Kunstwerk des Monats
Januar 2011

Gioandomenico Tiepolo, Joseph sieht nach dem Jesuskind, 1753

 

Giandomenico (Giovanni Domenico) Tiepolo, 1727 in Venedig als ältester Sohn Giovanni Battista Tiepolos geboren, war Schüler seines bedeutenden Vaters und als solcher früh in dessen Werkstatt tätig. In seinem Oeuvre orientierte er sich an dessen Bildfindungen, die er in der ihm eigenen Art weiterentwickelte.

Tiepolos „Flucht nach Ägypten“ geht weit über die Darstellung der tradierten Motive hinaus und umfasst eine Folge von insgesamt 27 Radierungen, die mit ihrer Innovationskraft zu den Hauptwerken italienischer Graphik des 18. Jahrhunderts gehören. Sie entstanden mehrheitlich im zeitlichen Kontext der Ausmalung des Kaisersaals und des Treppenhauses der Neuen Residenz in Würzburg durch die Tiepolo.

Den insgesamt 24 Blättern, die verschiedene Stationen der Flucht der Heiligen Familie schildern, sind Titel, Frontispiz und Widmung vorangestellt. Letztere datiert die Folge auf das Jahr 1753 und widmet sie dem Würzburger Fürstbischof Carl Philipp von Greiffenclau, Tiepolos seinerzeitigem Dienstherren.

Das neunte Blatt der Folge zeigt einen dreizonigen Bildaufbau des Landschaftsraumes. Im Vordergrund erscheint auf einem Höhenweg, gleichsam wie auf einer Bühne, rechts die Figurengruppe der Flüchtenden. Links verstellen einige Bäume den direkten Blick in den Mittelgrund, in ein Tal, in dem sich eine Ansiedlung, der Architektur nach zu schließen ein Tiroler Städtchen, erstreckt. Der Blick des Betrachters, der direkt auf die prominent präsentierte Heilige Familie im Vordergrund gelenkt wird, streift weiter in den Hintergrund zum Himmel, an dem ihn, gleichsam in einem zyklischen Verlauf, neben drei Engeln zwei lineare Strahlenbahnen wieder zurück zur Figurengruppe im Vordergrund führen. Die Diagonalen erschließen den Raum, strukturieren und dynamisieren die Komposition.

Zur Charakterisierung der Familie in dieser Situation greift Tiepolo dezidiert das kompositorische Grundschema einer Dreiecksform auf, indem er Joseph sich Mutter und Kind zuwenden lässt und präsentiert die drei auf diese Weise untrennbar verbunden, als fest gefügte Einheit. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die ineinander verwobenen Blickachsen, die innige Hinwendung Marias und Josephs zum Jesusknaben.

Bild: Museum (E. Kemmet)

Text: kmh, Anja-Maria Roth

 
 

 

Joseph sieht nach dem Jesuskind – Stadt im Tal, 1753
Blatt 9 aus der Folge „Idèe Pittoresche Sopra La Fugga in Egitto di Giesu, Maria e Gioseppe“
Bezeichnet in der Darstellung unten mittig „Do: Tiepolo inve: et fecit“
Radierung, 18,2 x 23,8 cm (Blatt, bis zum Darstellungsrand beschnitten), Inv. Nr. S 8780

siehe auch:

Sammlungblatt als pdf beim KMH

 
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