24.5.23

Den Wildkatzen auf der Spur

(bund) Mit einem aufwendigen Monitoring erforscht der BUND Baden-Württemberg auch in diesem Jahr die Verbreitung von Wildkatzen im nördlichen Baden-Württemberg. Zahlreiche Freiwillige waren dafür seit Anfang des Jahres im Rhein-Neckar-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis im Einsatz.

Wie viele Wildkatzen schleichen durch die Wälder in Baden-Württemberg? Dieser Frage geht der BUND Baden-Württemberg mit einem aufwendigen Monitoring nach, das im Rahmen des neuen bundesweiten Großprojekts „Wildkatzenwälder von morgen“ stattfand. Der Aufwand lohnt sich, denn wenn der Mensch die genaue Verbreitung der Wildkatze kennt, kann er ihre Lebensräume gezielt verbinden und verbessern. Das ist wichtig: Dort, wo es der Wildkatze gut geht, gibt es auch Lebensraum für viele andere, teils bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Eine Katze markiert einen Lockstock im Neckar.Odenwald-Kreis. Ob es sich um eine Wildkatze handelt, wird anschließend durch eine Haaranalyse ermittelt. Foto: BUND BW.Eine Katze markiert einen Lockstock im Neckar-Odenwald-Kreis. Ob es sich um eine Wildkatze handelt, wird anschließend durch eine Haaranalyse ermittelt. Foto: BUND BW.

Freiwillige im Einsatz für Haarproben
Anfang des Jahres wurden deshalb 22 Lockstöcke in einem Gebiet von 200 Quadratkilometern in Waldgebieten östlich von Heidelberg sowie bei Eberbach und in der Nähe von Buchen im Odenwald aufgestellt. Diese angerauten Holzpflöcke sind mit Baldrian präpariert. Während der Paarungszeit verleitet das die Wildkatzen dazu, sich daran zu reiben und Haare zu hinterlassen. 32 ehrenamtliche Helfer*innen haben die Stöcke bis April regelmäßig bei rund 240 Kontrollgängen abgesucht und dabei insgesamt 15 Haarproben eingesammelt. Zu ihnen gehörte auch Andreas Schneider. Jede Woche war der 34-Jährige dafür rund drei Stunden in den Wäldern unterwegs, um vier der Lockstöcke bei Buchen und Mosbach im Neckar-Odenwald-Kreis zu kontrollieren. „Wenn Haare am Lockstock sind, werden diese mit einer desinfizierten Pinzette und Gummihandschuhen abgesammelt. Anschließend wird der Lockstock abgeflammt, um mögliche Rückstände zu entfernen. Zum Abschluss wird Baldrian aufgesprüht, um den Lockstock wieder einsatzfähig zu machen“, erklärt Schneider das wöchentliche Prozedere.

Hoffnung für bedrohte Arten
Der Hobby-Wildtierfotograf engagiert sich schon lange für den Artenschutz und kam über den Biber zur Wildkatze. „Ich habe im Zuge des Biber-Monitorings in Buchen 2022 ganz unerwartet eine Wildkatze auf der Wildkamera erwischt. Das Video habe ich der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) geschickt, die mich auf eine Helferliste für zukünftige Wildkatzenprojekte gesetzt haben.“ So wurde er Teil des BUND-Projekts „Wildkatzenwälder von morgen“, in das er große Hoffnungen setzt. „Ich erhoffe mir, dass wir durch die gesammelten Daten feststellen können, dass die Wildkatze sich weiter ausbreitet und die Maßnahmen zur Erhaltung und Aufwertung ihrer Lebensräume dann auch tatsächlich umgesetzt werden“, erklärt Schneider seine Motivation. Denn trotz des fortschreitenden Artensterbens gibt Andreas Schneider nicht auf und ist überzeugt: „Artenschutz macht Spaß!“

Eindeutiger Nachweis durch genetische Analyse
Die Haarproben gehen nun zur genetischen Analyse an das Senckenberg-Institut für Wildtiergenetik. Dabei wird untersucht, ob die gesammelten Haare von einer Europäischen Wildkatze oder einem Mischling (Hybrid) zwischen Wild- und Hauskatze stammt. In Baden-Württemberg ist diese Hybridisierung höher als im deutschen Gesamtdurchschnitt. Das gefährdet die Erhaltung der Wildkatzen zusätzlich. „Die Ergebnisse erwarten wir dann im weiteren Jahresverlauf“, erläutert Dominic Hahn, der das Projekt „Wildkatzenwälder von morgen“ beim BUND Baden-Württemberg koordiniert. „Die Aufnahmen der Wildtierkameras bei den Lockstöcken lassen hoffen, dass uns wieder einige eindeutige Nachweise der Europäischen Wildkatze im Odenwald gelingen könnten.“ Schon im letzten Jahr konnte der BUND mindestens drei Wildkatzen in der Nähe von Eberbach nachweisen.
Die Ergebnisse des Monitorings sind wichtig für die weiteren Schritte im Projekt „Wildkatzenwälder von morgen“. Denn dabei soll in den nächsten sechs Jahren im Naturpark Neckartal-Odenwald sowie Stromberg-Heuchelberg der Lebensraum für Wildkatzen mit gezielten Maßnahmen verbessert werden. Der Naturpark Stromberg-Heuchelberg führte ein eigenes Lockstock-Monitoring durch. In einem Gebiet von 100 Quadratkilometern innerhalb des Naturparks, das anteilig in den Landkreisen Ludwigsburg und Heilbronn und zu einem kleinen Teil im Enzkreis liegt, wurden dabei 32 Haarproben gesammelt.

Schöner Wohnen für Wildkatze und Co.
Im Zuge des Projekts sollen dann die Waldgebiete entsprechend den Bedürfnissen der Wildkatzen gestaltet werden: Wälder mit Totholz und Gebüsch zum Verstecken und Aufziehen der Jungen sowie strukturreichen Waldrändern und angrenzende offene Flächen mit Deckung für die Mäusejagd. „Dabei profitieren nicht nur Wildkatzen von den Maßnahmen. So gestaltete „Wildkatzenwälder von morgen“ sind auch besser vor Stürmen und Austrocknung geschützt, robuster gegenüber dem Klimawandel und wiederstandfähiger gegen das Artensterben. Denn sie bieten zahlreichen anderen Arten Lebensräume“, erklärt Dominic Hahn. Um diese Ziele zu erreichen, müssen viele Organisationen und Menschen zusammenarbeiten: Interessierte aus Forst, Landwirtschaft, Jagd, Grundbesitz, Verwaltung, Kommunen und Kirchen können sich aktiv am Projekt beteiligen.

Hintergrund: Wildkatzen in Baden-Württemberg
Lange Zeit war die Europäische Wildkatze (Felis silvestris) im Land ausgestorben. Sie galt im 19. Jahrhundert irrtümlicherweise als Nahrungskonkurrent des Menschen und wurde durch die Jagd nahezu ausgerottet. Bundesweit stehen die Wildtiere auf der Roten Liste gefährdeter Arten und sind streng geschützt. Zum Glück nehmen die Bestände in den letzten Jahren langsam wieder zu. Doch nach wie vor gibt es zu wenige geeignete Lebensräume, um den scheuen Jägern langfristig das Überleben zu sichern. Aktuell gibt es schätzungsweise 6.000 bis 8.000 Tiere in Deutschland. In Baden-Württemberg ist die Population in den letzten zehn Jahren von null auf immerhin eine niedrige dreistellige Zahl angewachsen. Zu Gesicht bekommt man die scheuen Katzen aber nur mit viel Glück, denn tagsüber leben sie im Verborgenen. Nur nachts verlässt die Wildkatze ihre Verstecke und begibt sich auf Suche nach Beutetieren. Die Paarungszeit ist von Januar bis April.
Das Projekt „Wildkatzenwälder von morgen“ wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert. Neben Baden-Württemberg beteiligen sich auch die BUND-Landesverbände Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

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