Sizilien. Von Odysseus bis Garibaldi.


 
  

Sizilien ist eine der mental am weitesten von unserem Begriff von „Europa“ entfernten Stätten, und doch auch eine derjenigen, an denen sich Geschichte auf geradezu aufregende Weise verdichtet. Sikuler, Elymer, Karthager, Griechen, Römer, Byzantiner, Araber, Normannen und Spanier haben die Insel geprägt und jeweils ihre unverwechselbaren Spuren hinterlassen. Diese Geschichte im Umfang von dreitausend Jahren fasste eine Schau zusammen, die die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik 2008 in Bonn zeigte.

Sizilien ist Vielfalt, das betont Giulio Macchi in seiner Vorrede zu dem Katalog der Ausstellung, der hier besprochen werden soll. „1001 Sizilien“, das will an 1001 Nacht erinnern, an die wunderbare und wandelbare Welt des Orients, die auf Sizilien präsenter ist als in anderen ehemals arabisch-islamisch beeinflussten Regionen.

Sizilien ist seit zweieinhalb Jahrtausenden Kolonie, fremdbestimmt, ausgebeutet – das betont Macchi, indem er Don Fabrizios Worte aus Tommaso di Lampedusas Roman „Il Gattopardo“ zitiert. Und diese Geschichte verlangt nach einem besonderen Blickwinkel, verbietet es geradezu, nur die Glanzstücke aus Siziliens herrschaftlicher Kultur zu zeigen. Wer derart geblendet wird, sieht seinen Blick nur zu schnell verstellt und erkennt das Wesentliche, das Subtile, das den Charme der Insel ausmacht, nicht mehr.

Der Katalogband vereinigt nach einem einführenden Aufsatz über die Insel und ihre Wahrnehmung 13 „Essays“ genannte Aufsätze über die geschichtliche Entwicklung von der Prähistorie bis zur Malerei des 19. Jahrhundert sowie fünf weitere über den „Dämon der Archäologie“, über Volkskunst, Landschaft, Pflanzenwelt und Münzgeschichte. Das ist das ganze, bereits in den einleitenden Worten umrissene Panorama der geschichtlichen und kulturellen Entwicklung. Die Autoren sind teils Wissenschaftler von höchsten universitären Weihen, teils fachkundige und engagierte Kräfte jüngerer Generationen, was in entscheidendem Maß zur Lesbarkeit der Artikel auch für den nicht speziell vorgebildeten Laien beiträgt. In diesen Aufsätzen entsteht ein schlüssiges und hochdifferenziertes Bild von Politik, Kultur und Gesellschaft Siziliens.

Durch die zahlreichen hier schon aufgenommenen Illustrationen umfasst dieser Aufsatzteil fast 200, der nachfolgende Katalog der Ausstellungsstücke „nur“ um die 150 Seiten. Die Abbildungen sind durchweg von hervorragender Qualität und in Formaten, die auch Details mühelos erkennen lassen. Das ist auch der Ort, die Architektur der jeweiligen Zeit darzustellen, die sich ja der Präsentation in der Ausstellung entzieht. Die Aufsätze selbst gehen – alles andere wäre verwunderlich – weniger ereignisgeschichtlich als vielmehr ideen- und kulturgeschichtlich vor, stellen auf dem neuesten Stadt der Forschung far, was war, was wuchs und was sich unter welchen Einflüssen formte.

So erläutert der Aufsatz „Sizilien zur Zeit der Griechen: ‚Brot und Wein’“ (Dieter Mertens und Magdalena Mertens-Horn) detailliert, warum sizilische Griechenstädte grundlegend anders sind als solche im griechischen Mutterland. Man darf gespannt sein, wann solche Erkenntnisse Eingang in die historischen Kapitel gängiger Reiseführer finden. Didaktisch aufgebaut auch der Aufsatz über „Christliche und byzantinische Kultur auf Sizilien“ (Rosa Maria Bonasca Carra). Er zeigt an einzelnen Fundstücken und Fundkomplexen auf, welch differenzierte Aussagen über die Zeit der christlichen Spätantike getroffen werden können. Der Artikel über das Mittelalter auf Sizilien (Gerhard Wolf und Henrike Haug) zeigt auf, wie sehr z.B. das arabische Element von den Normannenkönigen als Mittel zur Inszenierung ihrer Monarchie benutzt und eingesetzt wurde.

Es ist hier nicht der Ort, die Stücke hervorzuheben, die die Ausstellung als Perlen der sizilianischen Kultur präsentierte. Eines zu nennen hieße, die anderen herabzuwürdigen.

Am Katalogteil ist zu loben, dass alle Stücke abgebildet sind – allerdings auch die, die vorher im Aufsatzteil schon wiedergegeben wurden. Vielleicht hätte man bei einem solch grundlegenden und erstklassig ausgestatteten Band auch im Katalogtext auf die größerformatigen Bilder in den Aufsätzen verweisen können. Die einzelnen Stücke sind beschrieben, erläutert und mit Literaturangaben versehen. Das macht den Band zu einem grundlegenden Kompendium über Kunst und Kultur Siziliens und gibt ihm in Punkto Nachhaltigkeit die Bestnote.
 

Zusammenfassung:

Verhältnis Aufsätze - Katalog 200 : 150 S.
Abbildungen zahlreiche Abb. im Text, durchweg farbig
Bildqualität sehr gut
Beschreibung der Stücke sehr gut
Erklärung der Stücke sehr gut
Themenspektrum (Aufsätze) sehr gut
Nachhaltigkeit sehr gut
Umfang 400 S.
Format 25 x 28,8 cm
Gewicht 2410 g
     

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