Projekt kulturer.be
29.9.23
(ssg) Jedes Jahr am 1. Oktober wird der „Tag des Kaffees“ begangen. Der schwarze Muntermacher ist heute fast allgegenwärtig. Vor rund 300 Jahren war Kaffee ein Luxusgut, das sich nur der Adel leisten konnte. Kurzweilige Anekdoten, Kaffeebäume für den Hof oder exquisite Porzellanservice – die Spuren des exotischen Modegetränks sind in den Schlössern und Gärten des Landes zu finden.
Schloss Favorite, Meißner Porzellan mit Dekor des Porzellanmalers Johann Gregorius Höroldt. Foto: Martine Beck-Coppola/ssg
Schloss Schwetzingen, Kaffeetisch des Kurfüsten Carl Theodor. Foto: Tobias Schwerdt/ssg
Kaffee ist kaum wegzudenken
Es gibt ihn gekühlt mit Eiswürfeln, verfeinert mit Sirup, mit Milch oder einfach nur schwarz: Kaffee ist für viele Menschen ein fester Bestandteil im Tagesablauf. Das Getränk aus gerösteten Bohnen ist am frühen Morgen, beim Arbeiten oder auch bei einer gemütlichen Runde am Nachmittag kaum wegzudenken. Der Deutsche Kaffeeverband rief 2006 den „Tag des Kaffees“ ins Leben. Rund um den Aktionstag am 1. Oktober wird das belebende Getränk gefeiert, das im 17. Jahrhundert seinen Siegeszug in Europa begann. Der pfälzische Kurfürst Carl Theodor, Herzog Carl Eugen von Württemberg und auch der badische Hof schätzten das Getränk. „Kaffee und Kaffeegenuss waren zunächst Statussymbole des europäischen Adels. In den Schlossgärten wurde die Pflanze kultiviert und im prunkvollen Schloss der fertige Kaffee serviert“, erklärt Patricia Alberth, Geschäftsführerin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Und ergänzt: „In den Monumenten der Staatlichen Schlösser und Gärten findet sich so manche Spur des Aufgussgetränks.“
Kaffeegenuss in Karlsruhe und Schwetzingen
Im historischen Gewächshaus des Botanischen Gartens Karlsruhe gedeiht ein Kaffeestrauch, dessen Früchte 2019 zum ersten Mal geerntet werden konnten. Damit nahmen die Staatlichen Schlösser und Gärten eine Tradition wieder auf und machten Geschichte lebendig: Denn in den Schlossgärten wurden einst auch exotische Nutzpflanzen für die Küche des Hofs angepflanzt. Nicht nur im Baden des 19. Jahrhunderts schätzte man den Kaffee, auch im kurpfälzischen Schwetzingen kultivierte man die Pflanze.
Die Bohnen der Kaffeesträucher aus dem Schlossgarten Schwetzingen sollten angeblich zeitweise den kompletten Eigenbedarf des kurfürstlichen Hofes gedeckt haben. So schrieb ein Gärtner aus Schwetzingen: „Das Churfürstl. Gewächs-Hauss war mit Vielen Levantinischen Caffe-Bäumen versehen, die so reichlich caffé-Bohnen getragen, als zur Consumptio für die höchsten Personen der gnädigsten Herrschaften erforderlich ware“. Kurfürst Carl Theodor war dem Kaffee zugeneigt. Möglicherweise ließ er sich im Badhaus im Schlossgarten eines der damals beliebten Heißgetränke, also Tee, Kaffee oder Schokolade, servieren. Denn aus dem Inventar geht hervor, dass im Chinesischen Zimmer das passende Geschirr aufbewahrt wurde.
Exquisite Sammlung feinster Service
Geradezu leidenschaftlich sammelte die Erbauerin von Schloss Favorite, Markgräfin Sibylla Augusta, Kostbarkeiten aus Porzellan. Sie war unter den ersten, die Stücke aus Sachsen erwarben – das gelang ihr, weil sie eine gute Beziehung zum bekannten sächsischen Kurfürsten August dem Starken pflegte. Zu den berühmtesten Stücken der Sammlung in Schloss Favorite Rastatt gehört das Meißener Service, das um 1723 entstand. Es besteht aus Kaffee- und Teekanne, Spülkumme, Tee- und Unterschalen. Gemalt hat die feinen Dekore Johann Gregorius Höroldt, einer der bekanntesten Maler der Porzellankunst. Er bannte fantastische und exotische Bilder auf die Wölbungen der Gefäße, wie man sie aus den Schilderungen des fernen Asiens kannte. „Chinoiserie“ nennt man diese Mode, die von asiatischer Kunst und Ästhetik inspiriert und an den europäischen Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts sehr populär war. Sibylla Augusta scheint die Service besonders geschätzt zu haben – sie bestellte gleich zwei davon, auch als Geschenk für ihren Sohn. Zu sehen sind die zarten Stücke jeden Sonntag, um 14.00 Uhr, bei einer Porzellanführung durch die Porzellansammlung im zweiten Obergeschoss des Schlosses.
Kaffee auf der Solitude, Feines Porzellan in Rastatt
Im Juni 1770 besuchte Kurfürst Carl Theodor inkognito, unter anderem Namen, Schloss Solitude. Das spektakuläre neue Schlossprojekt von Herzog Carl Eugen in der Nähe der Stadt Stuttgart wollte er unerkannt kennenlernen. Denn die Ausstattung war kostbar, die Anlage außergewöhnlich und von riesigen Gärten umgeben – das erregte die Aufmerksamkeit des Herrschers. Doch der Plan missglückte: Herzog Carl Eugen war zwar auf Sommerreise, begab sich an diesem Tag jedoch spontan auf sein Schloss. Er bekam sogar Wind vom Vorhaben des Kurfürsten und spielte das Spiel mit. Ein Aufseher führte den pfälzischen Herrscher ohne jede besondere Aufwartung durch Schloss Solitude. Erst nach der Führung gab sich Carl Theodor zu erkennen – und der Herzog lud ihn zu einem Kaffee ein.
Der Weg der Bohne
Kaffee ist in Europa nicht heimisch. Der Weg der Pflanze führte zunächst aus Äthiopien in den arabischen Raum. Im Jemen wurde sie wohl erstmals kultiviert. Das Heißgetränk Kaffee erfand man dort vermutlich im 15. Jahrhundert. Bald eroberte der Kaffee die großen Zentren wie Kairo, Damaskus und Konstantinopel. Der Weg nach West- und Mitteleuropa benötigte noch etwas Zeit. Im 17. Jahrhundert importierte man Kaffee aus Jemen nach Europa – jedoch in sehr kleinen Mengen von wenigen Pfund. Im Adel fand das Getränk Anklang. Schon Mitte des 18. Jahrhunderts importierte die Niederlande Millionen Pfund aus ihren Kolonien. In den europäischen Metropolen entstanden schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die ersten Kaffeehäuser. Dadurch verbreitete sich das Getränk bald im Bürgertum. Allmählich etablierte sich in der Ober- und Mittelschicht der Kaffeegenuss am Morgen oder die Kaffeepause am Nachmittag.
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