Musée du papier paint


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Tapeten aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts

 

Die Verfügbarkeit günstiger Wandverkleidungen erwies sich als notwendig, und wenn die Tapetenindustrie  wahre Wunder bewerkstelligte, so passte sie sich lediglich einem sozialen Bedürfnis an, befriedigte eine  Nachfrage, die auf unserer Lebensart beruhte.
Henry Havard  L'art dans la maison, Paris, 1880

Es war ganz natürlich, dass das Aufkommen der Demokratie mit einem fast universellen Wunsch nach einer  Steigerung des Wohlbefindens der zahlenmässig stärksten Klasse einherging. Für diese Klasse wurde, wenn  auch nicht das Äquivalent des Luxus, so wenigsten eine Illusion davon erfunden.
Charles Blane  Grammaire des arts décoratifs, Paris, 1881

Auf der ersten Weltausstellung in London tauchen im Jahr 1851 die frühesten in einem mechanischen Verfahren bedruckten Tapeten auf. Sie machen bereits die Hälfte der britischen Produktion und die Gesamtheit der amerikanischen Produktion aus. Dank der neuen Technik erreicht die Tapete von nun an alle Haushalte.

Bedeutet dies das Ende der herkömmlichen Tapeten-Drucktechnik? Tatsächlich wird diese bis 1914 mit immer  subtileren Verfahren und einer immer weiter gesteigerten illusionistischen Qualität bestehen. Der Historismus mit  seinen Stilimitationen aller Zeiten und Länder und der florale Verismus bieten neue Möglichkeiten. Mit Hilfe bekannter Künstler schafft man sogar Werke der Malerei nach.

Gegen die Tendenz zur reinen Nachahmung erhebt sich in England in den 1880er Jahren eine neue Bewegung unter  dem Namen Arts & Crafts, in Frankreich Art Nouveau, die sich bis 1905 durchsetzt.

Zur Geschichte der Papiertapeten

,,Es entstand der Bedarf an günstigen Tapeten, und die Tapetenindustrie schuf Wunderwerke, mit denen sie auf ein soziales Bedürfnis reagierte, auf einen Bedarf, der aus unseren Lebensgewohnheiten erwuchs." Henry Havard, L'art dans la maison. Grammaire de l'ameublement, 2 Bände, Paris, 1887, Band 1, Seite 248

Am 1. Mai 1851 wird die erste Weltausstellung im Londoner Crystal Palace eröffnet. Es soll gezeigt werden, wie sich die Industrie entwickelt hat und wie groß die Vielfalt an gewerblich hergestellten Produkten ist. Fünfzig Jahre später, im Jahr 1900, feiert der Jugendstil seinen Erfolg bei der Weltausstellung in Paris. Zwischen diesen beiden Daten macht der Begriff des Kunstgewerbes einen tiefgreifenden Wandel durch.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts festigt sich der Aufstieg einer Elite, die ihr Vermögen in Industrie und Finanzwesen macht. Alter Adel und neues Bürgertum stellen in ihren herrschaftlichen Stadthäusern einen Luxus zur Schau, der sich an den Kaiserhöfen als Vorbild orientiert. Die ornamentale Überfrachtung wird gleichbedeutend mit Reichtum.

Die Landflucht, die mit der Industrialisierung Hand in Hand geht, bringt einen raschen Aufschwung der Städte mit sich. Es entstehen dort Baustellen, und man versucht, Verschönerungen sowie hygienischen und sozialen Fortschritt zu erreichen. Die Frage der Arbeitersiedlungen liegt allerdings, wie in Mulhouse, oft in der Hand philanthropischer Unternehmer.

,,Besonders der Kauf der Tapete wurde zu einer bedeutenden Angelegenheit. Gervaise wollte eine graue Tapete mit blauen Blumen haben, um die Wände hell und heiter zu machen. Boche [der Concierge] bot ihr an, sie mitzunehmen; aussuchen sollte sie. Aber er hatte ausdrückliche Weisungen vom Hausbesitzer, er durfte den Preis von fünfzehn Sous pro Rolle nicht überschreiten. Eine Stunde blieben sie bei dem Händler. Immer wieder kam die Wäscherin auf eine sehr hübsche bemalte Leinwand zu achtzehn Sous zurück und war verzweifelt, weil sie die anderen Tapeten abscheulich fand. Schließlich gab der Concierge nach; er würde die Sache regeln und nötigenfalls eine Rolle mehr berechnen." Emile Zola, L'Assommoir, 1877 (Ins Deutsche übertragen von Gerhard Krüger nach der von Maurice Le Blond besorgten Gesamtausgabe. München 1975, Seite 195)

Durch die Mechanisierung der Tapetenindustrie ist es bald möglich, alle kostbaren Materialien zu imitieren, sodass man modische Dekore zu einem geringen Preis erhalten kann. Der industriell hergestellte Kunst- oder Dekorationsgegenstand ist schön, aber weder einzigartig noch exklusiv. Alle sozialen Schichten greifen darauf zurück. Informationen über neue Trends werden in Dekorationszeitschriften und auf den großen Weltausstellungen verbreitet.

In den 1860er Jahren entsteht in Großbritannien der Wille, das Kunstgewerbe zu reformieren. Die Bewegung nennt sich Arts and Crafts und verbindet den sozialen Wunsch, das Handwerk zu rehabilitieren, mit der Ablehnung von Imitation und Naturalismus in der französischen Tradition. Der Künstler und sozialistische Theoretiker William Morris, eine der zentralen Figuren in der Arts-and- Crafts-Bewegung, betrachtet die Kunst als Instrument zur Umgestaltung der Gesellschaft. Stark beeinflusst durch die Entdeckung der japanischen Kunst, weist der Jugendstil den Weg in die Modernität. Die Dekoration der Innenräume wird als Gesamtkunstwerk betrachtet, wobei der Designer mehrere Rollen gleichzeitig spielt. So ist er nicht nur Architekt, Dekorateur und Zeichner, sondern zuweilen auch noch Hersteller von Objekten, Möbeln, Textilien und Tapeten.

Die Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 zum Thema ,,Bilanz eines Jahrhunderts" stellt den Höhepunkt einer Epoche dar, die vom Glauben an den technischen Fortschritt geprägt ist.

    alle Texte & Bilder: © Musée du papier paint, Rixheim
Introbild: Schweizertapete, 1803, Schloss Schwetzingen

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