1.2.19

Neu im Museum: Ein Schantle, das für Aufregung sorgt

Geschichtsträchtiges Rottweiler Narrenkleid wurde dem Museum der Alltagskultur geschenkt

Übergabe der Schantle-Larve an das Museum. Foto Andrea Goletz, Landesmuseum Württemberg. Schantle aus Rottweil. © Foto: Dirk KittelbergerLinks: Übergabe der Schantle-Larve an das Museum. Foto Andrea Goletz, Landesmuseum Württemberg.

Unten: Schantle aus Rottweil. © Foto: Dirk Kittelberger

(lmw) Ein in den letzten Monaten berühmt gewordenes Narrenkleid gelangt nun ins Museum und ist ab sofort Teil der Sammlung des Museums der Alltagskultur – Schloss Waldenbuch. Das sogenannte Rottweiler Schantle wurde dem Museum am 24. Januar als Spende von seinem bisherigen Besitzer, Dieter Edwin Albrecht offiziell übergeben. Dessen Entscheidung kann als eine Form des Protests verstanden werden gegen eine Fastnacht, die sich für ihn immer mehr in Richtung Touristenattraktion verändert. Im Rahmen eines Pressegesprächs nahm der Leiter des Museums, Dr. Markus Speidel, das traditionsreiche Stück entgegen: „Ich freue mich sehr, dass dieses Schantle, das für so viel Aufsehen gesorgt hat, nun Teil unserer Sammlung geworden ist.“

Das rund 90 Jahre alte Narrenkleid aus blauem Leinenstoff mit Stickarbeiten war einst vom Rottweiler Stadtschultheiß Edwin Glükher in Auftrag gegeben worden. Über dessen Schwiegersohn gelangte es zusammen mit der geschnitzten Larve Mitte des 20. Jahrhunderts an die Familie Albrecht, wo das Schantle über vier Generationen hindurch bei der Fasnet getragen wurde.

Dieter E. Albrecht sieht im Schantle eine Figur, die auch Behinderung und Unvollkommenheit verkörpert. Mit dem Tragen von Larve und Kleidle erlebt der Träger eine Verwandlung zum Narren. Als Schantle befindet er sich gleichsam in einer anderen Welt und kann unerkannt der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Diese Fasnet sieht Albrecht im Verschwinden begriffen. Deshalb möchte er das Kleidle nicht mehr länger tragen. Albrechts Entscheidung, das Schantle im Oktober 2018 zur online Versteigerung auf der Seite „ebay Kleinanzeigen“ freizugeben, löste eine kontroverse Diskussion aus. Nach ersten Sammlerangeboten, entschied Dieter Albrecht das Schantle dem Museum zur Schenkung anzubieten.

Das Museum der Alltagskultur im Schloss Waldenbuch verfügt bereits über einen umfangreichen Bestand an Objekten zur Fastnacht. Die Sammelpraxis der Abteilung Populär- und Alltagskultur sieht deshalb vor, nur noch Exemplare in die Sammlung aufzunehmen, wenn diese von besonderer historischer Bedeutung sind oder mit einer interessanten Geschichte verbunden sind. Für die Kulturwissenschaftlerin Raffaela Sulzner M.A., als Museumskuratorin unter anderem zuständig für den Sammlungsbereich Körperwelten, ist diese Voraussetzung beim Neuzugang erfüllt: „Sowohl durch seine Materialität als auch durch die mit dem Schantle in Verbindung stehenden Geschichten, erzählt das Objekt über Wandel und Kontinuität sowie die sich verändernde Bedeutung (…) von Brauchtum und Tradition“.

Museumsleiter Markus Speidel ergänzte: „Wir wollen mit unserer Sammlung keine statische Vorstellung von Kultur erhalten, sondern deren Veränderungen dokumentieren“.

Dass das Schantle im Museum einen neuen und anderen Zweck erfüllt, betonte Prof. Dr. Sabine Zinn-Thomas, Leiterin der Landesstelle für Volkskunde: Es werde dort „zu einem Objekt mit veränderten Bedeutungen und Funktionen als in der Fasnet.“

Das Schantle wird vom 5. bis zum 24. Februar im Museum der Alltagskultur in Waldenbuch ausgestellt sein.

Zudem wird das Narrenkleidle im Rahmen von zwei Vorträgen im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart präsentiert und von Prof. Dr. Sabine Zinn-Thomas in einen größeren Kontext gestellt werden:

Am 28. Februar 2019, 18 Uhr, im Rahmen des Vortrags „‘Jedem zur Freud, niemand zu Leid‘?! Kulturerbe als kulturelle Praxis – Die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht zwischen Anspruch und Wirklichkeit“

sowie am 7. März 2019, 12.30 Uhr, in der Veranstaltungsreihe „Kunstpause“: „Ein Rottweiler Kleidle und seine Geschichte(n)“

im Detail:  
siehe auch:  

Startseite | Service | zur ZUM | © Landeskunde online/ kulturer.be 2018
© Texte der Veranstalter, ohne Gewähr