16.10.20

Kulturerbe-Blog: Sachsen

Schloss Hartenfels, Torgau

Weder in Dresden noch in Meißen war die hochpolitische Geschichte des Kurfürstntums Sachsen in der Zeit des Schmalkaldischen Kriegs thematisiert worden – das erfährt der Besucher erst in Torgau.

Schloss Hartenstein, Torgau: Zugangstor zum SchlosshofSchloss Hartenstein, Torgau: Schlosshof mit Renaissance-Treppenhaus ("Wendelstein")Schloss Hartenstein, Torgau: Schlosskapelle Links: Zugangstor zum Schlosshof

Darunter: Schlosshof mit Renaissance-Treppenhaus ("Wendelstein")

Schlosskapelle

Torgau wurde 1485 bei der Leipziger Teilung der sächsischen Brüder Ernst und Albrecht Besitz Ernsts, dem auch die Kurwürde zufiel. Ernsts Sohn Friedrich, mit dem Beinamen der Weise, ist es, der Luther 1521 auf der Wartburg in Sicherheit brachte – wie es aussieht, mit Kenntnis und Billigung seines Freundes, des Pfälzer Kurfürsten Ludwig V. Friedrichs des Weisen Neffe Johann der Beständige hatte 1534 in die Fehde des Hans Kohlhaase eingegriffen, legte sich im Schmalkaldischen Krieg mit der kaiserlich-katholischen Partei an, unterlag aber in der Schlacht von Mühlberg 1547. Im Vollzug der über ihn ausgesprochenen Reichsacht wurde ihm die Kurwürde aberkannt und seinem Vetter Moritz aus der ernestinischen Linie übertragen. Als „Sitz“ der Kurwürde wechselte Torgau ebenfalls den Besitzer, blieb allerdings gegenüber Dresden nur noch Nebenresidenz.

Auch Schloss Hartenfels, Torgaus „Stadtburg“, liegt auf einem leicht abfallenden Hügel an der Elbe. Es wurde nach 1486 unter Kurfürst Friedrich dem Weisen zur Residenz der Ernestinischen Linie ausgebaut und gilt als einer der Hauptbauten der Renaissance in Deutschland. Die beiden bemerkenswertesten Bauteile im Schloss sind die  1543 – 44 gebaute und 1544 von Luther selbst geweihte Schlosskapelle und der große Wendelstein im Hof. Die Schlosskapelle gilt als die erste in Deutschland, aber das ist Interpretationssache. Die in Schloss Neuburg an der Donau dürfte ebenso alt sein.

Die Schlosskapelle gilt als der erste protestantische Kirchenneubau überhaupt – wobei die Betonung auf Neubau liegt, denn den Rang der ersten protestantischen Kirche muss sie sich mit der nur wenige Jahre älteren Schlosskirche des Pfalzgrafen Ottheinrich in Neuburg an der Donau teilen. Der Wendelstein greift wie sein Vorbild in Meißen die große repräsentative Treppe im Louvre in Paris sowie die zwischen 1515 und 1524 errichtete große Wendeltreppe im Schloss in Blois auf.

Das Schloss ist heute Sitz des Landratsamts, hier ist auch eine Gedenkstätte („Dokumentations- und Informationszentrum Torgau“) mit einer ständigen Ausstellung „Spuren des Unrechts“ über Torgaus Rolle als Zentrale des Wehrmachtstrafsystems im Nationalsozialismus, die Geschichte der sowjetischen Speziallager Nr. 8 und Nr. 10 und des DDR-Strafvollzugs in Torgau. Wir mussten schon rein aus Zeitgründen auswählen und sahen uns nur die ständige Ausstellung mit dem sympathischen Titel „Standfest. Bibelfest. Trinkfest“ an. Höfische Repräsentation ist ja unser Thema, und wir konnten letztlich nur die Torgauer Museumsleute beneiden, dass ihnen so viele und umfangreiche Quellen zum Alltagsleben bei Fürstens zur Verfügung stehen.

Vor dem Schloss der aus der Geschichte überlieferte Bärengraben - er ist tatsächlich mit einem Bären besetzt. Der allerdings, seit einiger Zeit Single, macht einen eher traurigen Eindruck. Man darf hoffen, dass er bald wieder Gesellschaft bekommt und dass das Bärenleben da wieder fröhlicher wird.

Der Marktplatz in der Stadt hat eine recht repräsentative Reniassance-Bebauung. Eis essen und Kaffee trinken kann man da sehr gut.


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