Kunstwerk des Monats
Oktober 2008

„Wolt zu stettem angedencken ...“ - Heidelberger Zunftsilber

 

Zunftpokal der Heidelberger MaurerzunftEin exquisiter Pokal der Heidelberger Steinhauer- bzw. Maurerzunft ist aktuelles Kunstwerk des Monats. Der Deckelpokal zeigt flach herausgetriebene Buckel und ist mit diversen silbernen Anhängern versehen ist. Die Anhänger sind zu einem großen Teil in Form von Werkzeugen gestaltet. Sie tragen gravierte Widmungsinschriften von Mitgliedern der Handwerksvereinigung mit Angabe des Stiftungsjahrs. Die Stiftung eines silbernen Pokalanhängers bot die Möglichkeit, dauerhaft an Personen oder Ereignisse, die in Zusammenhang mit der Zunft standen, zu erinnern. Der älteste Anhänger verweist auf das Jahr 1700, der jüngste auf 1860. Zweimal wird inschriftlich der Handwerksmeister Adam Breunig genannt – in der 1700 datierten Umschrift der Lippe und auf einem Anhänger von 1719. Folgt man der Zuschreibung von Karl Lohmeyer, so handelt es sich bei dem Genannten um den Erbauer des Palais Morass, das seit 1908 die Sammlung des Kurpfälzischen Museums beherbergt. Insgesamt haben sich nur sehr wenige Goldschmiedearbeiten, die sich nachweislich im Besitz von Heidelberger Zünften bzw. Handwerksvereinigungen befanden, erhalten: die Pokale der Bäcker von 1724, der Bäckergesellen von 1706 und der Bierbrauer von 1735.

Die Herstellung solcher Pokale erforderte vom Silberschmied diverse technische Fertigkeiten. Cuppa, Fuß und Deckel wurden jeweils aus einem massiven Silberblech gearbeitet. Der Handwerker formte mit Hilfe von Hammer und Amboss durch Auswölben und Einziehen des Bleches den gewünschten Hohlkörper, wobei die dabei auftretenden Falten im Silberblech immer wieder bearbeitet werden mussten. Silber wird durch die Bearbeitung spröde und brüchig; nur durch regelmäßiges Durchglühen des Werkstücks wird die erforderliche Weichheit erreicht. Auch das „Ausbereiten“ der Goldschmiedearbeit, die abschließenden Arbeitsgänge des Weißsiedens, das eine besondere Silberoberfläche erzielt, und des Polierens überließ man nicht selten spezialisierten Meistern.
Die Vergoldung schließlich wurde erst vorgenommen, nachdem das Werkstück beschaut, d.h. amtlich auf den vorgeschriebenen Feingehalt hin untersucht worden war. Das Silber wird durch die Vergoldung nicht nur optisch veredelt, sondern auch vor dem Anlaufen geschützt. Der Arbeitsgang war nicht ungefährlich, wurde die sogenannte Feuervergoldung doch aufgebracht, indem man eine aus Gold und hochgiftigem Quecksilber gemischte Paste auf der Oberfläche auftrug und danach das Quecksilber über dem Feuer verdampfen ließ. Zurück blieb die hauchdünne Goldschicht, für die ein zartgelber Ton kennzeichnend ist.

Heidelberger Goldschmiedearbeiten im Allgemeinen und Zunftpokale im Besonderen sind seltene Zeugnisse der städtischen Handwerksgeschichte. Ein Ausstellungsprojekt des Kurpfälzischen Museums wird sich neben der Geschichte des architektonischen Wiederaufbaus nach 1689/1693 auch mit dem städtischen Leben und der Handwerkskultur in der Zeit um 1700 befassen. Die Ausstellung mit dem Titel „Heidelberg im Barock“ soll vom 15. März bis 21. Juni 2009 im Kurpfälzischen Museum gezeigt werden. Der Pokal bietet hierauf schon eine kleine Vorausschau.


Karin Tebbe

 


 

 

 
 
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