28.12.17

Nachlese

Europäisches Kulturerbesiegel für den Natzweiler-Komplex?

​Natzweiler-Komplex wird ein System von Konzentrationslagern der nationalsozialistischen Zeit genannt, das sich um das Stammlager Natzweiler-Struthof im Elsass gruppiert und insgesamt um die 50 Außenlager umfasste. Das Stammlager Natzweiler ist dabei das am westlichsten gelegene Konzentrationslager und das einzige auf französischem Boden. Von den 52.000 Häftlingen dieses Komplexes war allerdings nur etwa ein Drittel im Stammlager selbst, zwei Drittel leisteten Zwangsarbeit in den Außenlagern von Thil/Longwy bis Heidenheim und von Cochem bis Mulhouse. Nachdem im Herbst das Stammlager Natzweiler vor den heranrückenden Alliierten aufgelöst wurde, bestanden die Außenlager noch weiter fort – ein einmaliger Fall in der Geschichte der Konzentrationslager.

Gelände des ehemaligen Konzentrtionslagers Natzweiler
Das in Terrassen angelegte Gelände des ehemaligen KOnzentrationslgers Natzweiler. Foto: Wikimedia Commns/Lybil BER (CC BY-SA 3.0)

Gedenkstättenarbeit war bisher zweigespalten, es gab eine deutsche und eine französische Erinnerungskultur. Jetzt haben sich das Centre Européen du Resistant Déporté in Natzweiler-Struthof selbst und zwölf Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg zu einem Netzwerk zusmamengeschlossen, um sich gemeinsam für das Europäische Kulturerbesiegel der Europäischen Union zu bewerben. Voraussetzung – und der Bewerbung vorausgegangen – war eine verstärkte Zusammenarbeit französischer und deutscher Historiker und Pädagogen, die ihrerseits schon der deutsch-französischen Zusammenarbeit einen neuen, vertiefenden Akzent verleiht.

Die 2016 gestartete Bewerbung um das Europäische Kulturerbesiegel soll die bisherige Gedenkstättenarbeit unter einem gemeinsamen Dach vereinigen und verstetigen. Sie will darüber hinaus Jugendlichen nahebringen, dass nicht nur das Leid, das die menschenverachtende nationalsozialistische Willkürherrschaft mit sich brachte, im Vordergrund steht, sondern auch die Tatsache, dass es sich um eine Stätte europäischer Erinnerungskultur handelt. Europas Wurzeln liegen nicht nur in der Kontinuität von Traditionen, sondern auch in Gedanken und Ideen, die in der Hölle der Lager mit Füßen getreten wurden: Achtung der Menschenrechte, Friede, und auch die Erfahrung, dass Terror nicht vor Staatsgrenzen halt macht.

 Damit steht eine „europäische Öffentlichkeit“ im Blickpunkt – was konkret bedeutet, dass es nicht nur keine nationale Deutungshoheit über das System der Zwangsarbeitslager mehr gibt, sondern dass auch Sprachbarrieren beim Besuch der Gedenkstätten abgebaut werden.

Denise Beilharz: Das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler und seine Außenlager. Eine länderübergreifende Bewerbung um das Europäische Kulturerbesiegel. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Denkmalpflege 1/2017, S. 16 - 22

 

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