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Alchemie in Schloss Weikersheim

Graf Wolfgang II. – eine ungewöhnliche Persönlichkeit

Porträt des Grafen Wolfgang II.Graf Wolfgang II. von Hohenlohe (1546-1610) war ein Fürst der Renaissancezeit, wie man ihn sich vorstellen möchte: ein gewaltiger Bauherr, der unter anderem Schloss Weikersheim errichten ließ, ein moderner Herrscher, der in seinem Land wichtige Neuerungen durchführte, und ein an den Wissenschaften der Zeit interessierter Mann, der sogar selbst fachkundig in seinem eigenen Laboratorium Alchemie trieb.

Am 14. Juni 1546 wurde er im Waldenburger Schloss als zweiter Sohn von Graf Ludwig Casimir von Hohenlohe und Gräfin Anna von Solms-Laubach geboren. Es war das Jahr, in dem Martin Luther starb, aber auch das Datum, an dem Michelangelo die Bauleitung des Petersdomes in Rom übernahm. In der Generation des Vaters wurde 1553 die Reformation in Weikersheim eingeführt; 1555 fand die große Aufteilung der Linien statt: Die Erbteilung hatte Graf Ludwig Casimir den Neuensteiner Teil mit den Schlössern Langenburg und Weikersheim, seinem Bruder Graf Eberhard den Waldenburger Teil gebracht.

Der kleine Graf Wolfgang erhielt zuerst zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder Albrecht beim Hofprediger Gallus Hartmann Unterricht in Latein und Katechismus. Wie für einen jungen Adeligen von hoher Abkunft üblich, besuchte er die Universität. Ab 1558 – damals war er zwölf – studierte er in Tübingen, zusammen mit dem Bruder, begleitet von einem Hofmeister.

1560 verließ er die Universität wieder, um auf ausgedehnten Reisen die wichtigeren Höfe Europas kennen zu lernen – eine durchaus berufsorientierte Ausbildung. Man begann in Paris, wo er am Hof eingeführt wurde. Der Hofmeister schrieb an die Eltern, wie schwer es falle, den jungen Wolfgang in der lebendigen Hauptstadt bei der Arbeit zu halten. 1561 führte die Reise weiter nach England. Eine Audienz bei Königin Elisabeth I., Jagdausflüge, Besichtigungen – man hatte ein dichtes Programm. Noch im selben Jahr, knapp 18 Jahre alt, trat er in den Dienst des Kaiserhofs in Wien. Hier blieb Graf Wolfgang für drei Jahre, zusammen mit seinem Bruder Albrecht.

Bald nach seiner Rückkehr im Jahr 1567 fand die Hochzeit mit Magdalena Gräfin von Nassau-Katzenelnbogen (1547-1633) statt. Eine interessante Familie, in die er einheiratete: Der Bruder seiner Frau war Wilhelm von Oranien, der den protestantischen Befreiungskrieg in den Niederlanden anführte. Schon im Jahr darauf starb der Vater. Er hatte bestimmt, dass die vier Söhne Albrecht, Wolfgang, Philipp und Friedrich so lange gemeinsam regieren sollten, bis der jüngste, Friedrich, 25 Jahre alt sein würde; erst danach sollte das Erbe geteilt werden. Die Mutter und die beiden ältesten Brüder, also Wolfgang und Albrecht, kamen mit der unklaren Situation wohl nicht gut zurecht. Daher beschloss man 1573 eine provisorische Teilung. Albrecht bekam Weikersheim, Wolfgang Langenburg, die Mutter und die Jüngeren blieben in Neuenstein. Schon im nächsten Jahr verunglückte Albrecht bei einem Turnier während der Hochzeit des württembergischen Herzogs. Wolfgang übernahm nun auch Weikersheim. Dass Philipp Offizier in den Niederlanden wurde – er blieb dort den Rest seines Lebens – und Friedrich, der Jüngste, wenig Neigung zum Regierungsgeschäft zeigte, machte die Situation im Land nicht einfacher.

Der Herrscher

1582 teilte man schließlich endgültig die Grafschaft in die Linien Neuenstein, Weikersheim und Langenburg. Der offizielle Akt dafür fand 1586 in Weikersheim statt. Die Aufteilung geschah auch schon damals, wie gut 120 Jahre später, durch das Los. Und wie bei Graf Carl Ludwig im 18. Jahrhundert zog ein Knabe das Los. In den folgenden Jahren starben die Brüder Graf Wolfgangs nacheinander und für eine Generation fielen alle Teile der Grafschaft Hohenlohe-Neuenstein wieder in eine Hand. 42 Jahre lang regierte Graf Wolfgang. Er zeigt sich im Rückblick als einer der bedeutendsten Grafen von Hohenlohe. Die Grafschaft verdankt ihm wichtige Neuerungen: Er nahm eine Neuordnung der hohenlohischen Verwaltung in Angriff, führte das Beamtenwesen ein, erließ eine Polizeiordnung und entwarf eine neue Schulordnung.

Ein Mann mit klaren Vorstellungen und Kenntnissen, im Geistigen wie im Geistlichen: 1576 entwickelte Graf Wolfgang zusammen mit seiner Mutter für ganz Hohenlohe eine neue Kirchenordnung, nach der dann 1577 verbindlich lutherischer Gottesdienst gehalten wurde. Sie war so nah am Calvinismus, dass dies vielen Untertanen wohl zu weit ging. Möglicherweise stammte diese Neigung bei dem Grafen von seiner Begegnung mit den Hugenotten in Frankreich, vielleicht war er aber auch beeinflusst vom Schwager Wilhelm von Oranien, der 1573 Calvinist geworden war. 1579 führte Graf Wolfgang das Konsistorium als Verwaltungs- und Leitungsinstanz der Kirche ein, das ihm unterstand. Er hatte ein sehr eigenes religiöses Profil, das auch schon mal in Widerspruch zu den Theologen seines Landes stand. Seine eigenen theologischen Vorstellungen gingen so weit, dass er selbst ein Glaubensbekenntnis formulierte, das alle Pfarrer unter seiner Herrschaft unterschreiben mussten. Kurz vor seinem Tod hob der Graf für Weikersheim die Leibeigenschaft auf, womit er seiner Zeit weit voraus war. Damit noch nicht genug: Er war ein Freund der Musik, betrieb fachmännisch die Pferdezucht und war ein gefragter Kenner der geheimnisvollen Alchemie.

Der Bauherr

Graf Wolfgang hatte immer Bauprojekte. Aus der baufälligen, unbewohnten Wasserburg entstand im Laufe seiner Regierungszeit das neue Weikersheimer Schloss. Schon Jahre zuvor hatte er für Schloss Langenburg große Pläne, diese allerdings nicht verwirklicht. Er machte ab 1590 Kirchberg an der Jagst zum prachtvollen Witwensitz für seine Mutter Anna von Solms-Laubach und ließ 1603/04 das Jagdschloss Hermersberg durch einen großen Saalbau, ähnlich dem von Weikersheim, erweitern.
Sein beeindruckendstes Bauprojekt war das Schloss in Weikersheim, 1595 bis 1603 in Teilen errichtet.
Fertig wurden zu seinen Lebzeiten der Saalbau mit seinen großen Giebeln zum Garten hin und der halbe Flügel mit der Schlossküche. Anderthalb Flügel eines großartigen Projektes: Geplant war eine dreieckige Anlage. Wer weiß, ob vielleicht die alchemistischen Ideen des Grafen Pate standen bei dieser eher seltenen Grundrissform. Aber auch die Architekten der Renaissance waren durchaus an Experimenten beim Grundriss interessiert, seien es Sterne – etwa in der Festungsarchitektur und Stadtplanung – oder Fünfecke für Schlösser. Nach den eher unregelmäßigen Bauformen des Mittelalters nahmen sie zuerst einmal jede geometrische Form als denkbare und interessante Planidee.

Graf Wolfgang wollte als Architekten zunächst Georg Robin haben, der in Diensten des Kurfürsten von Mainz und auch in Würzburg tätig war. Robin, mehr als viel beschäftigt, bekam jedoch immer nur kurz Urlaub von seinem Dienstherrn. Der Graf korrespondierte mit Herzog Ludwig von Württemberg wegen dessen Baumeister Stegle, der sich dann auch 1588-89 einige Monate in Weikersheim aufhielt.

Seine Suche nach besonders erfahrenen Baumeistern hatte vielleicht auch damit zu tun, dass er schon früh den großen Saalbau plante und dafür einen Könner brauchte, der ihm eine frei tragende Decke von großer Fläche liefern konnte. Man nimmt an, dass der Bau schließlich nach einem Entwurf von Robin und auf der Grundlage eines Modells von Stegle errichtet wurde. Die Bauleitung lag in der Hand von örtlichen Meistern.

Der Saal wurde, wie geplant, eine spektakuläre Architektur von enormer Größe, 100 Schuh lang, 23 hoch, 40 breit, die ganze riesige Deckenfläche frei tragend, ohne eine Stütze. So entstand in Weikersheim einer der ganz großen Säle der Renaissance mit einer prachtvollen Kassettendecke, in deren Felder Leinwandgemälde hintergründige Geschichten erzählen, und mit dem berühmten und immer wieder verblüffenden Fries von lebensgroßen Tieren. Graf Wolfgang konnte sich hier möglicherweise auf ein Vorbild im Norden beziehen, auf das Schloss von Königsberg in Preußen. Jedenfalls versuchte er, die dort tätigen Künstler zu engagieren – darunter Gerhard Schmidt, den Meister der Stuckarbeiten. Dass der Graf vor allem niederländische und norddeutsche Künstler engagierte, kann damit zusammenhängen, dass er die niederländischen Beziehungen seiner Frau Magdalena von Nassau-Oranien spielen ließ. Aber auch seine eigenen Beziehungen gingen weit über die Region hinaus. Als protestantischer Fürst stand er in engem brieflichen Kontakt mit Fürsten des nördlichen Deutschlands, als Alchemist mit ganz Europa!

Der Alchemist

Graf Wolfgang II. pflegte ein Hobby, das mehr war als ein fürstlicher Spleen: Er war ein renommierter Alchemist. Damit war er nicht allein. Vom württembergischen Herzog über den hessischen Landgrafen bis zu Kaiser Rudolf in Prag beschäftigten sich alle mit Alchemie, zugleich eine geheimnisvolle Kunst und eine frühe Form der Naturwissenschaft. Was uns heute gelegentlich abstrus anmutet, war theoretisch untermauert und gestützt durch maßgebliche Autoritäten, etwa durch die Lehren des Aristoteles, des antiken Vaters aller Wissenschaften. Aus seinen Schriften ließ sich ableiten, dass man durch entsprechende Verfahren aus unedlen Stoffen Gold herstellen konnte. Gold, soviel man wollte, selbst herstellen zu können, war für die Fürsten höchst attraktiv: Der Reichtum aus der Retorte machte unabhängig von den Bodenschätzen des Landes und verhieß Macht, Glanz und Einfluss.

Graf Wolfgang war eher skeptisch, was diese großen Geheimnisse anging; das lässt sich seinen erhaltenen Notizen entnehmen. „... hatt nigs dohn wellen“ notiert er nüchtern unter einer Rezeptur, die Gold, Silber und Quecksilber vermengt. Wahrscheinlich hatte der Graf schon in Langenburg ein Labor, in dem er sich mit Versuchen befasste. Spätestens jedoch in Weikersheim, so lässt sich den vielfältig erhaltenen Archivalien entnehmen, begann er ernsthaft mit der alchemistischen Arbeit.

Die Rechnungsbücher belegen Kreuzer für Kreuzer die Ausgaben für den Laborbau im Zwinger des Schlosses, angebaut an den Küchenflügel. Regelmäßig bestellte der Graf Chemikalien, die gängigen bei Apotheken in Mergentheim und Rothenburg ob der Tauber. Ungewöhnlicheres besorgten die Händler in Nürnberg und in Augsburg. Eine Glashütte im Mainhardter Wald fertigte die Kolben, Tiegel und Retorten. Die Bibliothek des Grafen war ansehnlich und umfasste die wesentlichen Veröffentlichungen der damaligen Zeit zur Alchemie.

Wie kenntnisreich Wolfgang von Hohenlohe war, lässt sich ahnen, wenn man die Briefe liest, die er etwa mit dem Herzog von Württemberg, ebenfalls einem Alchemie-Liebhaber, wechselte. Der Württemberger schickte ihm, als dem erfahreneren Chemiker, Erzproben zum Untersuchen. Einer der Hauptarbeitsbereiche des Alchemisten war es, den Gehalt an verwertbaren Metallen in Erzproben zu bestimmen. Die Bodenschätze eines Landes zu finden, war natürlich für die Staatskasse von Vorteil.

Graf Wolfgang ging haushälterisch mit seiner Leidenschaft um, der finanzielle Aufwand schmerzte die Grafschaft sicher kaum. Nur ein Mal investierte er in ein spekulatives Projekt: Ein junger Mann mit Namen Michael Polhaimer stellte sich am Weikersheimer Hof vor. Er behauptete, Kenntnis von der Goldherstellung zu besitzen. Sein detaillierter Anstellungsvertrag befindet sich in den Akten des Hohenlohe-Zentralarchivs. Er erhielt einen Vorschuss, um Material kaufen zu können – und machte sich bei Nacht und Nebel und erster Gelegenheit davon. Polhaimer kam aber nicht weit, gerade mal bis auf Würzburger Gebiet. Nach zwei Jahren Gefängnis übernahm man ihn in den Dienst der gräflichen Kanzlei. Schon ein Jahr später starb er in einer alkoholisierten Messerstecherei mit dem Stuckbildhauer Gerhard Schmidt – der, den wir als Meister der Figuren des Rittersaales kennen.

Ein betrügerischer Alchemist: Michael Polhaimer

Michael Polhaimer, ein junger Mann aus Braunau in Niederbayern hatte wohl bereits einige alchemistische Erfahrungen gesammelt, als er 1595 nach Weikersheim kam. Er versprach, Graf Wolfgang von Hohenlohe einen Transmutationsprozess zu lehren, also ein Verfahren, mit dem man unedles in Edelmetall umwandeln könne. Stattdessen floh Polhaimer jedoch mit dem Vorschuss, den er vom Grafen erhalten hafte, überstürzt nach Würzburg - gleich nach Vertragsabschluss, bevor der Graf dazukommen konnte, die tatsächlichen Kenntnisse zu überprüfen... Von Würzburg aus schrieb er im Rausch einen Brief an Graf Wolfgang; damit war klar, wo Polhaimer sich aufhielt. Nach nur einer Woche hatte man den inzwischen steckbrieflich Gesuchten gefasst und nach Weikersheim zurückgebracht.

Im Gefängnis bereute Polhaimer seine Tat zutiefst und verfasste zahlreiche Bittschriften. Der betrogene Graf informierte sich sehr genau über Charakter und Wesen des Gefangenen, bevor er ihn nach zwei Jahren aus der Haft entließ und ihn als Kanzleischreiber einstellte. Polhaimer sollte so seine Schulden abarbeiten. Knapp ein Jahr später, am Mittwoch, den 28. Juni 1598 wurde Polhaimer im Streit von dem Kalkschneider Gerhard Schmidt erstochen (dem Künstler, von dem auch viele der Skulpturen im Rittersaal stammen).

Diese spannende Geschichte um den Betrüger Michael Polhaimer entdeckte der Hamburger Forscher Jost Weyer, Professor für die Geschichte der Naturwissenschaften. Jahrelang hat er das Leben des Grafen Wolfgang und seine alchemistischen Tätigkeiten erforscht. Dabei stieß er auch auf diesen Kriminalfall. Viele Akten der Zeit haben sich erhalten: Aufbewahrt werden sie in Neuenstein im Hohenlohe Zentralarchiv. Die Vernehmungsprotokolle der Zeugen nach Polhaimers Ermordung geben einen lebhaften Eindruck des täglichen Lebens im Weikersheim des 16. Jahrhunderts. Anhand dieser Vernehmungsprotokolle und eines zeitgenössischen Gemäldes von Weikersheim, das in der Ausstellung an die Wand projiziert wird, lassen sich die Ereignisse des 28. Juni genau nachvollziehen.

Text: ssg
Foto Gf. Wolfgang: Schuler, Weikersheim

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