24.9.15
Schloss Schwetzingen
Blick in die Schlossgeschichte: Wasserspeier
und frühere Hofstube
entdeckt
Die
vielfältigen Sanierungs- und
Restaurierungsarbeiten am Schwetzinger Schloss bringen zum Teil
unerwartete Entdeckungen mit sich – etwa einen Wasserspeier
aus dem frühen 16. Jahrhundert. Die Steinmetzarbeit hat
sich unter der barocken Verkleidung des linken, nördlichen
Schlossflügels
erhalten. Bei den Arbeiten im Eingangsbereich stieß man
auf die Mauern der Hofstube aus dieser Zeit. Bemerkt hat die
außergewöhnlichen
Funde aus der Schlossgeschichte Wolfgang Schröck-Schmidt,
ein Mitarbeiter im Schwetzinger Team der Staatlichen Schlösser
und Gärten (Bild rechts: © ssg) Ein Drache, der einst Wasser spie
Ohne ihn wäre der in Stein gehauene Drachenkopf an der Schwetzinger
Schlossanlage wohl gar nicht aufgefallen: Wolfgang Schröck-Schmidt
arbeitet seit mehr als 20 Jahren für die Staatlichen Schlösser
und Gärten Baden-Württemberg im Schwetzinger Schloss.
Aus purem Interesse beobachtete der 55-jährige Kunsthistoriker
die aktuell laufenden Restaurierungsarbeiten – und machte
dabei eine Entdeckung. An einer Baunaht an der Westfassade, zwischen
dem Renaissancebau und dem Anbau des 18. Jahrhunderts, wurde er
auf einen historischen Wasserspeier unterhalb des Daches aufmerksam. „Der
behauene Buntsandsteinblock war gut versteckt unter einer barocken
Blechverkleidung“, erklärt Wolfgang Schröck-Schmidt. „Er
stammt aus der Zeit der Erbauung des linken Flügels der Schlossanlage,
also etwa aus der Zeit von 1520 bis 1530.“ Der Wasserspeier
hat die Gestalt eines Drachenkopfes. Das Wasser floss aus seinem
Maul und sprühte wohl im weiten Bogen in den Schlossgraben.
Engagement und Forschergeist
Der Schwetzinger Wasserspeier ist kein bedeutendes Kunstwerk – aber
er ist ein Zeugnis aus jenen Jahrhunderten, bevor das Schloss sein
barockes Aussehen bekam. Für die Staatlichen Schlösser
und Gärten Baden-Württemberg bedeutet der Fund des Wasserspeiers
einen „Erkenntnisgewinn“, wie Michael Hörrmann,
der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und
Gärten, es formuliert. „Solche neuen Entdeckungen helfen
uns, die Anschaulichkeit unserer Führungen in den Schlössern
zu erhöhen“. Und er merkt an: „Erfreulicherweise
treffen wir in vielen der Schlösser, Klöster und Gärten
auf ein so hohes Engagement bei den Mitarbeitern. Einfach nur ein ‚Job‘ ist
die Tätigkeit für eines der Monumente des Landes für
keinen.“ Und er dankt dem engagierten Schwetzinger Schlossexperten: „Wolfgang
Schröck-Schmidts Aufmerksamkeit ist es zu verdanken, dass
wir von diesem Wasserspeier am Schloss wissen.“
Renaissance-Wasserspeier am "Ludwigsbau", dem Jagdschloss des Kurfürsten
Ludwig V.. Foto: ssg Ein weiterer Fund: Hofstube aus dem 16. Jahrhundert
Der Wasserspeier ist nicht der einzige Fund, der bei den Bauarbeiten
zu Tage trat. Als bei den Sanierungsarbeiten im heutigen Eingangsbereich
in der Mitte des Schlossbaus eine Zwischenmauer entfernt wurde,
trat die Geschlossenheit eines großen Raumes erstmals wieder
zutage. Es handelt sich dabei um die sogenannte Hofstube, einen
Speisesaal vom Beginn des 16. Jahrhunderts (Bild unten). In dem
beheizbaren Raum hatten gut 60 Menschen an Tischen und auf Bänken
Platz. Aus zeitgenössischen Dokumenten weiß man, dass
in solchen Sälen gemeinsam gegessen wurde: Auf einem Podest
saß die Herrschaft mit den Burgverwaltern, Hofleute und
Gesinde saßen abgestuft nach Rang an den Tischen.
Das Schloss war schon im 16. Jahrhundert bedeutend
Nach diesem Fund muss die Bedeutung des Schwetzinger Schlosses
in der Zeit der Renaissance wohl neu bewertet werden. Schlossexperte
Wolfgang Schröck-Schmidt schließt aus der Größe
des Saales, dass bereits zu dieser Zeit in Schwetzingen die Hofhaltung
eine beachtliche Größe hatte. Und er folgert daraus,
dass Kurfürst Ludwig V. (1508-1544) dem damals noch unbedeutenden
Ort Schwetzingen durchaus eine repräsentative Funktion zugedacht
hatte, ablesbar an Größe seines Renaissanceschlosses.
Sein imposanter Neubau bekam auf der Stadtseite zwei große
Türme, von denen sich einer im jetzigen Schlossbau erhalten
hat. Der Bau, drei Stockwerke hoch ausgeführt, hat sich
als Teil des barocken Schlosses in seinen Außenmauern erhalten.
Gut möglich, dass während der großen Reichstage
in Worms 1521 und in Speyer im Jahr 1529 das Schwetzinger Schloss
ein Ort des Rückzugs war „für die gestressten
Kurfürsten“, wie Wolfgang Schröck-Schmidt es
für die Schlossbesucher aus moderner Sicht erklärt.
Damals residierte hier sogar allerhöchste Prominenz: Kaiser
Karl V. hielt sich am 3. Dezember 1530 in Schloss Schwetzingen
auf.
Fassadenarbeiten schreiten planmässig voran
Seit September 2014 ist das Schlossmuseum wegen der Fassadenarbeiten
und Umbauten geschlossen. Derzeit sind noch die Sandsteinarbeiten
an der westlichen Schlossfassade im Gang. Sie werden im September
2015 abgeschlossen. Anschließend folgen als nächstes
Gewerk die Malerarbeiten. Bei den Sanierungsarbeiten wurde festgestellt,
dass die Fassade durch die Witterung stärker geschädigt
ist als bisher angenommen: Fast jeder Stein musste ausgebessert
werden. Sandra Moritz, die Leiterin der Schlossverwaltung, betont,
dass dennoch alle Arbeiten im Zeitplan sind. Für den Frühsommer
2016 ist die Wiedereröffnung des bis dahin wieder eingerichteten
Schlosses geplant. Sandra Moritz: „Auch während der
Sanierung finden alle Veranstaltungen wie gewohnt statt. Lediglich
das Schlossmuseum ist bis 2016 nicht zugänglich.“
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