In der Kunst des 17. Jahrhunderts erscheint der Winter oft allegorisiert
in der Personifikation eines frierenden Greises, der sich in ein
Tuch hüllt oder mit Pelzmantel und Pelzmütze an einem Kohlebecken
zu wärmen versucht. Seltener wird das Thema Winter mythologisiert
wie z.B. im Bild der trauernden Liebesgöttin Venus, die im Winter
ihren bei Proserpina in der Unterwelt weilenden Geliebten Adonis
vermisst.
In Holland, wo Wasserläufe, Kanäle und Häfen oft für zwei bis
drei Monate zufroren, jedermann auf dem Eis lebte und das Hauptamüsement
das Schlittschuhlaufen war, wurde die kalte Jahreszeit aber vor
allem in Landschafts- oder Genrebildern beschrieben, die oft "Wintervergnügen"
oder "Eisbelustigung" genannt wurden.
Die ersten bedeutenden Schilderer des nördlichen Winters, wie
Hendrick Averkamp, gaben detailliert vorrangig die Buntheit des
menschlichen Treibens auf dem Eis wieder. Ab den 30er Jahren des
17. Jahrhunderts, in denen auch das Gemälde Verstraelens entstand,
der sich auf dieses Sujet spezialisiert hatte, wurden die volkstümlichen
Genreszenen und Figurenstaffagen stärker in Licht und Atmosphäre
einbezogen, in der Tonalität vereinheitlicht und dem Stimmungsgehalt
der Natur untergeordnet. Auch im Vergleich mit zwei anderen Winterbildern
der Sammlung Posselt von Claes Molenaer (vor 1630 - 1676) wird
deutlich, dass es Anthonie Verstraelen mit seinem Gemälde um die
Wiedergabe der lyrischen Stimmung eines Wintertages mit wirklichkeitsgetreuer
Sittenschilderung ging und nicht um den Gedanken der im Frost
ergrauten Natur als Vanitasbild, bei dem die Brüchigkeit des Eises
als Hinweis auf die Gefährdungen und die Unsicherheit der menschlichen
Existenz gelesen werden konnte.
Von einem erhöhten Standpunkt aus leitet Verstraelen, dessen
Lebensumstände kaum bekannt sind, den Blick über eine weite Eisfläche,
die auf der rechten Seite von einer verschneiten Dorflandschaft
mit kahlen bereiften Bäumen gesäumt ist. Fein nuancierte Farben,
die tonig gedämpft sind, schaffen einen kontinuierlichen Tiefenraum,
in dem Himmel und Erde durch das vereinheitlichende diesige Winterlicht
wie verschiedene Aggregatzustände eines Elementes erscheinen.
Im Vordergrund rechts setzt ein hoher Mast einen starken vertikalen
Kompositionsakzent. Der daneben stehende männliche Zuschauer leitet
als Repoussoir zusammen mit der auf der linken Seite in humoristischer
Drastik erfassten Frau, die ihre Notdurft verrichtet, den Blick
auf die Eisfläche. Hier sind "naer het leven" (nach dem Leben)
liebevoll die verschiedenen Bewegungsmotive der überwiegend männlichen
Schlittschuhläufer festgehalten: Im Vordergrund schnallt sich
einer von ihnen seine "Holländer" an, wie die Holzschlittschuhe
hießen, und neben ihm liegt ein Holzstock als Hinweis auf das
beliebte "Kolfspelen", eine Form des Eishockeys, das von Jung
und Alt betrieben wurde. Hand in Hand bewegen sich auf dem spiegelnd
zugefrorenen Binnengewässer Paare in eleganter Kleidung mit Spitzenkragen,
den Statussymbolen des gehobenen städtischen Bürgertums, und Dorfbewohner
in einfacher wollener Tracht, die ihre Hände vor der Brust verschränkt
oder vor der Kälte geschützt tief in die Hosentaschen gesteckt
haben. Dazwischen lassen sich in Decken warm eingehüllte Menschen
auf Holzschlitten von mit Schabracken geschmückten Pferden über
die Eisfläche ziehen. Auf einem Handschlitten wird auch ein Bierfässchen
zu einer gut besuchten Zeltwirtschaft transportiert, bei der aufsteigender
Rauch ein wärmendes Feuer für die Gäste verheißt. Stolz weht hier
auch die rot-weiß-blau gestreifte Fahne der Republik der Vereinigten
Niederlande.
In reizvollem Kontrast zum "bunten" Treiben der Müßiggänger auf
dem Eis steht die Behandlung der ruhig abgeschiedenen niedrigen
Bauernhäuser im Hintergrund.
Anders als auf einem weiteren Gemälde Verstraelens aus der Sammlung
Posselt, "Kanallandschaft mit Schlittschuhläufern", auf dem eindrucksvolle
städtische Gebäude zu sehen sind, wird hier eine bescheidene menschliche
Ansiedlung ohne topographischen Anspruch wiedergegeben - als pittoresk
verschneites Versatzstück ähnlich der für Holland charakteristischen
Windmühle, die im Dunst am Ufersaum nur noch schemenhaft zu erkennen
ist.
Annette Frese
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