von Alchimisten mit Destillierkolben und „Zauberschriften“. In diesem Ausstellungsbereich können sich die Besucher an einer interaktiven Station aus der Hand lesen lassen oder an der Medienstation „Wetterzauber“ den Versuch starten, mit Hilfe eines Zauberbuches das Wetter - wie eine Hexe – zu beeinflussen.

Hexenglaube in der Frühen Neuzeit
Die Entstehung, Umsetzung und Verbreitung des Hexenglaubens in der frühen Neuzeit steht hier im Zentrum der Betrachtung. Die Entwicklung einer Hexenlehre mit theologisch-wissenschaftlichem Anspruch war das Ziel der Gelehrten. Spannende Dokumente von Befürwortern und Kritikern der Hexenlehre werden hier präsentiert. Darüber hinaus wird auch das Thema der medialen Verbreitung des Hexenglaubens vertieft. Die entscheidende Weiterentwicklung des Buchdrucks im Jahr 1453 machte es möglich, die theoretischen Abhandlungen über die Existenz von Hexen in Form von Flugblättern unter das Volk zu bringen. Einige interessante Exemplare sind in der Ausstellung zu sehen. Eine voll funktionsfähige Nachbildung einer Gutenbergpresse ergänzt diese Ausstellungszone.
Der sich verbreitende Hexenglaube schlug sich auch in vielen Werken der Bildenden Kunst nieder: Zahlreiche Ölgemälde und Grafiken zeigen, wie sich die zeitgenössischen Künstler Hexen oder Hexenzusammenkünfte in ihrer Fantasie vorstellten. Ein Ausstellungshighlight dieses Bereiches ist das Hexenhemd von Vehringenstadt. Dieses Bußhemd aus dem 17. Jahrhundert wurde während der Folter und vermutlich bei der Hinrichtung getragen.
Die Lehre von den Hexen wurde von Theologen und Juristen in Traktaten festgehalten und verbreitet. Zu einem der wichtigsten Werke aus dem 15. Jahrhundert gehört der sogenannte Hexenhammer, der „malleus maleficarum“ von Heinrich Kramer. In der Schau ist das Speyerer Exemplar von 1490 zu sehen.

Hexenprozesse
Der Besucher lernt in den folgenden Räumen die Voraussetzungen, Umstände und angewandten Praktiken der Hexenprozesse kennen.
Hinrichtung: Ein Scheiterhaufen, der nach zeitgenössischen Bauinstruktionen konstruiert wurde, steht in diesem Ausstellungsteil im Mittelpunkt. Der Ablauf einer Hexenverbrennung wird durch moderne Technik vermittelt: auf vier Bildschirmen werden verschiedenste Zuschauer gezeigt, die voller Emotionen dem Spektakel beiwohnen. Der Mantel und die Kopfbedeckung eines Henkers verdeutlichen als Objekte aus dem 18. Jahrhundert dieses Themengebiet.
Gerüchte: Gerüchte, Vorwürfe und Denunziationen bildeten damals die Grundlage für den Beginn eines Hexenprozesses. Der Besucher durchschreitet einen Gang, in welchem ihm aus jeder Richtung Gerüchte und Verdächtigungen zu Ohren kommen. Eindrucksvolles Exponat ist eine Gefängnistür aus dem 17. Jahrhundert, hinter denen als „Hexen“ denunzierte Menschen inhaftiert wurden.
Einzelschicksale: Anhand von vier unterschiedlichen Fällen kann der Besucher den leidvollen Weg von Opfern der Hexenlehre nachvollziehen. Protokolle, originale Hexenprozessakten und Briefe der Angeklagten verdeutlichen die damaligen Geschehnisse.
Folter: Um die Angeklagten zu ihren Aussagen zu zwingen wurden gewaltsame Methoden angewandt. Die Besucher erfahren viele Details, von den Befragungsmethoden bis zum Einsatz von Foltergeräten. Bis heute erhaltene Foltergerätschaften, wie beispielsweise Bein- und Daumenschrauben sowie eine Folterstreckbank lassen die Ausstellungsbesucher die Qualen der Opfer erahnen. An verschiedenen Hörstationen können Zitate von Zeitgenossen gehört werden, die für und gegen die Folter von „Hexereiangeklagten“ sprechen. Darüber hinaus können sich die Museumsgäste an einer Medienstation selbst einem „Verhör“ unterziehen, indem sie dem „Hexenkommissar“ Rede und Antwort stehen.
Gerichtspraxis: Anhand von niedergeschriebenen zeitgenössischen Gerichtsordnungen wird ersichtlich, an welchen Gesetzen sich die Anklage gegen eine vermeintliche „Hexe“ orientierte. Ein beeindruckendes Exponat aus der Sammlung des Historischen Museums der Pfalz ist ein Schwert aus Frankenthal, das eindeutig als Richtschwert zu identifizieren ist. An einer Medienstation können die Besucher mit Hilfe eines „Wahr-oder-falsch-Spiels“ ihr bisheriges Wissen über Hexen testen.
Ende der Hexenprozesse: Ausgestellte Akten zu den letzten Hexenprozessen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließen den Ausstellungsteil „Hexenprozesse“ ab. In einem sich anschließenden Ausstellungskino können die Gäste einen informativen Film zum Thema „Hexen“ sehen.


Hexen in der Kunst
An dieser Station trifft der Besucher auf Gemälde und Grafiken zur Hexenfantasie aus dem 18. und 19. Jahrhundert. An einer Filmstation erfahren Interessierte mehr über die „Hexenerotik“ im 19. Jahrhundert.

Mythos Hexe
Das Bild der Hexe zum Ende des 18. Jahrhunderts und Beginn des 19. Jahrhunderts wandelte sich. Da die Hexenverfolgungen ein Ende gefunden hatten, verklärte sich die Vorstellung des Hexenbegriffs zu einem Mythos und wurde romantisiert. Eng verbunden mit diesem neuen Verständnis der Hexe ist die Verbreitung der Grimmschen Märchen. An handlichen Mythentafeln erfahren die Besucher, welche Mythen und Gerüchte sich seit dieser Zeit herausbildeten und bis heute immer noch im öffentlichen Diskurs zu finden sind. Darüber hinaus können die Besucher an einer Kreidetafel eigene Märchenerzählungen hinterlassen. Unter den hier ausgestellten Exponaten sind rekonstruierte Folterstühle aus dem 19. Jahrhundert zu sehen.

Hexensagen
Die Verklärung des Hexenbildes zu einem romantischen Mythos wird anhand zahlreicher Sagen und Märchen deutlich, die uns bis heute überliefert sind. An Informationstafeln und verschiedenen Hörstationen lernt man das bunte Spektrum dieser Geschichten kennen.

Hexenforschung im Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten — insbesondere Heinrich Himmler — hatten ein gezieltes Interesse an den Hexenverfolgungen der Neuzeit. Himmler sah in den verfolgten „Hexen“ der Frühen Neuzeit Vertreter eines alten germanischen Glaubens und ließ von seinen Mitarbeitern Bibliotheken und Archive durchsuchen, um Beweise für die Vernichtung der germanischen Kultur zu finden. Mit diesem Hexen-Sonderauftrag wollte er beweisen, dass die katholische Kirche Schuld an der Verurteilung der Hexerei bezichtigten Menschen trug und dass Juden die Ankläger der Opfer waren. In einer „Hexenkartothek“ wurden auf rund 33 000 Karteiblättern die Forschungsergebnisse festgehalten, die jedoch keinerlei Beweis für Himmlers Thesen ergaben. In der Szenerie eines Büros der Nationalsozialisten können die Besucher in einigen spannenden Akten des H-Sonderauftrags blättern. Des Weiteren bietet sich für die Besucher die Möglichkeit, auf der Internetseite des Arbeitskreises für Interdisziplinäre Hexenforschung den aktuellsten Stand der Forschung einzusehen.

Wicca
Der Ausstellungsrundgang schließt in der Gegenwart ab, für welches Kapitel die europäische Ethnologin Frau Dr. Kathrin Fischer inhaltlich verantwortlich zeichnet. Ihre Arbeit zeigt, dass sich bis heute viele kultische Gruppen auf die Interpretationen und Auslegungen des frühneuzeitlichen Hexenglaubens stützen. Die Anhänger der Wicca-Bewegung leben in ihren kleinen Kultgemeinden eine neuheidnische Hexenreligion aus. Wie die Glaubenswelt dieser Wicca-Mitglieder sich gestaltet und mit welchen Ritualen und Zeremonien sie ihre Religion ausleben, wird in der letzten Station der Ausstellung präsentiert. An einer Hörstation können die Gäste einem Wicca-Ritual beiwohnen.

 

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