2.2.16
Archäologische Denkmalpflege Baden-Württemberg
Waffenträgergrab in der frühmittelalterlichen
Siedlung von Bissingen an der Teck
(rps) Experten des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart entdeckten überraschend das Grab eines frühmittelalterlichen
Kriegers mit Goldblattkreuz bei der Siedlungsgrabung in Bissingen
an der Teck. Präsentiert wurden die Funde des reichausgestatteten
Kriegergrabes und die daraus resultierenden spannenden Einblicke
in die Frühzeit der Christianisierung gestern im Landesamt
für
Denkmalpflege in Esslingen.
Prof. Dr. Dirk Krausse, Landesarchäologe des Landesamtes
für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD),
begrüßte die Vertreter der Presse zur Präsentation
des aufregenden Fundes. „Hier zeigt sich wieder, dass größere
Bauprojekte archäologisch begleitet werden müssen“,
leitete Prof. Dr. Krausse ein und fügt hinzu: „Nur durch
frühzeitige systematische Prospektion kann die undokumentierte
Zerstörung wichtiger archäologischer Fundstätten
verhindert werden. Eine moderne und schlagkräftige archäologische
Denkmalpflege kann zügig und professionell arbeiten und damit
Bauverzögerungen von vorneherein vermeiden.“
Dr. Dorothee Brenner und Dr. Jonathan Scheschkewitz, beide vom
Landesamt für Denkmalpflege, gaben anschließend einen Überblick über
die vorläufigen Grabungsergebnisse und über die Bedeutung
des bestatteten Kriegers von Bissingen.
Archäologen bei der Freilegung des Grabs. Foto: Landesamt für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
Ausgelöst durch die Pläne zur Verdichtung der Ortsbebauung
wurde zunächst eine archäologische Sondierung auf dem
ca. 2000 Quadratmeter messenden Areal durchgeführt. Dabei
konnte eine große mittelalterliche Siedlung nachgewiesen
werden. Das Landesamt für Denkmalpflege unternahm im Frühjahr
und Sommer 2015 eine großflächige Rettungsgrabung und
schloss die Untersuchungen vereinbarungsgemäß und mit
Erfolg Ende August ab. Die Siedlung umfasste die Überreste
von größeren Pfostengebäuden, kleine halb in den
Boden eingetiefte Grubenhäuser, die häufig der Textilverarbeitung
dienten. Zahlreiche Ofenstrukturen können größtenteils
in Zusammenhang mit der Weiterverarbeitung von Eisen gesehen werden.
Unerwartet kam inmitten der Siedlung Ende Juni eine große
Grabgrube zum Vorschein, die sich als unberaubte Bestattung eines
hochgestellten Mannes herausstellte. „Wir waren schon von
den spannenden Siedlungsbefunden begeistert, aber die Auffindung
dieses reichen Kriegergrabes hat unsere Erwartungen weit übertroffen.
Ein solcher Fund ist für uns und auch für die Geschichte
des Ortes von besonderer Bedeutung“, freut sich Dr. Dorothee
Brenner. Die Grablege konnte anhand der Ausstattung mit hervorragenden
Beigaben ins 7. Jahrhundert nach Christus datiert werden. Der Mann
war in einem Sarg in einer großen Grabkammer mit seiner vollständigen
Waffenausstattung und einigen persönlichen Gegenständen
beigesetzt worden. Darunter befand sich auch ein seltenes aus Goldblech
gefertigtes Kreuz, das wahrscheinlich auf einem Tuch aufgenäht
war, mit dem das Gesicht des Toten bei der Bestattung abgedeckt
wurde.
Das Grab in freigelegtem Zustand. Foto: Landesamt für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
Zu seiner reichen Waffenausstattung gehörte das Langschwert
(Spatha), das einschneidige Kurzschwert (Sax) sowie Lanze und Schild.
Durch den Sporn am linken Fuß und ein reich verziertes Pferdegeschirr
war er als Reiter gekennzeichnet. Eine bronzene Schüssel,
ein kleines Tongefäß sowie Fleischstücke als Speisebeigaben
sicherten seine Versorgung im Jenseits. Rätselhaft ist noch
eine Beigabe, die aus sechs vermutlich an einem organischen Material
befestigten Bronzelamellen besteht. „Die Grabausstattung
zeugt von einem angesehenen Mann, dessen Hinterbliebene vermutlich
wollten, dass er auch im Jenseits seinen Status beibehält.
Die Familie konnte damit aber auch ihren eigenen gesellschaftlichen
Rang demonstrieren. Das war in einer Zeit des Umbruchs, als das
Christentum sich langsam bei den Alamannen etabliert, sicher wichtig“,
fasste Dr. Jonathan Scheschkewitz abschließend zusammen.
Die Funde wurden in mehreren Gipsblöcken geborgen, um sie
unter Laborbedingungen in der Restaurierungswerkstatt des LAD freizulegen.
Die Blöcke wurden inzwischen im Computertomographen geröntgt,
sodass ein Eindruck der zahlreichen Funde gewonnen werden konnte.
Die Leiterin der archäologischen Restaurierungswerkstatt am
Landesamt für Denkmalpflege, Nicole Ebinger-Rist, erläuterte
anhand der visualisierten Messdaten, welche Informationen über
die Beigaben durch diese moderne Technik gewonnen werden können.
Deutlich zeichnen sich die aufwändigen Verzierungen der Gürtelbestandteile
und des Pferdegeschirrs sowie der Waffen ab. Gegenwärtig werden
die Funde nun freigelegt und restauriert, damit sie für eine
wissenschaftliche Bearbeitung und museale Präsentation langfristig
zur Verfügung stehen.
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