Bestattungsriten entsprechen den Jenseitsvorstellungen, den Überlegungen über
das Vorhandensein einer Seele oder dem Weiterleben nach dem Tode.
Entsprechend ausdifferenziert und unterschiedlich gestalten sie
sich im Verlaufe der Menschheitsgeschichte. Sie können dazu
dienen, die Reise des Verstorbenen ins Jenseits so komfortabel
wie möglich zu machen, sie kennen aber auch Rituale, die
den Angehörigen behilflich sind und aus Angst vor dem Verstorbenen
vollzogen werden, oder sie sorgen für eine Verbindung zwischen
Lebenden und Toten.
Totenritual und Leichenbehandlung der jungsteinzeitlichen Bauernkulturen
waren vielgestaltig und facettenreich. Die frühesten Bauern
in Mitteleuropa (ab 5600 v. Chr.) erreichten ein durchschnittliches
Lebensalter von nur 28 Jahren. Lediglich 30 - 50% der Neugeborenen
wurden älter als ein Jahr, mehr als die Hälfte der Überlebenden
starb bereits vor dem 20. Lebensjahr – der Tod war also
allgegenwärtig.
Im Sommer 1985 wurde am Nordufer des Neckars im Gewann Schänzel
ein Grab aus der Jungsteinzeit mit sechs Bestatteten aufgefunden.
Das Grab befand sich im Bereich einer flachen Erhöhung,
auf die wohl der Name des Gewannes zurückgeht, und wurde
sorgfältig archäologisch untersucht, Skelette und Funde
geborgen. Die dort Begrabenen lebten zu Zeiten der „Michelsberger
Kultur“ (ca. 4300 – 3600 v. Chr.), die wohl durch
reiche materielle Hinterlassenschaften charakterisiert ist, aus
der aber kaum Bestattungen überliefert sind. Eine sorgfältige
Erstbestattung wie in Handschuhsheim ist zu dieser Zeit die Ausnahme
und kann nur in Zusammenhang mit dem tragischen Schicksal der
Familie zu sehen sein.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die zahlreichen Spuren traumatischer
Ereignisse. An den Skelettresten der drei Erwachsenen sowie des
Jugendlichen lassen sich insgesamt sieben unverheilte Verletzungen,
die meisten am Schädel, lokalisieren. Es handelt sich durchweg
um Defekte, die auf stumpfe Gewalteinwirkungen zurückgehen
und die zum Tode geführt haben. Nach forensischer Beurteilung
sind diese auf Schläge mit den für die jungsteinzeitliche
Kultur typischen Steingeräten zurückzuführen.
Sie liegen unsystematisch verteilt und deuten daher auf ein Kampfgeschehen
mit entsprechender Gegenwehr. Dass es bei der Auseinandersetzung
vor 5000 Jahren in Handschuhsheim wahrscheinlich bekannte oder
verwandte Überlebende gegeben hat, dafür spricht die
pietätvolle Beerdigung der Opfer. Außerdem deutet
das Fehlen jeglicher Spuren von Tierverbiss darauf hin, dass
man die Familie – entgegen der sonst üblichen Totenbehandlung – rasch
bestattet hat.
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