7.9.20

Kulturerbe-Blog: Sachsen

China ist nah

Ich war schon einmal in Pillnitz gewesen. 1990. Da war die Mauer schon weg, aber die DDR noch da. In den letzten Zügen. Was mir von damals in Erinnerung blieb, waren die Malereien in der Untersicht der Dach-Überstände an den Schlossbauten, Malereien im chinesischen Stil. Was man eben so im 18. Jahrhundert „chinesischen Stil“ nannte.

Dieses Mal lag Pillnitz quasi direkt gegenüber, auf der anderen Elbseite, in Sichtverbindung des Alten Fährhauses Kleinzschocher. Unser Vermieter hatte uns gleich auf das „z“ im Namen Kleinzschocher aufmerksam gemacht. Wenn einer vom Rhein kommt, übersieht er das zu leicht. Also Altes Fährhaus (mit Corona-Abstand, versteht sich), Terrasse außen, letzte Sonnenstrahlen auf Pillnitz. Schön lags da.

Gesamtansicht der Pillnitzer Schlossanlage vom linken Elbufer.

Pillnitz, Wasserpalais mit BarockgartenPillnitz, Malereien im Chinesischen Stil an der Untersicht der Dächer und Balkons des WasserpalaisOben: Gesamtansicht der Pillnitzer Schlossanlage vom linken Elbufer.

Links: Wasserpalais mit Barockgarten

Unten: Malereien im Chinesischen Stil an der Untersicht der Dächer und Balkons des Wasserpalais

Am nächsten Tag mit der Fähre rüber. Kein Schlossbesuch, nur Außenansichten und Garten. Irgendwann in der nächsten Zeit lernten wir dann, dass „chinesischer Stil“ im Schlossbau im Nebeneinander von Pavillons bestand. Dächer chinesisch, Unterseiten chinesisch bemalt, sehr exotischer Eindruck.

Die Pavillons sind allerdings in Pillnitz nicht mehr isoliert, sondern miteinander verbunden. In den Texten über das Schloss heißt es „durch Galerien“, aber die sind nur eine einzige Achse lang. An den Dächern sieht man diese drei anfänglich isolierten Bauten. Und selbst die Bezeichnung des Mittelbaus als Pavillon täuscht etwas, das Gebäude umfasste immerhin sieben Achsen.

Zur Elbe hin senkt sich eine monumentale Freitreppe, die August der Starke hinab schritt (oder hinab geschritten sein soll), um die Gondel zu besteigen, die ihn nach Dresden bringen sollte. Eine Gondel, die Tritonengondel, ist in einem Pavillon im Park ausgestellt, sie ist um 1800 für Kurfürst Friedrich August III. gebaut. Der Rest der zahlreichen Hofgesellschaft dürfte dann zu Pferd und zu Fuß den Weg zwischen Dresden und Pillnitz zurückgelegt haben.

Dann der Garten. Mir waren von damals hohe Hecken im Gedächtnis, die schmale Wege säumten. Labyrinth-ähnlich. Diese Erinnerung trog. Die Hecken grenzen große Abteilungen ein, die ihrerseits jede einzelne einen nicht allzu kleinen Raum der Vergnügungen für die Hofgesellschaft boten. Die Hecken pflanzte die Gräfin Cosel 1712, als sie Schlossherrin war. Die zentrale Allee in der Mittelachse wurde als Paille Maille-Bahn angelegt.

Schlossgarten Pillnitz, Englischer PavillonSchlossgarten Pillnitz, Chinesischer Pavillon Schlossgarten Pillnitz, Englischer Pavillon (links) und Chinesischer Pavillon (unten)

Der Plan versprach einen englischen und einen chinesischen Pavillon. Ersterer, malerisch an einem kleinen See gelegen, sah nicht nur aus wie der Tempietto Bramantes in Rom, er war, zumindest äußerlich, ein exakter Nachbau. Klassizismus pur. 1780. Passt zeitlich zum Garten im englischen Stil. Im Innern des Pavillons wechseln sich Fenster- und Spiegelfelder mit Ornamentfeldern ab, alles mit weißen Ornamenten auf grauem Untergrund. In letzteren scheinen rotgrundige Rundmedaillons mit weißen Relieffiguren an weißen Schleifenbändern aufgehängt. Man möchte seinen Tee hier zu sich nehmen.

An der Nordgrenze des Gartens ein chinesischer Pavillon, mit einem Portikus von vier Säulen auf allen vier Seiten und einem chinesisch geschwungenen Dach mit Laternenaufbau. 1805. Auch hier ein zur selben Zeit angelegter Teich vornedran. Erst nach unserer Rückkehr sollte ich davon lesen, dass „englischer Park“ nur die nachgebildete Landschaft war, „chinesischer Garten“ einen deutlichen Akzent auf den Wasserbauten bedeutete. Beides zusammen war dann ein Park im „anglo-chinesischen Stil“. Chinesisch war auch der Drache oben auf dem Dach, ins Innere konnte man schlecht hineinsehen, da war die Spiegelung in den Fensterscheiben zu stark.

Fazit? Pillnitz muss sein. So eine China-Begeisterung sieht man selten.

Die Reise sollte sich zu einer Reise nach China entwickeln, aber davon ahnten wir noch nichts.

Blick in den Innenraum des Englischen Pavillons

Sachhintergrund: Das bestehende Schloss des 16./17. Jahrhunderts wurde 1720 im barocken Stil um- und ausgebaut. Rechtwinklig dazu das Wasserpalais 1720/21 errichtet, die Pavillons schon 1722 miteinander verbunden. 1723/24 spiegelbildlich dazu das Bergpalais, dazwischen ein Barockgarten. Nach 1725 keine Bautätigkeit mehr. Ab 1765 neue Nutzung als Sommerschloss und Anfügung der hell verputzten Flügelbauten. 1780 Englischer Pavillon, 1804 Chinesischer Pavillon. 1818 brannte das Alte Schloss ab und wurde 1819 – 22 im klassizistischen Stil neu gebaut.

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