Kunstwerk des Monats
Februar 2009
- Sammlungsblatt -

Wilhelm von Kaulbach:
Kurfürst Ottheinrich, Melanchthon und der Architekt des Ottheinrichsbaus im Heidelberger Schloss, um 1862,

 

Am 12. Februar 1559 starb in Heidelberg Kurfürst Ottheinrich. Beliebt bei seinen pfälzischen Untertanen, rühmen die Nachrufe vor allem seinen Einsatz für den rechten Glauben, seine Friedfertigkeit und seinen Kunstverstand: Schon bald nach seinem Tod verlieh man ihm deshalb den Ehrentitel „der Großmütige“.

Geboren als Venuskind am 10. April 1502 in Landshut, stand sein Leben jedoch nicht immer unter einem günstigen Stern. Bereits mit zwei Jahren verlor er beide Eltern, 1544 musste er wegen finanzieller Überschuldung sein Herzogtum Pfalz-Neuburg verlassen, und auch die Kurwürde hat ihm sein Onkel Friedrich II. lange und erfolgreich vorenthalten. Als Ottheinrich endlich Anfang März 1556 sein „wartend Erb“ als Kurfürst im tiefverschneiten Heidelberg antreten konnte, war sein Körper bereits gesundheitlich so schwer angeschlagen, dass ihm nicht mehr viel Lebenszeit blieb, seine ehrgeizigen Ziele in die Tat umzusetzen.

Gleichwohl kann sich die Bilanz seiner dreijährigen Regierungszeit sehen lassen. So hat er die Reformation nach dem Vorbild Martin Luthers eingeführt, die Universität als Landesanstalt modernisiert und sich als großmütiger Förderer der berühmten Bibliotheca Palatina erwiesen.

Darüber hinaus ist Ottheinrich jedoch vor allem durch die Errichtung des nach ihm benannten Renaissancepalastes auf dem Heidelberger Schloss bekannt. Sofort nach dem Regierungsantritt scheint die Grundsteinlegung des Bauwerks erfolgt zu sein. Mehr als jeder andere kurfürstliche Bauherr nahm Ottheinrich auf den Fortgang der Arbeiten Einfluss und trieb die Bauleute immer wieder zu großer Eile an. Sein Elan entspricht dem Eindruck, den das Historiengemälde erweckt.

Dort steht der Kurfürst in klassischem Kontrapost in der Brunnenhalle des Heidelberger Schlosshofs und deutet mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Bauplan, den der Architekt barhäuptig und in devoter Haltung vor ihm ausrollt. Gleichzeitig protokolliert ein junger Lehrling mit aufmerksamer Miene das Gespräch zwischen dem herrschaftlichen Bauherrn und seinem Baumeister.

Der Kurfürst ist zur Inspektion des Baufortschritts mit großem Gefolge erschienen. Während der Name des Architekten aus den Quellen bis heute nicht widerspruchsfrei ermittelt werden kann - unter anderen werden die kurpfälzischen Baumeister Jacob Heider und Hans Engelhard genannt, auch Caspar Fischer und jüngst Heinrich Gut aus Speyer sind als Kandidaten im Gespräch – kann Ottheinrichs Entourage durchaus identifiziert werden. Unmittelbar hinter ihm steht, ganz im Schatten seines Herrn, Kanzler Erasmus von Minkwitz, davor der von Ottheinrich als Berater umworbene Philipp Melanchthon.

Durch die raffinierte Lichtführung wird das gute Einvernehmen der beiden „Lichtgestalten“ Ottheinrich und Melanchthon deutlich. Dahinter hat der Theologe Tilemann Heshusen seine Hand auf die Schulter des Reformators gelegt. Er war auf Melanchthons Empfehlung als Pfarrer von Heilig- geist, Theologieprofessor und Generalsuperintendent nach Heidelberg berufen worden, zeitgleich mit dem Hofprediger Michel Diller, dessen Gesicht durch die beiden vor ihm stehenden Theologen halb verdeckt wird. Im Schatten der Säulenarkaden legt ein Bildhauer letzte Hand an eine überlebensgroße Steinskulptur.

Bei dem Künstler handelt es sich, wie aus einer 1868 aufgefundenen Vertragskopie vom 7. März 1558 hervorgeht, wohl um den jungen flämischen Bildhauer Alexander Colin aus Mecheln bei Brüssel. Die Skulptur, an der er arbeitet, ist an dem Blitzbündel in der erhobenen Hand als Jupiter erkennbar. Sie ist zur Aufstellung auf dem Kranzgesims vor dem rechten Giebel der Fassade des Ottheinrichsbaus vorgesehen, wo im Hintergrund die buntgekleideten Bauleute auf dem Gerüst die Fertigstellung der Skulptur erwarten.

Man hat das Gemälde mit guten Gründen schon früh dem bayrischen Hofmaler Wilhelm von Kaulbach zugeschrieben. Nach der Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie bei Peter von Cornelius ging er 1826 nach München. Dort ernannte ihn 1837 der bayrische König Ludwig I. zum Hofmaler. Nachdem der Maler 1849 Direktor der Münchner Akademie geworden war, begann er mit seinen Entwürfen für die Fresken an der Neuen Pinakothek, wurde aber vor allem durch seine satirisch pointierten Illustrationen etwa zu Johann Wolfgang von Goethes »Reineke Fuchs« oder Friedrich Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre« populär.

Das Gemälde ist auf der Darstellung unten links mit dem Siegel „Sekretariat seiner Majestät des Königs von Bayern“ versehen. Dies ist die Bezeichnung für das sich nach der Auflösung im Jahre 1848 unter König Maximilian II. neugebildete Kabinettssekretariat. Es amtierte bis 1886 und wurde erst nach dem Tode König Ludwigs II. aufgelöst. Anlass der Versiegelung ist wohl die nach dem Tod Maximilians im Jahr 1864 eingetretene Testamentsvollstreckung.

Die Entstehung des Gemäldes datiert in die Zeit des sich in Heidelberg anbahnenden Streits für oder wider eine Rekonstruktion des Heidelberger Schlosses. Als nämlich 1861 im Schlossberg Sprengungen für den Eisenbahntunnel durchgeführt wurden und an mehreren Stellen Risse am Schloss auftraten, begann man sich von staatlicher und nichtstaatlicher Seite erstmals intensiv Gedanken um den Erhalt der Ruine zu machen und entwickelte verschiedene Wiederaufbaupläne.

So konnte man in der Kölnischen Zeitung von 1868 lesen,„das heidelberger Schloß soll keine Ruine bleiben!“, sondern „in erneuerter Schönheit und Frische“, weithin leuchtend „als eine Burg des deutschen Geistes!“ wiedererstehen.

Kaulbach war mit den Heidelberger Verhältnissen bestens vertraut. Er gehört zu den Befürwortern eines Wiederaufbaus der Schlossruine. In seinem Gemälde lässt er die Zeit Ottheinrichs vor den Augen des Betrachters wieder lebendig werden. Die agierenden Personen sind porträtgenau nach bekannten Vorlagen dargestellt. Die Kostüme entsprechen der Zeit um 1550. Für die Schlossbauten, insbesondere die Fassaden- und Giebelgestaltung des Ottheinrichsbaus, kann man die Radierungen von Ulrich Kraus um 1683 als historische Vorlagen ausmachen. So entsteht der Eindruck, dass Ottheinrich selbst und die Autorität seiner Berater auf einen raschen Wiederaufbau der ruinösen Schlossgebäude im 19. Jahrhundert nach den neuen Plänen dringen.

Am Ende hat weder Ottheinrich die Fertigstellung seines Palastes erlebt, noch Kaulbach den Ausgang des Heidelberger Schlossstreits. Kaulbachs Appell auf Öl und Leinwand überzeugte die nachfolgende Expertengeneration nicht, vielmehr entschied man sich 1906 unter dem Motto „conserviren, nicht restauriren“ für den Erhalt des Ottheinrichsbaus als Ruine. Die Diskussion endete damals mit dem Appell Georg Dehios, dass man sich „jetzt begnügen möge mit denjenigen Schutzmaßregeln und Vorsichtsmaßregeln, welche ganz sicher eine Fortdauer des Gebäudes ohne schwere Schädigungen auf eine absehbare Zeit hin, sagen wir auf fünfzig, sagen wir auf hundert Jahre garantieren – und dann wollen wir eine neue Heidelberger Debatte anfangen“. Das Protokoll vermerkt Heiterkeit und Beifall!

Frieder Hepp

 

Literatur:

Hubach, Hans, Kurfürst Ottheinrichs “neuer baw“ im Heidelberger Schloss. Neue Aspekte eines alten Themas, in: Volker Rödel (Hg.), Mittelalter. Schloss Heidelberg und die Pfalzgrafschaft bei Rhein bis zur Reformationszeit. (Schätze aus unseren Schlössern. Eine Reihe der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden Württemberg, Bd. 7), Regensburg 2002, S. 191 - 203.
Hepp, Frieder, „Mit der Zeyt.“ Kurfürst Ottheinrich als Landesherr, in: Pfalzgraf Ottheinrich. Politik, Kunst und Wissenschaft im 16. Jh. Hg. von der Stadt Neuburg a. d. Donau, Regensburg 2002, S. 94 - 107.
Kohnle, Armin, Ottheinrich: Leben und Wirken eines Reformationsfürsten, in: Hans Ammerich und Hartmut Harthausen (Hrsg.), Kurfürst Ottheinrich und die humanistische Kultur in der Pfalz, Speyer 2008, S. 11 - 29.
Traum & Wirklichkeit. Vergangenheit und Zukunft der Heidelberger Schlossruine. Begleitbuch zur Ausstellung im Heidelberger Schloss, Ottheinrichsbau vom 16. April bis 17. Juli 2005, Stuttgart 2005.
Wolgast, Eike, Reformierte Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Studien zur Geschichte der Kurpfalz im Reformationszeitalter. Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Bd. 10, 1998, Heidelberg 1998.


 

Kurfürst Ottheinrich, Melanchthon und der Architekt des Ottheinrichsbaus im Heidelberger Schloss, um 1862,
Ö l auf Leinwand,
47,2 cm : 49,2 cm,
Inv. Nr. G 2491

 
 
siehe auch:

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