Das Leben der Heiligen
Gertrud
von Andechs-Meranien und Andreas II. von Ungarn, Miniatur
im Landgrafenpsalter, unbekannter Künstler, ca. zwischen
1211-1213, Projekt: Landesausstellung, Bayern-Ungarn
Tausend Jahre, Haus der Bayerischen Geschichte, 2001
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Elisabeth war die Tochter des ungarischen Königs Andreas
II. und der Gertrud von Andechs (Schwester der Heiligen
Hedwig von Andechs). Bereits 1211, im Alter von vier Jahren,
wurde sie nach Thüringen gebracht (heute liegt auf dieser
Strecke der Bergwanderweg Eisenach-Budapest) und mit Ludwig,
dem Sohn Landgraf Hermann I., verlobt, nachdem der eigentlich
vorgesehene ältere Bruder Hermann schon früh verstorben
war. Nach Reinhold Schneider wurde die gemeinsame Erziehung
künftiger Ehegatten damals oft gewählt, um frühzeitiges
Einleben und die örtliche Akzeptanz zu fördern. Für die
geplante Heirat dürften machtpolitische Erwägungen den Ausschlag
gegeben haben. Der Thüringer Landgraf Hermann I. hatte bereits
zu Beginn des 13. Jahrhundert die Verbindung zu Bischof
Egbert von Bamberg und damit zu dem einflussreichen und
weit verzweigten Haus von Andechs-Meranien aufgenommen.
Die beiden Familien waren das Zentrum der antiwelfischen
Opposition. So ist es wahrscheinlich, dass die Ehe zwischen
Ludwig und Elisabeth zur Bekräftigung der Beziehung des
mit Macht emporstrebenden Thüringischen Hauses mit dem von
Andechs-Meranien verabredet wurde. Dass Elisabeth darüber
hinaus eine Königstochter war, erhöhte den Glanz dieser
Verbindung.
1213 starb Elisabeths
Mutter. Sie wurde wegen Habgier von aufgebrachten Untertanen
umgebracht. Landgraf Hermann I. starb 1217, und Ludwig übernahm
im Alter von 17 Jahren die Regentschaft. 1221 heirateten er
und die nun 14-jährige Elisabeth. Die Ehe, so wird übereinstimmend
berichtet, soll sehr glücklich gewesen sein. 1223/24 kamen
die ersten Franziskaner nach Thüringen. Elisabeth kam durch
den Laienbruder Rodeger in Kontakt mit den Idealen des Franziskus.
Diese fielen bei der jungen Frau auf fruchtbaren Boden; Elisabeth
begünstigte die Franziskaner und ermöglichte ihre Ansiedlung
in Eisenach. Die gegenseitige Liebe des landgräflichen Paares
scheint Wolfram von Eschenbach zu einem Gedicht über die Minne
angeregt zu haben. Elisabeths Gemahl Ludwig stand zu ihr,
als sie wegen ihres Vorgehens gegen höfische Verschwendung
und tätiger Hilfe für Bedürftige und Leprakranke vielfach
kritisiert wurde. Elisabeth von Thüringen schenkte drei Kindern
das Leben, Hermann, Sophie und Gertrud. Sohn und Erbnachfolger
Hermann wurde im März 1222 auf der Creuzburg (unweit von Eisenach
und der Wartburg) geboren. 1226 gelobte Elisabeth im Beisein
ihres Mannes dem um 1224 an den Thüringer Hof gekommenen Priester
Konrad von Marburg, einem berühmten und berüchtigten Ketzerprediger,
ihm Gehorsam zu leisten, wenn die Rechte des Landgrafen dadurch
nicht eingeschränkt würden, und darüber hinaus immerwährende
Keuschheit für den Fall, dass sie Ludwig überleben würde,
und in diesem Falle auch unbedingten, durch nichts mehr eingeschränkten
Gehorsam gegenüber Konrad. Konrad von Marburg machte Elisabeth
in der Folgezeit rigorose Vorschriften. Diese waren teils
sehr schwer zu erfüllen und nur selten mit der Lebensweise
und den Pflichten einer Landgräfin zu vereinbaren. Als Ludwig
1227 auf einem Kreuzzug bereits kurz nach der Einschiffung
im italienischen Otranto an einer Seuche starb, zersprang
der Legende nach der Stein ihres Ringes (heute im Schloss
Braunfels). Zu dieser Zeit war der Älteste ihrer drei Kinder,
der spätere Landgraf Hermann II., erst 5 Jahre alt. Daher
wurde ihr Schwager Heinrich Raspe IV. neuer Regent. Er soll
Elisabeth von der Wartburg vertrieben haben, da sie zu viele
Almosen gäbe. Andere Quellen berichten, sie habe wegen Missgunst
freiwillig die Burg verlassen. Wahrscheinlicher ist, dass
Elisabeth auf Veranlassung des Konrad von Marburg mit diesem
von der Wartburg wegzog, nachdem sie von der Familie des Landgrafen
die Herausgabe beträchtlicher Witwengüter erlangt hatte. Jedenfalls
verließ Elisabeth im Spätherbst 1227 die Wartburg und ließ,
wie die Quellen berichten, noch in der gleichen Nacht von
"ihren" Franziskanern ein "Te Deum" singen. Daraufhin geriet
die junge Elisabeth zusehends unter den Einfluss ihres bigotten
und machtgierigen Beichtvaters Konrad von Marburg. Die Annahme
allerdings, dass sie Schutz vor ihm bei ihren Verwandten Heinrich
III. von Sayn und seiner Frau Mechthild von Landsberg in Sayn
suchte (Mechthilds Mutter war eine Cousine von Elisabeths
verstorbenem Mann), und dass Heinrich deswegen durch Konrad
von Marburg der Ketzerei angeklagt wurde, ist in keiner Quelle
belegt und aus einem einfachen Grund sehr unwahrscheinlich:
Der Prozess gegen Heinrich, der tatsächlich von Konrad verfolgt
wurde, fand erst nach dem Tode Elisabeths statt und muss deswegen
andere Gründe gehabt haben.
Elisabethkirche
in Marburg.
Bild: Matthias Hischer, 2002 |
Da Elisabeth in Eisenach keine Bleibe fand, wohnte sie
zeitweilig, von der Bevölkerung bald verachtet, in einem
Schweinestall. Konrad von Marburg verbot ihr jedoch zu betteln
und untersagte ihr auch unter Hinweis auf den geschuldeten
Gehorsam, ein radikales Armutsgelübde abzulegen. Es ist
nicht genau geklärt, wie lange Elisabeth noch in Eisenach
blieb. Am Karfreitag 1228 entsagte sie in der Eisenacher
Franziskanerkirche allem weltlichen Besitz, ihren Kindern
und ihrem eigenen Willen.
Als die Familien ihrer
Eltern von Elisabeths Schicksal erfuhren, ließ ihre Tante,
die Äbtissin Mechthild von Kitzingen sie zu sich holen und
schickte sie bald zu ihrem Onkel, Bischof Ekbert von Bamberg.
Dieser ließ sie auf die Burg Pottenstein in Oberfranken bringen.
Er empfahl ihr zu ihrem Besten dringend eine neuerliche Vermählung
(der verwitwete Kaiser Friedrich warb um sie), doch sie weigerte
sich angesichts ihres Gelübdes. Zur Beisetzung der Gebeine
ihres Gemahls (es wurde nach Dietrich v. Apolda nur das Skelett
ohne Fleisch begraben) im Mai 1228 im Kloster Reinhardsbrunn
kehrte Elisabeth nach Thüringen zurück. In der Folge begab
sie sich nach Marburg. Als Elisabeth nach Bemühungen durch
Konrad von Marburg 2000 Mark als Ersatz für das ihr zustehende
Wittum erhielt, ließ sie 1229 in Marburg ein Hospital errichten.
Sie benannte es nach Franziskus von Assisi und arbeitete dort
als Pflegerin. Sie selbst lebte in ärmlichsten Verhältnissen. Vermutlich
auf Grund Elisabeths Entschlusses, ihr Leben den Armen und
Kranken zu widmen, kam ihre Tochter Gertrud schon im Alter
von zwei Jahren ins hessische Prämonstratenserinnenkloster
Altenberg, wo sie bereits im Alter von 21 Jahren Äbtissin
wurde. Gertrud wurde 1348 von Papst Clemens Vl. selig gesprochen. Elisabeth
starb mit 24 Jahren und wurde schon vier Jahre später, vor
allem auf Betreiben ihres Schwagers Konrad von Thüringen,
heilig gesprochen. Wegen der sich ausbreitenden Wunderbehauptungen
wurde die Stadt Marburg bald zu einem sehr wichtigen Wallfahrtsort.
Der Strom der Pilger zu ihrem Grabmal unter der Elisabethkirche
machte die Stadt reich und bedeutend, vorübergehend sogar
zur Landeshauptstadt Hessens.
Der Deutsche Orden, dem ihr Schwager Konrad seit 1334 angehörte
und dessen Hochmeister er 1339 wurde, erweiterte das Spital
und errichtete 1235 bis 1283 die ihr geweihte Kirche. Sie
gilt - zusammen mit der Trierer Liebfrauenkirche, die möglicherweise
sogar ein paar Jahre älter ist - als erster gotischer Bau
Deutschlands. Die Elisabethkirche ist bis heute Zentrum
einer lebendigen Pfarrgemeinde und enthält viele Kunstwerke
sowie das seit der Reformation leere Grab Elisabeths.
Nachkommen
Hermann II. (1222-1241) - verheiratet
mit Helene von Braunschweig-Lüneburg (1231-1273) Sophie (1224-1275)
- verheiratet mit Heinrich II., Herzog von Brabant, deren
Sohn Heinrich war der erste Landgraf von Hessen Gertrud (1227-1297)
- Äbtissin im Prämonstratenserinnenkloster Altenberg, (Hessen)
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