Schlettstadt
war in karolingischer Zeit königlicher Besitz, wo der spätere
Kaiser Karl der Große 775 Weihnachten feierte. Der Ort bestand
in dieser Zeit aus nicht viel mehr als einer kleinen Siedlung
um eine karolingische Königspfalz. Aus dieser Zeit stammt auch
die erste Kirche, ein Zentralbau an der Stelle der heutigen St.
Georgs-Kirche.
Die mittelalterliche Stadtgeschichte ist eng mit den Staufern
verknüpft. Hildegard von Büren, Witwe des Staufers Friedrich
von Büren und Großmutter Barbarossas, gründete hier um 1087 eine
Heilig-Grab-Kapelle, die von ihrem Sohn, Bischof Otto von Straßburg,
geweiht wurde. Ihre Söhne lernten auf einer Wallfahrt nach Santiago
de Compostela das Kloster St. Foy in Conques (Rouergue) kennen
und schenkten diesem Kloster 1094 die neue Kapelle sowie einigen
Besitz, der zunächst zwei Mönchen den Unterhalt sicherte.
So kam der Reliquienkult der heiligen Fides (Ste. Foy) ins Elsass.
Nach dem Tod der Hildegard übergaben die vier überlebenden
Söhne, darunter auch Herzog Friedrich von Schwaben, ihr
ererbtes Allodialgut in Sélestat mit allen Rechten der
Abtei Conques zur Errichtung einer Propstei.
Diese Propstei übte die Stadtherrschaft aus, bis Friedrich II.,
auf dessen Geheiß hin 1216 eine Stadtmauer errichtet wurde, auf
der Grundlage seiner weiterhin ausgeübten Vogteirechte der
Stadt in einem Vertrag mit dem Propst den Status einer freien
Reichsstadt verlieh. Aus dieser Zeit stammen auch die frühgotischen
Teile der Stadtpfarrkirche St. Georg. Die Bürgerschaft der Stadt
verwaltete ihre Angelegenheiten in der Freien Reichsstadt selbst.
Ein neuer Vertrag mit König Rudolf von Habsburg wies die Stadtherrschaft,
die bisher zwischen Reich und Propstei geteilt war, allein dem
Reich zu. Schlettstadt gedieh, wurde 1354 Mitglied des Zehnstädtebundes,
erweiterte seine Befestigungen, nahm Mönchsorden in seinen Mauern
auf und betrieb Handel.
Besitz und Rechte der Propstei gehen in zwei Verträgen 1498
und 1503 an das Hochstift Straßburg über, die Propstei, die während
des ganzen Mittelalters von französischen Mönchen besetzt war
und die zu dieser Zeit noch aus 6 Mönchen bestand, hörte
auf zu bestehen. 1615 übertrug der Bischof von Straßburg
die Kirche Ste. Foy den Jesuiten.
Die Renaissance ist die Epoche, in der die Stadt eine Hauptstadt
des Humanismus wurde. Ihre Lateinschule und ihr Humanistenkolleg,
dessen Bibliothek heute noch erhalten ist, waren berühmt in ganz
Europa. Hier wurde z.B. 1491 der Reformator Martin Bucer geboren.
Reformation, Bauernkrieg und schließlich der Dreißigjährige Krieg
markieren jedoch den Niedergang der Stadt, die, wie das übrige
Elsass, 1648 französisch wurde. Vauban errichtete neue Befestigungen
und die Stadt wurde Standort einer französischen Garnison. Die
Stadt erreichte wieder einen gewissen Wohlstand, aber ihr Wachstum
blieb zugunsten dem anderer elsässischer Städte begrenzt. In
der Neuzeit schließlich teilt Schlettstadt das Geschick des übrigen
Elsass.
Schlettstadt gilt als der Geburtsort des Weihnachtsbaums. Von
1521 datiert ein Eintrag in einem Rechnungsbuch der Humanistischen
Bibliothek: "Item IIII schillinge dem foerster die meyen an sanct
Thomas tag zu hieten" (4 Schillinge dem Förster zu bezahlen,
damit er ab dem St. Thomastag die Bäume bewacht). Ab dieser Zeit
steht der Weihnachtsbaum in den Häusern der vornehmen Bürger
als weihnachtlicher Schmuck.
Die 1452 gegründete Bibliothèque Humaniste befindet sich seit
1889 in der zum Museum umgebauten Kornhalle. Sie besteht aus
der Bibliothek der humanistischen Schule von Schlettstadt im
15. Jh. und Leihgaben aus der 500 Bücher umfassenden Libraria
Rhenania, der Privatbibliothek des Humanisten Beatus Rhenanus.
Unter den ausgestellten Werken befindet sich mit einem merowingischen
Lektionar des 7. Jh.das älteste noch erhaltene Buch des Elsass,
ein Exemplar des Kapitulars Karl des Großen aus dem 9. Jh., eine
Abschrift des 10. Jh. der "Zehn Bücher über Architektur" von
Vitruv und das Schulheft von Beatus Rhenanus von 1499, insgesamt
450 Handschriften und 550 Inkunabeln. |