17.10.18

KIT

Fotos aus sozialen Medien zeigen soziokulturellen Wert von Landschaften

(kit) Jeden Tag laden Nutzer Millionen Bilder auf Plattformen wie Flickr, Instagram oder Facebook hoch. Dass diese Bilder sich auch dazu nutzen lassen, die gesellschaftliche Bedeutung bestimmter Landschaften zu bewerten, zeigt eine Studie von Forscherinnen und Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Hierfür entwickelten sie eine neue Bildanalysemethode, die auf Künstlicher Intelligenz basiert. Die Ergebnisse könnten vor allem für die Landschaftspflege eine große Rolle spielen. Darüber berichten sie in der Fachzeitschrift Ecological Indicators.

Funktionierende Ökosysteme sind elementar für den Menschen: Sie stellen wichtige Ressourcen wie Nahrung, Wasser oder Brennstoffe bereit. Sie spielen jedoch auch eine kulturelle Rolle, beispielsweise als Erholungsort, Reiseziel oder ästhetisches Motiv. „Die vielen Fotos, die Menschen von ihren Naturerlebnissen auf Online-Plattformen veröffentlichen, zeigen, dass Landschaften immer noch eine enorme kulturelle Bedeutung haben“, erklärt Dr. Heera Lee vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT in Garmisch-Partenkirchen. Dies müsse vor allem für eine nachhaltige Entwicklung und Planung von Naturflächen berücksichtigt werden. Deshalb hat Lee mit ihrem Team eine Methode entwickelt, wie Landschaftsplaner schnell und zuverlässig Fotos auf sozialen Medien nutzen können, um Rückschlüsse auf den soziokulturellen Stellenwert von Landschaften zu ziehen.

Für ihre Studie „Mapping cultural ecosystem services 2.0 – Potential and shortcomings from unlabeled crowd sourced images” hat die Klimaforscherin exemplarisch die Region um das Flusssystem Mulde in Sachsen betrachtet: „Hier zieht vor allem das Erzgebirge Menschen zum Wandern, Mountainbiking oder Wintersport in die Natur“, so Lee. Dementsprechend viele Fotos posten die Besucher auf verschiedenen Plattformen. Für ihre Studie hat Lee Bilder ausgesucht, die Nutzer vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 auf Flickr gepostet haben: Insgesamt luden in diesem Zeitraum 725 verschiedene Personen beinahe 13 000 Bilder aus der Region auf die Online-Plattform.

Die Auswertung der Fotos zeigte ein detailliertes Bild davon, wie Touristen und Anwohner das Gebiet rund um das Flusssystem Mulde nutzen, ob für Freizeit-Aktivitäten oder um die Natur zu genießen. So können Landschaftsplaner dank des Projekts am KIT die „Hotspots“ lokalisieren und die soziokulturelle Bedeutung gewisser Gebiete besser verstehen. Auf dieser Grundlage können sie bei Bedarf beispielsweise den Zugang zu gefährdeten Gebieten einschränken oder Angebote und Anlagen schaffen, welche die Aktivitäten entsprechend unterstützen.

Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz um den Inhalt der Bilder auszuwerten
Für verlässliche, relevante Aussagen über die soziokulturelle Nutzung von landschaftlichen Gebieten haben Lee und ihr Team eine neue Methode entwickelt, die auch die Inhalte der Bilder einbezieht: „Es ging uns nicht nur darum, wo und wann, sondern vor allem was Nutzer fotografiert haben. Nur so konnten wir kulturelle Hotspots in der untersuchten Region identifizieren.“

Informationen über die Bilder erhielten die Forscher über die Schlagwörter oder Tags, die Nutzer bei der Veröffentlichung angeben. Diese geben Aufschluss darüber, wo ein Bild aufgenommen wurde und was es zeigt. Hier ergaben sich für die Klimaforscher zwei Herausforderungen: die Qualität der verteilten Schlagworte und die Dauer der Auswertung. Obwohl Flickr Tags für Fotos und Videos vorschlägt, nehmen nicht alle Nutzer diese Möglichkeit zum Verschlagworten wahr. Da von den fast 13 000 untersuchten Bildern etwa 2 500 gar keine Tags und 590 jeweils nur einen einzigen hatten, hat das Forscherteam für die Auswertung auf automatisierte Tags aus einem Algorithmus zur Bilderkennung gesetzt. In der Studie hat der Algorithmus jedem Bild etwa 20 Tags zugeordnet, insgesamt gab es 2 317 verschiedene Schlagwörter.

„Wir gingen dann davon aus, dass ähnliche Bilder ähnliche Tags erhielten. Traten Tags gemeinsam auf, war das für uns ein Indikator, dass Fotos thematisch zusammengehören“, so Lee. Ebenfalls unterstützt von Algorithmen haben die Forscherinnen und Forscher die Schlagwörter in neun thematische Cluster eingeteilt und die untersuchten Fotos einem oder mehreren dieser Cluster zugeordnet. So fanden sich beispielsweise Nahaufnahmen von Blumen oder Schmetterlingen im Cluster „Existenz“, da sie Objekte abbilden, die in den betrachteten Gebieten nachgewiesen werden konnten. Die Genauigkeit der Methode überprüften Lee und ihr Team mit einer manuellen Auswertung: Knapp 20 Prozent waren falsch eingeordnet, die Klimaforscherin geht aber davon aus, dass sich die Zuverlässigkeit der Zuordnung durch die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz noch einmal deutlich verbessern wird. Als weiteren Nachweis für die Gründlichkeit des Analyseverfahrens verglichen Lee und ihr Team die Ergebnisse mit empirischen Studien, welche die kulturelle Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen untersuchten und zu ähnlichen Ergebnissen kamen.

Die von Lee entwickelte Vorgehensweise beschleunigt zudem die Auswertung. Das Zuordnen der Tags zu den fast 13 000 Bildern sowie die Einordnung in Cluster hat mit ihrer Methode etwa drei Stunden gedauert. Zum Vergleich: Manuell kann eine Person etwa 140 Fotos pro Stunde verschlagworten. „Mit dieser Methode können wir zuverlässig und schnell Bilder aus den sozialen Medien inhaltlich auswerten und lokal einordnen“, so Lee. Der Ansatz des KIT lasse sich auch auf andere Regionen ausweiten, von denen es Bilder im Internet gibt. Die Europäische Union hat Heera Lees Forschung in zwei Förderprogrammen gefördert: OPERAs und dem Netzwerk BiodivERsA.

Originalpublikation

Heera Lee, Bumsuk Seo, Thomas Koellner, Sven Lautenbach: “Mapping cultural ecosystem services 2.0 – Potential and shortcomings from unlabeled crowd sourced images”; in: Ecological Indicators

Abrufbar unter: https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2018.08.035

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