Kunstwerk des Monats
Juli 2006
- Sammlungsblatt -

Amor und Psyche - ein antikes Liebespaar aus Heidelberg

"Ist es zu glauben, ich, die Urmutter der Natur, der Ur-Ursprung der Elemente, ich Venus, Ernährerin des ganzen Erdkreises, muss mit einem sterblichen Mädchen Ansehen und Ehre teilen, und mein Name, der im Himmel beheimatet ist, wird durch irdischen Schmutz entweiht!"
So beginnt die Liebesgeschichte um "Amor und Psyche", die der Schriftsteller Apuleius von Madaura im 2. Jahrhundert n. Chr. in seinen Roman "Metamorphoses" eingefügt hat.

Wütend befahl Venus ihrem Sohn Amor, das Mädchen in einen hässlichen Mann verliebt zu machen. Damit sind die drei Hauptfiguren vorgestellt: Venus, die eifersüchtige Göttin, Amor, ihr Sohn, der durch Pfeilschüsse bei Göttern und Menschen Liebe erweckt, und Psyche, das Mädchen, das, nur weil es ungewöhnlich schön ist, Opfer einer Göttin werden soll. Doch Amor verliebte sich selbst in Psyche und ließ deren Eltern durch einen Orakelspruch Apollos weissagen, sie müssten ihre Tochter für eine Hochzeit kleiden und sie zu einer einsamen Bergspitze bringen. Von dort trug sie aber Zephyr, der Westwind, in einen prächtigen Palast. Bereits in der ersten Nacht kam Amor unerkannt zu ihr und liebte sie. Er versprach, jede Nacht wiederzukommen, nur dürfe sie nie versuchen herauszufinden, wer er sei. Auf Drängen ihrer eifersüchtigen Schwestern, aus Neugier und aus Angst, ein Ungeheuer neben sich liegen zu haben, ging sie in der folgenden Nacht mit einer Öllampe und einem Messer zu Bett. Doch als sie die Lampe entzündete, sah sie den wunderschönen Amor, der aber durch einen heißen Öltropfen aufwachte und entfloh. Die verzweifelte Psyche suchte ihn auf der Erde vergeblich und gelangte schließlich zur eifersüchtigen Venus. Für diese musste sie schwierige Aufgaben erfüllen, bei denen ihr aber Amor, der sie immer noch liebte, half. Mit den Worten "Nimm Psyche, und sei fortan unsterblich! Nie wird sich Cupido aus den Banden, die ihn an dich knüpfen, lösen, sondern ihr seid vermählt in Ewigkeit!" leitet Göttervater Jupiter selbst das Happy End von Amor und Psyche ein.

Die bezaubernde Geschichte der beiden Götter inspirierte immer wieder die antiken Künstler. Gleichermaßen fasziniert von ihr ließen sich Renaissance-Fürsten im 16. Jahrhundert ganze Säle mit der erotischen Geschichte des antiken Liebespaares ausmalen. Die römische Kaiserzeit stellte beide auf Mosaiken dar, modellierte Statuen und auch die Kleinkunst - auf Gefäßen und Terrakotten - widmete sich dem Pärchen. Im Laufe der Zeit wurden beide immer mehr zu liebenden und unschuldigen Kindern: Amor, der kleine geflügelte Putto, und Psyche, das zarte Mädchen mit den Schmetterlingsflügeln. Alle Varianten gehen aber letztlich auf einen hellenistischen statuarischen Prototyp zurück, den Kopien vor allem in Rom und Florenz überliefern. In leicht abgewandelter Form zeigen seit dem Späthellenismus bis weit in die Kaiserzeit unzählige Terrakotten aus italischer und mittelgallischer Fabrikation das beliebte Motiv.

Die Heidelberger Terrakotte wurde 1877 beim Bau des Altklinikums im Bereich der Schurmanstraße, in Höhe der Psychiatrischen Klinik entdeckt und gelangte in die Archäologischen Sammlungen der Universität. Über die spärliche Nachricht hinaus: "1877 am Neckar gefunden" gibt es keine weiteren Informationen über die Befundsituation.

Das 19 cm hohe hohlgegossene Tonrelief zeigt das kindliche und geflügelte Paar in Dreiviertelansicht, bis auf die Angabe der Frisuren ist die Rückseite glatt. Beide stehen dicht nebeneinander, umarmen und küssen sich. Amor ist nackt, die links stehende Psyche trägt ein gegürtetes, in pudrigen Falten nach hinten wehendes Gewand. Amor greift mit seiner rechten Hand an ihre Brust, sie erwidert die Liebkosung, indem sie mit ihrer Rechten den Unterarm des Gefährten berührt.

Der weiße, sehr feine Pfeifenton hat eine fette, hartgebrannte Konsistenz und wirkt sehr homogen; er ist charakteristisch für mittelgallische Werkstätten. Die sorgfältig geglättete Oberfläche zeigt keinerlei Spuren der ursprünglichen Farbfassung mehr. Doch war die Bemalung das wichtigste Zierelement der Terrakotten und der weiße Pfeifenton ein perfekter Malgrund.

Tonfiguren gehörten im römischen Imperium zu den billigen Massenwaren, denn sie konnten, in eine zweiteilige Form gepresst, serienmäßig immer wieder abgeformt werden. So tauchen sie denn auch zu Hunderten in Heiligtümern auf, wo sie für die "einfachen Leute" die unerschwinglichen Weihefiguren aus Stein oder gar Bronze ersetzten.

Die Heidelberger Votivgabe stammt sicherlich nicht aus einem Heiligtum. Der Fundort liegt mitten im Heidelberger Südvicus, so dass hier am ehesten an ein kleines Hausheiligtum zu denken ist, in dem das Pärchen als Symbol für Liebe und/oder eheliche Verbundenheit oder aber mit der Bitte um Liebeserfüllung geweiht wurde.

Text: Renate Ludwig

Literatur:

Apuleius: Das Märchen von Amor und Psyche. Hrsg. u. übertr. v. Kurt Steinmann. Reclam Universal-Bibliothek 486 (1978).
Elisabeth Rüger: Die römischen Terrakotten von Nida-Heddernheim. Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte 5 (Frankfurt 1980) bes. S. 59-60.
Adrien Blanchet: Étude sur les figurines en terre cuite de la Gaule Romaine. Mém. Soc. Nat. Antiquaires de France 51, S. 65-224; 60, S. 180-272. Repr. Revue archéol. SITES hors-série 22, 1983.
Victorine von Gonzenbach: Die römischen Terracotten in der Schweiz, Untersuchungen zu Zeitstellung; Typologie und Ursprung der mittelgallischen Tonstatuetten. Handbuch der Schweiz zur Römerzeit Bd. A u. B (1995) bes. S. 132-133.

 

Gefunden 1877 im Bergheimer Viertel,
Terrakotta,
2./3. Jh.n.Chr.

Foto: Museum

 
 
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