9.10.15
Luther-Schriften und Bachs h-Moll-Messe
sind Weltdokumentenerbe
Insgesamt fünf deutsche Neueinträge
im "Memory of the World"-Register
(unesco) Die UNESCO hat am 9. Oktober frühe Schriften der Reformationsbewegung
und Johann Sebastian Bachs Autograph der h-Moll-Messe in das Weltregister
des Dokumentenerbes aufgenommen. Auch drei Dokumente, die gemeinsam
mit deutschen Institutionen nominiert wurden, sind jetzt eingeschrieben:
der Goldene Brief des birmanischen Königs Alaungphaya an den
britischen König George II., digitale Sammlungen zur Sprachenvielfalt
weltweit sowie persische und arabische Handschriften des Buches "Al-Masaalik
Wa Al-Mamaalik". Insgesamt hat die UNESCO 47 Dokumente neu
in das Weltregister aufgenommen, darunter theologische Schriften
Isaac Newtons, koreanische Holzdruckblöcke aus der Zeit von
Konfuzius und das älteste Buch Europas "Derveni Papyrus".
Damit folgte Generaldirektorin Irina Bokova der Empfehlung des
Internationalen Komitees "Memory of the World", das vom
4. bis 6. Oktober in Abu Dhabi tagte.
"Ich freue mich sehr, dass die deutschen Nominierungen die
UNESCO und ihr internationales Komitee zum Memory of the World
Programm überzeugt haben. Deutschland verzeichnet jetzt 22
Eintragungen im UNESCO-Weltdokumentenregister. Meine Glückwünsche
gehen an die nominierenden Bibliotheken und Archive. Der Öffentlichkeit
die Vielfalt des dokumentarischen Erbes zu zeigen und die Dokumente
als Zeugnisse der Menschheitsgeschichte für kommende Generationen
zu sichern, ist Ehre und Verantwortung", sagt Prof. Dr. Joachim-Felix
Leonhard, der als Vorsitzender des deutschen Nominierungskomitees
für das UNESCO-Programm "Memory of the World" als
Beobachter an der Sitzung in Abu Dhabi teilnahm.
Neue Dokumente aus Deutschland im Weltregister
Manuskripte, Briefe und Originaldrucke von Martin Luthers Schriften
zählen jetzt zum Dokumentenerbe der Welt. Die frühen
Schriften der Reformationsbewegung, darunter ein Handexemplar Luthers
der Hebräischen Bibelausgabe und ein Plakatdruck der 95 Ablassthesen,
sind Zeugnisse der Reformationsbewegung, die ihren Ursprung im
16. Jahrhundert in Wittenberg hatte. Sie entfaltete innerhalb kurzer
Zeit eine kritische Überzeugungskraft: Ein zunächst religiös-kirchlicher
Impuls entwickelte sich zu einer gesellschaftlichen Erneuerungsbewegung
mit grenzüberschreitendem Charakter. Das Nominierungsdossier
wurde vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte
in Mainz in Kooperation mit Lutherforschern aus der ganzen Welt
erarbeitet.
Auch das Manuskript der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach
zählt jetzt zum Gedächtnis der Menschheit. Bach verfasste
es kurz vor seinem Tod in den Jahren 1748 und 1749. Die auf 99
Seiten niedergeschrieben Messe in h-Moll steht in einzigartiger
Weise für das gesamte kompositorische Werk Bachs. Sie ist
ein Meilenstein der Musikgeschichte in Bezug auf Satztechnik, Wort-Ton-Verhältnis
sowie auf ihre ästhetisch und theologisch durchdachte musikalische
Gesamtform. Die h-Moll-Messe steht somit in nuce für die Kompositionskunst
Bachs. Als eines seiner bekanntesten Werke hat es auch 250 Jahre
nach seiner Entstehung weiterhin Einfluss. Das Nominierungsdossier
wurde von der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer
Kulturbesitz erstellt.
Der von der UNESCO in das Weltregister aufgenommene rubin-besetzte
Goldene Brief des birmanischen Königs Alaungphaya an den britischen
König George II. ist Zeugnis der frühkolonialen Geschichte
Asiens. Am 7. Mai 1756 schrieb der birmanische König Alaungphaya,
der zu den bedeutendsten Potentaten seiner Region gehört,
diesen Brief an König Georg II., in dem er ihm einen Vorschlag
zur Gründung einer Handelskolonie in seinem Machtbereich unterbreitete.
Der Brief aus purem Gold ist das einzige erhaltene Schreiben dieser
Art aus Birma. Er wird in der niedersächsischen Landesbibliothek
in Hannover verwahrt. Die Nominierung ist eine Gemeinschaftseinreichung
der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische
Landesbibliothek, des Kulturministeriums Myanmars und der Nationalbibliothek
des Vereinigten Königreichs.
Auch 64 digitale Sammlungen zur sprachlichen Vielfalt mit audio-visuellen
und schriftlichen Quellen zu 102 Sprachen und Kulturen hat die
UNESCO in das "Memory of the World" Register aufgenommen.
Die Sammlungen stellen einen Meilenstein der internationalen Sprachdokumentation
und -wissenschaft dar. Dokumentationen, insbesondere von als gefährdet
eingestuften Sprachen, beispielsweise in Form von Darstellungen
von Mythen und Legenden, mündlich überliefertem Wissen
oder persönlichen Erzählungen sind Teil der Sammlungen.
Das Dossier wurde von dem Sprachforschungsarchiv (The Language
Archive) des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in
den Niederlanden erstellt. Das Archiv wird von der Max-Planck-Gesellschaft,
der Königlichen Akademie der Wissenschaften Niederlande und
der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften finanziert.
Ergebnisse des von der Volkswagen Stiftung geförderten Forschungsprojekts
zu bedrohten Sprachen sind Teil des Dossiers.
Auch das Buch "Al-Masaalik Wa Al-Mamaalik" aus dem vierten
Jahrhundert zählt jetzt zum Dokumentenerbe der Menschheit.
Abu Ishaq Ebrahim b. Mohammad Farsi Istakhri beschreibt in dem
Buch akkurat die damaligen sozio-ökomischen, kulturellen und
politischen Verhältnisse in islamischen Ländern – von
Indien bis nach Afrika. Die älteste persische Abschrift befindet
sich in der Iranischen Nationalbibliothek Teheran, die älteste
arabische Handschrift des Buches in der Forschungsbibliothek Gotha.
Die Nominierung wurde seitens des iranischen Nationalkomitees eingereicht
und mit Beteiligung der Forschungsbibliothek Gotha der Universität
Erfurt erarbeitet.
Hintergrund
Das UNESCO-Register "Memory of the World" wurde 1992
ins Leben gerufen. Es ist ein globales digitales Netzwerk mit herausragenden
Dokumenten: Buchbeständen, Handschriften, Partituren, Unikaten,
Bild-, Ton- und Filmdokumenten. Ziel des Registers ist: dokumentarische
Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken
und Museen sichern und zugänglich machen. 348 Dokumente aus
allen Weltregionen zählen derzeit zum Weltdokumentenerbe,
darunter die 21 Thesen der Solidarnosc, die Kolonialarchive Benins,
Senegals und Tansanias, die Sammlung indigener Sprachen in Mexiko,
die Archive des Warschauer Ghettos, das älteste noch erhaltene
Manuskript des Korans "Mushaf von Othman" aus Usbekistan
sowie als erste Zeugnisse des Buchdrucks die Göttinger Gutenberg-Bibel
und der koreanische Frühdruck Jikji (Anthologie der Zen-Lehre).
Alle zwei Jahre werden neue Dokumente aufgenommen.
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