Prägende Epoche der bayerischen Geschichte
Die Entwicklungen und Entscheidungen dieser Jahre prägen
Bayern bis heute. Das gilt für Lebensstil und Jugendkultur
ebenso wie für Stadtgrundrisse und Wirtschaftsstandorte,ja
selbst für die Architektur von Kaufhäusern, Kinos
und Kirchen. Die Landesausstellung spannt den historischen
Bogen deshalb von den Entbehrungen der Nachkriegszeit bis
zum neuen Wohlstand der fünfziger Jahre, von der Politik
bis zur Kultur. Im Mittelpunkt steht jedoch der Alltag
der Menschen, wie Dr. Josef Kirmeier betont, der Projektleiter
des Hauses der Bayerischen Geschichte: „Das Leben
der Menschen veränderte sich zwischen Kriegsende und
frühen sechziger Jahren von Grund auf. Diese faszinierenden
Entwicklungen möchten wir in einer Ausstellung zum
Anfassen zeigen.“
Residenz Würzburg als begehbares Exponat
„
Würzburg ist nicht mehr!“ - mit diesen Worten
wandte sich 1945 Oberbürgermeister Pinkenburg erschüttert
an die Würzburger. Die Innenstadt war zu über
90 Prozent zerstört, ganze sieben Häuser hatten
die Bombardierung unbeschadet überstanden. Auch viele
andere Städte in Bayern lagen in Trümmern: München
glich nach über 60 Bombenangriffen einer Schutthalde,
Augsburg war schwer beschädigt, die Nürnberger
Innenstadt war völlig zerstört. Die Stadt Würzburg
ist heute ein herausragendes Beispiel für den Wiederaufbau
in Bayern und bewusst als Ausstellungsort gewählt.
Die Residenz selbst bietet sie sich als begehbares Exponat
an, war doch das barocke Kleinod im März 1945 fast
vollständig ausgebrannt und erst nach jahrelangen
Rekonstruktion neu entstanden und schließlich als
UNESCO-Weltkulturerbe geadelt worden.
Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Die Entscheidung, die Würzburger Residenz wieder herzustellen,
fiel 1945 rasch. Doch hier wie in anderen bayerischen Städten
stellte sich die Frage, wie die zerstörtenStädte
aufgebaut werden sollten: original rekonstruiert, ganz
modern - oder eine Mischung aus beidem? In Bayern entschied
man sich fast immer für den Mittelweg. Bedeutende
Gebäude wurden rekonstruiert, etwa die Münchner
Residenz und die Nürnberger Kirche St. Sebald. Zugleich
errichtete man aber auch zahlreiche Gebäude im neuen
Stil: Glas und Stahl lassen sie leicht und transparent
erscheinen - Symbole für die neue Zeit. In der Inneneinrichtung
hingegen dominierten geschwungene Formen: Nierentisch und
Side-Board, Tütenlampe und Wohnzimmercouch hielten
auch in den bayerischen Wohnungen Einzug. In der Landesausstellung
wird der „Wiederaufbau“ einmal ganz wörtlich
genommen: Fassadenstücke wichtiger Gebäude werden
mit großem Aufwand nachgebaut, um den Besuchern möglichst
imposante Raumeindrücke zu bieten. Bereits wenige
Jahre nach Kriegsende boomte die deutsche Wirtschaft wieder.
Dieses „Wirtschaftswunder“ sicherte viele Menschen
zum ersten Mal in ihrem Leben finanziell ab. Der Franke
Ludwig Erhard, der als Wirtschaftsminister „Wohlstand
für alle“ versprach, galt als Vater des Aufschwungs.Allerdings
brachten die fünfziger Jahre auch ungewollten Wandel
und Unsicherheit. Auf der Schattenseite des Wirtschaftswunders
befanden sich beispielsweise Landwirte und verschiedene
Handwerksberufe: Sie mussten ihren oft unrentablen Hof
aufgeben oder ihre Werkstatt schließen und sich neue
Arbeit in Fabriken oder im Baugewerbe suchen. Der Alltag
vieler Menschen veränderte sich in den fünfziger
Jahren grundlegend - das galt für den Arbeitsplatz
ebenso wir für den Haushalt und die Freizeitgewohnheiten.
Die Dynamik der Zeit war unübersehbar: Hausfrauen
hatten nun elektrische Helfer wie die Waschmaschine zur
Hand und brachten Exotisches wie den Hawaii-Toast auf den
Tisch, während im Wohnzimmer der Fernseher lief und
vor der Haustür das Auto parkte, mit dem man in den
Urlaub nach Italien fuhr. |