Kunstwerk des Monats
Mai 2009

Paul Egell: Illustrationsentwurf zu Psalm 41 der Vulgata

 

Paul Egell, geboren 1691, wurde von seinen Zeitgenossen als bedeutendster kurpfälzischer Bildhauer hochgeschätzt, wobei er sich parallel auch als begabter Zeichner einen Namen machte.

Da sich Egells plastisches Werk in großen Teilen nicht erhalten hat, gewinnen seine Entwürfe und Zeichnungen zusätzlich an Bedeutung. Über seine Jugend, seinen künstlerischen Beginn gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. 1716 wird er erstmals in Bamberg erwähnt und im darauffolgenden Jahr tritt er als Mitarbeiter Balthasar Permosers in Dresden in Erscheinung, wo er in den folgenden Jahren am Figurenschmuck des Zwingers mitwirkte. 30jährig stand er schließlich in pfälzischen Diensten - 1721 war er in Oggers- heim mit Arbeiten am Schloss betraut. Es folgten Aufträge für Mannheim, wo sich, nachdem Kurfürst Carl Philipp die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt hatte, eine rege Bautätigkeit entwickelte. Unter Carl Philipp und seinem Nachfolger Carl Theodor gewann Mannheim zunehmend Bedeutung als wichtiges kulturelles Zentrum und zog weitere bedeutende Künstler an den Hof. So kam beispielsweise Alessandro Galli da Bibiena als kurpfälzischer Hofarchitekt nach Mannheim und die Brüder Asam wirkten bei der Ausgestaltung der Jesuitenkirche und des Schlosses mit. Egell entfaltete sein Können als Bildhauer, Bauplastiker und Entwerfer von Stuckornamenten und Möbeln u. a. bei der Ausstattung des neuen Residenzschlosses und der Jesuitenkirche. Honoriert wurde seine Arbeit schließlich durch seine Ernennung zum kurpfälzischen Hofbildhauer, wobei er weiterhin auch für bürgerliche Auftraggeber arbeitete. Anfang der 40er Jahre war er in Würzburg (Residenz) tätig und reiste schließlich 1744 nach Italien, wo ihn in Rom und Florenz die Werke Gian Lorenzo Berninis in besonderer Weise beeindruckten. Acht Jahre später starb er in Mannheim.

Bei seinen zeichnerischen Arbeiten gehört die Lavierung zu Egells bevorzugten Ausdrucksmitteln – hatte er sie bei seinen frühen Arbeiten nur ergänzend, akzentuierend zu Strichrundungen und gestrichelten Schattierungen eingesetzt, gewinnt sie bei den späteren Arbeiten mehr und mehr Gewicht. So umreißt Egell auch bei dem vorliegenden Blatt mit der Feder lediglich grob die Umrisse, um dann mit dem Pinsel in Grauschattierungen nuanciert lavierend die Zeichnung „malerisch“ auszuarbeiten. Die Feder kommt erst abschließend wieder zum Einsatz, um Details zu betonen und im Sinne des Texturgradienten Räumlichkeit zu suggerieren. Dieser für Bildhauerzeichnungen ungewöhnlich malerischen, „bildhaften“ Auffassung (im Gegensatz zu einer eher konturierten, stark plastisch durchgeformten Darstellung) entspricht die Rahmung der vorliegenden Darstellung mit einem breiten, abgestuften Tuschrand mit Feder und Pinsel.

Auf dem Blatt ist im Vordergrund links ein mit erhobenem Haupt röhrender Hirsch, der sich mit den Vorderläufen auf einem Sockel oder in einem Bassin mit in Rocaille-Form „sprudelnden“ Wassern bzw. Ornamenten abstützt, zu sehen.

Darstellungen von Tieren tauchen in Egells Arbeiten erst spät auf und sind teilweise in ihrer Umsetzung nicht ganz stimmig. So sind auch die Proportionen des Hirsches, mit seinen verkürzten Vorderbeinen, etwas dissonant. Anders erscheinen die eleganten architektonischen und ornamentalen Formen, mit denen Egell dem französischen Kunstkreis verpflichtet ist.

Dementsprechend findet auch das um 1730 in Frankreich entwickelte Dekorationsmotiv der Rocaille zeitnah Eingang in sein Werk, setzt er die Rokoko-Ornamentik, wie hier zu sehen, malerisch leicht und gewandt ein.

Hinter dem vorderen Bassin (Sockel), dessen flächig in Grau lavierte Frontseite Platz für fünf kurze Textzeilen bietet, befindet sich im Mittelgrund ein Springbrunnen mit einer kompositorisch zentriert positionierten, senkrecht aufsteigenden Fontäne.

Das herabfallende Wasser zerstiebt auf dem Beckenrand in filigranen, kaum fassbaren Rocaille- Formen und läuft vorn über den Brunnensockel in Kaskaden herab. Rechts neben dem Brunnen erhebt sich leicht nach hinten versetzt ein vasenbekrönter viereckiger Pfeiler, hinter dem - quasi im Gegensinn bzw. in einer Gegenbewegung zu dem im Vordergrund platzierten Hirsch - ein weiterer röhrender Hirsch hervortritt. Im Hintergrund hinterfängt eine barocke Halbkreisarchitektur mit hohen Arkadenbögen die Darstellung.

Am unteren Darstellungsrand links in der rocailleartigen Sockel- oder Bassinform (mit Wasserstrudeln) sind die ersten Zeilen eines Psalms zu lesen. Die Nummerierung der Psalmen differiert beim hebräischen Urtext einerseits und den griechischen (Septuaginta) bzw. lateinischen Übersetzungen (Vulgata) andererseits, demgemäß wird aus Psalm 42 in der Vulgata Psalm 41. Martin Luther legte bei seiner Übersetzung den hebräischen Text zugrunde und so findet sich bei ihm wieder dessen Zählung. Den unterschiedlichen Zählungen Rechnung tragend werden die Psalmnummern oft in der Form Ps 42 (41) angegeben, wobei die hebräische Zählung vorangeht. Egell tut dies nicht und geht bei seiner Zeichnung vom 41. Psalm nach der Zählung der Vulgata aus.

Die Zeichnung sollte vermutlich als Vorlage für ein druckgraphisches Blatt dienen. Für diese Annahme sprächen u. a. das ausführliche Textzitat sowie die mehrfache Umrandung der Darstellung. Eine geplante bildhauerische Umsetzung erscheint dagegen sehr unwahrscheinlich. Zudem unterscheiden sich Bildhauerzeichnung und Vorlage für Druckgraphik in Ansatz und Ausführung in Egells Oeuvre schließlich im Großen und Ganzen nicht mehr. Auch dies würde die Hypothese zulassen, dass die Zeichnung als Illustration angelegt wurde – eventuell im Kontext eines Zyklus’ verschiedener Psalmillustrationen stehen sollte oder stand. Ferner spricht die klar angelegte Komposition, die einerseits die sprudelnden Wasser (den Springbrunnen auf der Mittelsenkrechten), andererseits die beiden in einer gegenläufigen halbkreisförmigen Bewegung angelegten Hirsche (durch ihre Positionierung im Goldenen Schnitt ebenfalls zentriert) betont und damit den direkten Bezug zum zitierten (bzw. zu illustrierenden) Text des Psalms herstellt, dafür.

Anja-Maria Roth
Foto: K. Gattner

 

Literatur:

Jörn Bahns (Hrsg.): Johann Paul Egell (1691-1752) – Franz Anton Leydensdorff (1721-1795), Handzeichnungen aus den Beständen des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg, Katalogbearbeitung Sigrid Wechssler, Ausstellungskatalog Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Heidelberg 1981.
Hermann Bauer: Rocaille - Zur Herkunft und zum Wesen eines Ornament-Motivs, Berlin 1962.
Klaus Lankheit: Die Zeichnungen des kurpfälzischen Hofbildhauers Paul Egell (1691-1752), Karlsruhe 1954.
Klaus Lankheit: Der kurpfälzische Hofbildhauer Paul Egell (1691-1752), München1988.


 

Illustrationsentwurf zu Psalm 41 der Vulgata, um 1740
Bezeichnet unten links: “Psalmo 41 / Wie der Hirsch Verlangen / hatt, nach den Wasser quellen / also hat
meine Sell ver langen / nach dir o gott -”
Bleistift, Feder/Tusche, Feder/Tinte, Pinsellavierung in Grau
25,7 x 20,2 cm, Inv.-Nr. Z 110

 
 
siehe auch:

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