23.8.18

Nichtheimische Tiere und Pflanzen machen sich in unseren Wäldern breit

(lkra) Gerade im Sommer sind die Wälder in der Rheinebene für Naturliebhaber immer wieder ein Erlebnis. Hier und da sind seltene Pflanzen zu sehen und mit etwas Glück lassen sich manch scheue Waldbewohner beobachten.

Die Förster sehen den Wald naturgemäß mit etwas anderen Augen. Tagtäglich bekommen die Revierleiter Veränderungen zu sehen. Innerhalb des Waldes sind dabei nicht nur einheimische Pflanzen und Tiere zu beobachten. „Der Druck auf die heimische Flora und Fauna wächst“, stellt Kai Karius, der Bühler Bezirksleiter des Kreisforstamtes des Landkreises Rastatt, fest. Denn „Neubürger“ unter den Tier- und Pflanzenarten, in der Fachsprache Neozoen und Neophyten genannt, können durch geschickte Verhaltens- und Anpassungsstrategien neue Gebiete im Wald erschließen. Zur heimischen Flora und Fauna zählen alle Arten, die vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus in einem Gebiet etabliert waren.

Die Kermesbeere breitet sich vor allem in lichten Wäldern auf der Hardt aus. (Foto: LRA) Die Kermesbeere breitet sich vor allem in lichten Wäldern auf der Hardt aus. (Foto: LRA)

In den Auewäldern scheinen sich die eingeschleppten Arten sehr wohlzufühlen. Das Indische Springkraut wurde bereits im 19. Jahrhundert aus dem westlichen Himalaya als Gartenpflanze nach Europa gebracht. Seit mehreren Jahrzehnten ist diese Pflanze auch bei uns auf dem Vormarsch. Die bis zu zwei Meter hohe Pflanze bevorzugt feuchte bis nasse und zugleich nährstoffreiche Böden und folgt oft Fluss- und Bachläufen bis hoch in den Schwarzwald.

Klaus Vollmer, der zuständige Revierleiter der Gemeinde Ottersweier im Landkreis Rastatt, ist dabei jedoch skeptisch, ob diese Pflanze erfolgreich zurückgedrängt werden kann. Wenn im Spätjahr die ersten Bodenfröste im Wald entstehen, gehen dabei auch die oberirdischen Pflanzenteile ein. Inwiefern einheimische Pflanzen beim Austrieb im Frühjahr gehindert werden, bleibt dabei offen. Ein Vorteil ist jedoch die Eigenschaft als Nektarspender für die einheimischen Insekten. Vor allem die ortsansässigen Imker schätzen die Pflanze als Bienenweide sehr.

Der Japanknöterich, der auch im Revier von Georg Schumann, dem zuständigen Revierleiter der Gemeinde Rheinmünster, ebenfalls im Landskreis Rastatt, vorkommt, kann ebenfalls bis zu zwei Meter Höhe erreichen. Die Pflanze hat rötliche Stängel und bis zu 15 Zentimeter breite Blätter. Laut Schumann wächst dort, wo der Knöterich vorkommt, so gut wie nichts mehr. Das Wurzelwerk ist dabei so dicht und stark, dass keine Pflanze dagegen anwachsen kann. Schon ein kleines Stück der Wurzel reicht aus, damit diese überlebt. Um erfolgreich gegen die Ausbreitung vorzugehen, muss die Pflanze möglichst als Ganzes entnommen und aufwändig entsorgt werden. Bekämpfungsmaßnahmen sind somit sehr teuer.

Die eindrucksvolle Blüte einer weiteren nichtheimischen Pflanze macht den Riesenbärenklau zu einer leicht erkennbaren Pflanze. Alle Pflanzenteile sind giftig und können bei starker Sonneneinstrahlung zu schlimmen allergischen Hautreaktionen führen. Die dadurch entstehenden Verbrennungsnarben bleiben dauerhaft. Glücklicherweise ist er in der Region selten. Das Forstamt im Landratsamt rät jedoch allen Waldbesuchern den Kontakt mit dieser Pflanze zu vermeiden. Weniger giftig, dafür umso kräftiger, breitet sich die Kermesbeere in den lichten Wäldern des Hardtwaldes aus. Das massenhafte Vorkommen und invasive Verhalten kann zu Verdrängungseffekten der einheimischen Vegetation führen. Bekämpfungsmaßnahmen sind auch hier schwierig und können nur lokal innerhalb kleiner Einheiten durchgeführt werden, beispielsweise zum Schutz von Biotopen.

Neben weiteren Pflanzen spielt die Spätblühende Traubenkirsche eine Rolle. Vor allem auf nährstoffarmen Standorten des Hardtwaldes fällt der durchsetzungskräftige Baum besonders auf. In manchen Fällen lässt sich diese Eigenschaft jedoch dazu nutzen, überhaupt eine Bestockung auf trockenen Standorten zu erreichen. Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt der Klimaerwärmung.

Ein gravierendes Beispiel, wie schon kleine fremde Organismen ganze Wälder verändern können, ist das Eschensterben. Hier wurde im Zuge des globalen Holzhandels ein in Südostasien heimischer und dort weitgehend unauffälliger Pilz nach Europa gebracht. In den letzten zehn Jahren wurde die heimische Baumart Esche massiv geschädigt, bekräftigt Thomas Westermann, der Ansprechpartner für den Bereich Waldschutz im Forstamt.

Neben Pflanzen finden sich auch vermehrt Tiere, die mehr oder weniger stark vom Menschen beeinflusst im Landkreis ihr neues Zuhause gefunden haben. Waschbären beispielsweise breiten sich in jüngster Vergangenheit immer stärker in der Region aus und können dabei zur Bedrohung der einheimischen Artenvielfalt werden. Das ursprünglich aus Nordamerika stammende Tier kann dabei Vogelgelege ausräumen und potenziell hochwertige Nistplätze belegen.

Generell sind Wälder, in denen eine hohe Anzahl an Neophyten vorkommt, schwieriger zu bewirtschaften. Erfolgversprechende Bekämpfungsmaßnahmen sind oft nicht zulässig oder aufgrund eines hohen Arbeitszeitaufwandes nicht zu rechtfertigen. Es bleibt demnach oftmals nur der Versuch, die Ausbreitung dahingehend zu lenken, wo sie am wenigsten Schaden anrichtet und so die heimische Artenvielfalt zu erhalten und auch wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.

 

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