Kunstwerk des Monats
Dezember 2007
- Sammlungsblatt -

Anthonie Verstraelen (um 1594 - 1641)
Eisbelustigung, 1632

 

In der Kunst des 17. Jahrhunderts erscheint der Winter oft allegorisiert in der Personifikation eines frierenden Greises, der sich in ein Tuch hüllt oder mit Pelzmantel und Pelzmütze an einem Kohlebecken zu wärmen versucht. Seltener wird das Thema Winter mythologisiert wie z.B. im Bild der trauernden Liebesgöttin Venus, die im Winter ihren bei Proserpina in der Unterwelt weilenden Geliebten Adonis vermisst.

In Holland, wo Wasserläufe, Kanäle und Häfen oft für zwei bis drei Monate zufroren, jedermann auf dem Eis lebte und das Hauptamüsement das Schlittschuhlaufen war, wurde die kalte Jahreszeit aber vor allem in Landschafts- oder Genrebildern beschrieben, die oft "Wintervergnügen" oder "Eisbelustigung" genannt wurden.

Die ersten bedeutenden Schilderer des nördlichen Winters, wie Hendrick Averkamp, gaben detailliert vorrangig die Buntheit des menschlichen Treibens auf dem Eis wieder. Ab den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts, in denen auch das Gemälde Verstraelens entstand, der sich auf dieses Sujet spezialisiert hatte, wurden die volkstümlichen Genreszenen und Figurenstaffagen stärker in Licht und Atmosphäre einbezogen, in der Tonalität vereinheitlicht und dem Stimmungsgehalt der Natur untergeordnet. Auch im Vergleich mit zwei anderen Winterbildern der Sammlung Posselt von Claes Molenaer (vor 1630 - 1676) wird deutlich, dass es Anthonie Verstraelen mit seinem Gemälde um die Wiedergabe der lyrischen Stimmung eines Wintertages mit wirklichkeitsgetreuer Sittenschilderung ging und nicht um den Gedanken der im Frost ergrauten Natur als Vanitasbild, bei dem die Brüchigkeit des Eises als Hinweis auf die Gefährdungen und die Unsicherheit der menschlichen Existenz gelesen werden konnte.

Von einem erhöhten Standpunkt aus leitet Verstraelen, dessen Lebensumstände kaum bekannt sind, den Blick über eine weite Eisfläche, die auf der rechten Seite von einer verschneiten Dorflandschaft mit kahlen bereiften Bäumen gesäumt ist. Fein nuancierte Farben, die tonig gedämpft sind, schaffen einen kontinuierlichen Tiefenraum, in dem Himmel und Erde durch das vereinheitlichende diesige Winterlicht wie verschiedene Aggregatzustände eines Elementes erscheinen.

Im Vordergrund rechts setzt ein hoher Mast einen starken vertikalen Kompositionsakzent. Der daneben stehende männliche Zuschauer leitet als Repoussoir zusammen mit der auf der linken Seite in humoristischer Drastik erfassten Frau, die ihre Notdurft verrichtet, den Blick auf die Eisfläche. Hier sind "naer het leven" (nach dem Leben) liebevoll die verschiedenen Bewegungsmotive der überwiegend männlichen Schlittschuhläufer festgehalten: Im Vordergrund schnallt sich einer von ihnen seine "Holländer" an, wie die Holzschlittschuhe hießen, und neben ihm liegt ein Holzstock als Hinweis auf das beliebte "Kolfspelen", eine Form des Eishockeys, das von Jung und Alt betrieben wurde. Hand in Hand bewegen sich auf dem spiegelnd zugefrorenen Binnengewässer Paare in eleganter Kleidung mit Spitzenkragen, den Statussymbolen des gehobenen städtischen Bürgertums, und Dorfbewohner in einfacher wollener Tracht, die ihre Hände vor der Brust verschränkt oder vor der Kälte geschützt tief in die Hosentaschen gesteckt haben. Dazwischen lassen sich in Decken warm eingehüllte Menschen auf Holzschlitten von mit Schabracken geschmückten Pferden über die Eisfläche ziehen. Auf einem Handschlitten wird auch ein Bierfässchen zu einer gut besuchten Zeltwirtschaft transportiert, bei der aufsteigender Rauch ein wärmendes Feuer für die Gäste verheißt. Stolz weht hier auch die rot-weiß-blau gestreifte Fahne der Republik der Vereinigten Niederlande.

In reizvollem Kontrast zum "bunten" Treiben der Müßiggänger auf dem Eis steht die Behandlung der ruhig abgeschiedenen niedrigen Bauernhäuser im Hintergrund.

Anders als auf einem weiteren Gemälde Verstraelens aus der Sammlung Posselt, "Kanallandschaft mit Schlittschuhläufern", auf dem eindrucksvolle städtische Gebäude zu sehen sind, wird hier eine bescheidene menschliche Ansiedlung ohne topographischen Anspruch wiedergegeben - als pittoresk verschneites Versatzstück ähnlich der für Holland charakteristischen Windmühle, die im Dunst am Ufersaum nur noch schemenhaft zu erkennen ist.

Annette Frese

Literatur:
W. Stechow, Dutch Landscape Painting of the Seventeenth Century, London 1966
R. Gruenther ( Hrsg.), Das Reich der Jahreszeiten. Ausstellungskatalog, Zürich 1989
F. Wappenschmidt, "So verstrich der Winter in ewigem Frühling". Die kalte Jahreszeit in der Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Kunst und Antiquitäten, H. 1 12, 1991, S. 10-15 P. Zumthor, Das Alltagsleben in Holland zur Zeit Rembrandts, Leipzig 1992
Annette Frese, Die Sammlung Posselt im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg, Heidelberg 1995 ( Bildhefte des KMH, Heft 3, hrsg. v. Jörn Bahns ), S. 52-53

Anthonie Verstraelen (um 1594 - 1641)
Eisbelustigung, 1632
Öl auf Holz
Inv. Nr. G 669 (Sammlung Posselt)

 
 
siehe auch:

Bild im Großformat

zurück zur Übersicht

weiter:  Januar 2008


Hauptmenü | Heidelberg | Kurpfälzisches Museum | Service | Aktuelles | ZUM |
© Text und Abbildung Kurpfälzisches Museum 2007
© Gestaltung Badische Heimat 2007

-