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Ausstellung "Neogotik!" in Straßburg – zwischen Traum und Geschichte

Ausstellung der Universitätsbibliothek im Rahmen des Projekts "Straßburg 1870 - 1930"

(bnu) Die Ausstellung „Neogotik, Faszination und Neuinterpretation des Mittelalters“, die in der Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (BNU) vom 16. September 2017 bis zum 28. Januar 2018 gezeigt wird, ist Teil der Ausstellungsreihe „Straßburg, Laboratorium Europas 1880 – 1930“. Sie wird veranstaltet von den Museen Straßburgs und der Universität Straßburg.

100 Jahre vor Game of Thrones

Die Veranstaltung lässt in die Wurzeln des jüngsten Erfolgs der Adaptionen von Game of Thrones oder des Herrn der Ringe eintauchen. Das ist ein fantastisches und spektakuläres Mittelalter – das hat bereits ein Jahrhundert vorher  die Vorstellungswelt der europäischen und besonders der elsässischen Künstler genährt.

Das Projekt stellt ein Bild des Mittelalters vor, wie es einerseits von den Künstlern an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert neu interpretiert, andererseits von den Historikern der Universität, allen voran durch den deutschen Mediävisten Harry Bresslau (1846 – 1926) erforscht wurde.

Das Projekt

Bresslau leitete, zusammen mit anderen, die Herausgabe der berühmten Monumenta Germaniae historica (Urkunden der deutschen Geschichte des Mittelalters). Unterstützt vom politischen Willen des Reichs, das neu geschaffene Reichsland Elsass-Lothringen in der deutschen Welt zu verankern, riefen das Studium und die Glorifizierung des Mittelalters große Begeisterung bei den elsässischen Künstlern, wie Leo Schnugg oder Joseph Sattler, hervor. Ihr großes Werk Die Nibelungen errang einen Preis auf der Weltausstellung 1900. Sattler, Professor der Kunstgewerbeschule (Ecole des Arts décoratifs) in Straßburg, trug mit illustrierten Zeitschriften, Exlibris und Bildermappen zur Verbreitung der mittelalterlichen Themen bei. Seine Werke beeinflussten den Jugendstil im Reichsland.

Parallel dazu steht das Werk der Hohkönigsburg, sinnbildhaft für die Suche nach Symbolen der Zugehörigkeit zur deutschen Nation, als die spektakulärste Arbeit dieser Zeit.

Hohkönigsburg vom Tal aus gesehen, um 1900

Das Projekt Neogotik! entwickelt ein bedeutendes Panorama des künstlerischen und intellektuellen Lebens in der Stadt Straßburg und im Elsass während dieser Gelenk-Epoche zwischen der Errichtung der deutschen Herrschaft mit der Annexion des Elsass und der Rückkehr der Region nach Frankreich. Es entwickelt das sich verändernde Bild des Mittelalters in Europa, zu dem kürzlich andere Ausstellungen beigetragen haben, weiter; genannt seien hier die Ausstellungen „Histoires de coeur et d’épée en Europe 1802-1850“ im Musée des Beaux-arts in Lyon (2014) oder „La Légende du Roi Arthur“ in derBibliothèque nationale de France (2009).

Das Projekt steht im Zusammenhang mit der Neubewertung der „Neustadt“, des deutschen Stadtviertels von Straßburg, das zwischen 1870 und 1918 erbaut wurde. Seine Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO belegt den Willen der lokalen Behörden, das Erbe dieser Epoche stärker zu berücksichtigen und aufzuwerten.

Die Sicht auf die Geschichte

Zwischen 1880 und 1930 war die Art und Weise, in der die Epoche des Mittelalters in den Schulbüchern gelehrt oder in Kinder- und Jugendbüchern präsentiert wurde, geprägt von dem Willen sowohl Deutschlands wie auch Frankreichs, das Elsass im Roman der Geschichte ihrer Nationen festzuschreiben. Das Mittelalter war in dieser Zeit Quelle für zahlreiche Erzählungen über die Großen der Geschichte, wie Karl der Große, Chlodwig, Friedrich Barbarossa oder Jeanne d’Arc. Im elsässischen Rahmen waren die Geschichte der Heiligen Ottilie (Ste. Odile), Episoden aus der Geschichte der elsässischen Orte, die weltliche Tradition des Weinbaus oder auch der Bauernkrieg Elemente einer entstehenden Regionalgeschichte. Während des Ersten Weltkriegs griff die Propaganda sowohl auf deutscher wie auch auf französischer Seite auf das Mittelalter und die Figur des heldenhaften Ritters zurück.

Die Rückkehr des Elsass zu Frankreich 1918 ist gekennzeichnet durch die Errichtung der französischen Universität mit den Studien von Marc Bloch (1886 – 1944) und Lucien Febvre (1878-1956), in der Ecole des Annales veränderte sich die Herangehensweise an die Geschichte und besonders die Mediävistik.

Während der deutsche Blick auf das Mittelalter abgelehnt wurde, regte diese Epoche der Geschichte die elsässischen Künstler wie Richard Brunck de Freundeck, Henri Solveen oder Hansi bis in ihre letzten Veröffentlichungen weiter an. Hier stehen auch die Bemühungen um die Burgen des Elsass, die heute ein wichtiges Element in der Tourismus-Landschaft und für die regionale Entwicklung darstellen.

Alle Bilder: © BNU

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