Kunstwerk des Monats
Juli 2004

Die Spielpuppe eines römischen Kindes

Mehr als 1800 Jahre nach seiner Entstehung fesselt der Blick auf einen Puppenkopf, dem Pausbacken und das volle Kinn kindliche Züge verleihen. Das vollständig erhaltene Köpfchen und mehrere passende Fragmente beider Arme wurden in einem Kindergrab gefunden, das Bestandteil der aktuellen Untersuchungen zum Gräberfeld Heidelberg-Neuenheim ist. Vor nahezu vierzig Jahren barg der Archäologe Berndmark Heukemes den Brocken in einer Schachtel, sichtbar war nur ein Konglomerat von Erde und dünnen Blechfragmenten, aus dem ein tönernes Objekt hervorragte.

Die Gestaltung legt nahe, dass es sich um Teile einer Gliederpuppe handelt, deren ursprüngliche Höhe etwa 18 cm betrug. Die Gliedmaßen waren in den nicht erhaltenen Schulterpartien durchlocht und mit Fäden oder Metallstiften beweglich am Rumpf befestigt. Physiognomie und Haartracht zeigen die Merkmale des knabenhaften Liebesgottes Amor, der dem griechischen Eros entspricht und oft als Begleiter seiner Mutter Venus (Aphrodite) gezeigt wird.
Anthropologen des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg analysierten die Knochenreste aus dem Heidelberger Grab und kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei der bestatteten Person um ein vier- bis sechsjähriges Kind handelt, dessen Geschlecht nicht mehr festgestellt werden konnte. Gemäß dem vorherrschenden Brauch der Zeit war der Leichnam auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Die Eltern hatten dort nicht nur das Lieblingsspielzeug platziert, sondern auch eine große Anzahl üblicher Beigaben, darunter Öllampen, Weihrauchkelche, Glasfläschchen, ein beinernes Döschen, ein Bronzegefäß sowie eine Holzschatulle mit Bronzebeschlägen und einem Griff in Vogelgestalt. Was nach der Einäscherung übrig blieb, wurde in der Grabgrube deponiert und mit Erde bedeckt. Die Beigaben datieren in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts und geben somit einen Anhaltspunkt für den Zeitpunkt der Bestattung.
Es ist ein Glücksfall, dass das Feuer die Figur nicht völlig zerstörte, denn von römischen Gliederpuppen sind nur äußerst wenige Exemplare erhalten.
Der vorgestellte Fund gehört zu den besonderen Überraschungen, die nun im Laufe der Bearbeitung der Fundkomplexe aus dem "Neuenheimer Feld" ans Licht treten.

Text: Andreas Hensen

Gliederpuppe aus Ton.
Verbrannte Fragmente.
L. 2,9-4,2 cm.
100/150 n. Chr.
Römisches Gräberfeld Heidelberg-Neuenheim.
 
 
siehe auch: Sammlungsblatt
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