Die Welt der Kelten


Zentren der Macht

 

Raumtexte aus der Ausstellung

Erster Auftritt – Kelten an der Donau
Im 5. Jahrhundert v. Chr. berichten griechische Autoren wie Herodot von Halikarnassos zum ersten Mal von den Menschen, die im fernen Nordwesten Europas jenseits der Meerenge von Gibraltar, an den Quellen der Donau leben: Sie werden Kelten genannt. Das dort erwähnte Pyrene könnte mit der Heuneburg identisch sein.

Zwischen Fakten und Zeitgeist - Wer sind die Kelten?
Unser heutiges Bild von den Kelten setzt sich aus vielen Facetten zusammen, die auf unterschiedlichen Quellen beruhen: auf antiken Schriftzeugnissen, bildlichen Darstellungen, auf den Ergebnissen der Archäologie und der Sprachwissenschaft. Es spiegelt aber auch unsere heutigen Vorstellungen von einer idealisierten Vergangenheit wider.

Unter dem Begriff Kelten fasst die Archäologie heute verschiedene lokale und regionale Kulturgruppen in Mittel- und Westeuropa zusammen, die Gemeinsamkeiten in Bezug auf Sprache, Religion, Bestattungs- und Siedlungsweise und die materielle Kultur aufweisen. Es ist die letzte Epoche vor der Ankunft der Römer, die auch als vorrömische Eisenzeit bezeichnet wird. Der ältere Abschnitt (800-450 v.Chr.) wird nach dem Gräberfeld von Hallstatt im österreichischen Salzkammergut Hallstattzeit genannt. Der jüngere Abschnitt (450-15 v.Chr.) trägt nach dem Fundort La Tène am Neuenburger See in der Schweiz die Bezeichnung Latènezeit. In den antiken Quellen werden diese Menschen je nach Region und Zeitstellung mal als Keltoi oder Celtae, mal als Galli oder Galatai bezeichnet, d.h. als Kelten, Gallier oder Galater.

An der Schwelle zur Hochkultur – Die frühe Eisenzeit
Die Ausbreitung der Eisentechnologie nördlich der Alpen bewirkte ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. grundlegende Veränderungen im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Im Zuge der Erschließung von Eisenerzlagerstätten bildeten sich neue Eliten, die den Erzabbau, die Verhüttung und die Verteilung des neuartigen Rohstoffs kontrollierten.

Die daraus resultierende soziale Differenzierung lässt sich vor allem an Grabbau und Grabausstattung, aber auch in unterschiedlichen Siedlungsformen festmachen. Die meisten Menschen lebten in Einzelhöfen und kleinen Dörfern. Ihre Lebensgrundlage war die Landwirtschaft. Die Elite dagegen übte ihre Macht von verkehrsgeografisch günstig gelegenen und befestigten Höhesiedlungen, den sogenannten Fürstensitzen, aus.

Die Vernetzung der Eliten und ihre weitreichenden Kontakte bis in den mediterranen Raum spiegeln die archäologischen Quellen des 6. und 5. Jahrhunderts v.Chr. wider. Geschirr und Wein aus Griechenland und Italien, Bernstein von der Ostseeküste und Koralle aus dem Mittelmeer standen ihnen zur Verfügung, auch Salz aus den Lagerstätten im Alpenraum wurde großräumig verhandelt.

Alles wird anders – Abbruch, Umbruch, Aufbruch
An der Wende zum 4. Jahrhundert v. Chr. kam es in Südwestdeutschland zu tiefgreifenden Veränderungen. An die Stelle der „Fürstensitze“ traten Einzelhöfe und kleine Weiler. In einigen Gebieten dünnte die Besiedlung merklich aus. Die Südimporte versiegten fast vollständig. Flachgräber ersetzten die Fürstengrabhügel.

Gleichzeitig finden sich typische keltische Erzeugnisse auch außerhalb ihres ursprünglichen mitteleuropäischen Verbreitungsgebietes, zum Beispiel in Italien auf dem Balkan und in Kleinasien. Unklar ist, ob sich in diesen Funden die Mobilität einzelner Personen, Heiratskontakte, Handelsbeziehungen, die Verbreitung technischer Neuerungen oder die Abwanderung größerer Gruppen und weiträumige Eroberungszüge niederschlagen. Letzteres würde zu den literarisch überlieferten keltischen Wanderungen passen. Als Ursachen für diese Veränderungen gelten die instabilen politischen Verhältnisse einerseits. Andererseits liefern Pollenanalysen und Klimastudien Hinweise auf ein Absinken der Durchschnittstemperatur und Zunahme der Niederschläge, also eine drastische Verschlechterung des Klimas ab der Zeit um 400 v. Chr., die Missernten und Hungersnöte ausgelöst haben könnte.

Opfer, Tempel und Trophäen – Religion und Kult
Bis auf wenige Inschriften, die die Namen von Gottheiten nennen, gibt es keine eigenen Texte der Kelten zu ihrer Mythologie, zum Kultpersonal oder zu den Opferriten. Lange Zeit beruhte das Wissen von Religion und Kult der Kelten daher ausschließlich auf den Berichten griechischer und römischer Schriftsteller und auf den Bild- und Schriftquellen der römischen Zeit. Diese vermitteln ein oft einseitiges Bild, das auf die besonders fremdartig und barbarisch erscheinenden Seiten der keltischen Religion fixiert ist.

Der archäologischen Forschung ist es in den letzten Jahrzehnten jedoch gelungen, dieses Bild in vielerlei Hinsicht zu korrigieren. Das Fundmaterial aus Heiligtümern, die seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. in Frankreich, Bayern und Österreich existierten, belegen Tieropfer, die Weihung von Wertgegenständen, gemeinsame Festgelage und die Zurschaustellung von Ahnen oder getöteten Feinden.

In Südwestdeutschland hingegen liefern bislang nur Opfer- und Weihegaben von besonderen Plätzen in der Natur Hinweise auf die Religiosität der Menschen. Gerade die Druiden aber, die schon in der Antike die Neugier der Gelehrten weckten, haben kaum archäologische Spuren hinterlassen.

Zeit der Konsolidierung – Handwerk, Produktion, Innovation
Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. stabilisierten sich die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der keltischen Welt wieder. Die Entwicklung neuer Technologien hatte den Aufschwung von Handwerk und Handel und eine arbeitsteilige Spezialisierung zur Folge. Auf dieser Basis entstanden entlang wichtiger Verkehrsachsen und in der Nähe natürlicher Rohstoffvorkommen neue unbefestigte Großsiedlungen. Einige von diesen bestanden nahezu unverändert bis ans Ende der Keltenzeit fort. Gleichzeitig machte sich auch nördlich der Alpen der Einfluss Roms immer stärker bemerkbar.

Zwischen 225 und 180 v. Chr. eroberten die Römer nach und nach das ehemals keltisch besiedelte Oberitalien, die spätere Provinz Gallia Cisalpina. Ab 125 v. Chr. besetzten sie das Gebiet zwischen Pyrenäen und Westalpenrand und gründeten die Provinz Gallia Narbonensis, die bis an den Genfer See reichte. Damit gelangten wieder mehr Handelswaren nach Norden und auch die schriftlichen Berichte über die Kelten wurden zahlreicher.

Letzte Blüte und das Ende der keltischen Welt
Im 2. Jahrhundert. v. Chr. erlebte die keltische Welt eine letzte Hochphase. Das Land war dicht mit jetzt befestigten Städten - Oppida genannt - , Dörfern und Gehöften besiedelt und wurde intensiv landwirtschaftlich genutzt. Es bildeten sich staatenähnliche Gemeinwesen, civitates, heraus, die sich aus einzelnen Distrikten, pagi, zusammensetzten und von einem Hauptort aus verwaltet wurden. Konkurrierende Adelsfamilien bestimmten die Geschicke der meisten civitates und wählten einen Ältestenrat oder Senat und verschiedene Beamte. Kriegerische Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in wechselnden Bündnissen und Abhängigkeitsverhältnissen waren an der Tagesordnung. Ab den ersten Jahrzehnten des 1. Jahrhundert v. Chr. machten sich Auflösungstendenzen bemerkbar. Die Großsiedlungen wurden aufgegeben, die Bevölkerung nahm ab. Zunehmend gerieten die Kelten zwischen von Nordosten kommende germanische Siedlergruppen und die Römer, die zunächst Gallien und schließlich den Alpenraum und das Voralpengebiet eroberten. Damit endete die eigenständige Geschichte der Kelten auf dem Festland, während Kunst und Kultur unter römischer Herrschaft weiterlebten.

„Fürstensitze“ und Elitekultur
Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. entstehen in Süddeutschland, Ostfrankreich und der Schweiz sogenannte „Fürstensitze“, die Machtzentren der frühkeltischen Elite. Die häufig auf markanten Landschaftserhebungen gelegenen Zentralorte, an denen wirtschaftliche, politischadministrative und kultisch-religiöse Funktionen gebündelt sind, bilden Knotenpunkte in einem weit gespannten Netzwerk. Monumentale Befestigungen, eine repräsentative Innenbebauung, mediterrane Importwaren und Großgrabhügel mit Prunkgräbern im Umfeld gelten als Charakteristika dieser Anlagen. Aktuelle Forschungen zeigen jedoch, dass sich die unter dem Begriff „Fürstensitze“ zusammengefassten Siedlungen in Entwicklung, Charakter und Funktion bisweilen deutlich unterscheiden. Der Repräsentationswille der frühkeltischen Elite beschränkt sich nicht auf die Monumentalität ihrer Architektur, auch ihr Lebensstil ist davon geprägt. Ein exklusives Erscheinungsbild und spezifische Verhaltensweisen heben sie vom Rest der Bevölkerung ab. Sie orientieren sich dabei an den Handlungsmustern der Eliten benachbarter Kulturen: Sie präsentieren sich als großzügige Gastgeber, beweisen ihren Mut bei der Jagd und ihr Geschick im Wettkampf. Darstellungen aus dem südostalpinen und dem mediterranen Raum illustrieren das bunte Treiben der gesellschaftlichen Oberschicht über kulturelle Grenzen hinweg.

Die Oppida – Stadtanlagen der Spätzeit
Ab etwa 150 v. Chr. entstanden in allen Teilen der keltischen Welt befestigte Städte, die nach Caesar als Oppida bezeichnet werden. Diese Oppida waren mit Innenflächen bis zu mehreren hundert Hektar deutlich größer als alle befestigten Siedlungen der älteren Vorgeschichte Mitteleuropas und boten Platz für tausende Bewohner.

Als administrative, wirtschaftliche und religiöse Zentren dominierten die spätkeltischen Städte ihr Umland. Durch politische Kontakte und Handelsbeziehungen waren sie untereinander, aber auch mit dem Mittelmeerraum eng verbunden. Sie waren Lebensmittelpunkt der Mächtigen, von Händlern, Handwerkern, Künstlern und Bauern. Die städtische Kultur der keltischen Spätzeit war zudem durch zwei wichtige Errungenschaften geprägt: das Geld und die Schrift.

In Südwestdeutschland und weiter östlich war die Blüte der Oppida nur von kurzer Dauer. Links des Rheins hingegen wurden eine Reihe keltischer Gründungen nach dem Ende des Gallischen Krieges zu römischen Provinzstädten ausgebaut. Manche sind bis zum heutigen Tag kontinuierlich bewohnt.

Von der Schatzsuche zur Hightechgrabung – Die Entdeckung der keltischen „Fürsten“
Drei Knotenringe von einem Acker beim Hohenasperg wurden 1608 in das Inventar der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg aufgenommen und gehören damit zu den ältesten überlieferten keltischen Entdeckungen in Baden-Württemberg. Erste umfangreichere Grabungen führten die im 19. Jahrhundert gegründeten Altertumsvereine durch. Mit großflächigen Siedlungsgrabungen am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Methodik auf der Basis von Vermessung und sorgfältiger Dokumentation weiterentwickelt. Eine ungeheure Aufmerksamkeit erzielte die Entdeckung und Ausgrabung des „Fürstengrabes“ von Hochdorf 1978/1979 in Medien und Öffentlichkeit. Die dynamische Entwicklung der Keltenforschung wird am Beispiel der Heuneburg besonders deutlich. Dieser keltische „Fürstensitz“ wird bis heute von Universitätsinstituten und der Landesdenkmalpflege, in verschiedenen Projekten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt, unter immer neuen Fragestellungen untersucht. Die neuesten naturwissenschaftlichen Methoden und bildgebenden Verfahren kommen zum Einsatz, wie jüngst bei der spektakulären Ausgrabung des „Fürstinnengrabes“ im Gewann „Bettelbühl“.

     

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