15.12.14 27 Kulturformen ins deutsche Verzeichnis des immateriellen
Kulturerbes aufgenommen
Genossenschaftsidee wird der UNESCO als erste internationale
Nominierung vorgeschlagen
(unesco_d)
Deutschland nimmt 27 Traditionen und Wissensformen in sein neues
bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf und
setzt damit das entsprechende UNESCO-Übereinkommen um. Zu
den lebendigen Traditionen, die die Kriterien erfüllen,
zählen zum Beispiel das Chorsingen, die Morsetelegrafie,
die Flößerei und die Orgelbautradition. Außerdem
nominierten die Experten aus den 27 Kulturformen die Genossenschaftsidee
für die internationale "Repräsentative Liste des
immateriellen Kulturerbes der Menschheit". Die Kultusministerkonferenz
unter Leitung der Präsidentin, Nordrhein-Westfalens Schulministerin
Sylvia Löhrmann, und die Staatsministerin für Kultur
und Medien, Monika Grütters, haben am 11. Dezember 2014
die Empfehlungen eines unabhängigen Expertenkomitees bestätigt.
"Das bundesweite Verzeichnis ist ein Spiegelbild der kulturellen
Vielfalt in Deutschland. Und es macht gleichzeitig deutlich,
mit welchem großartigen Engagement die Zivilgesellschaft
traditionelle kulturelle Bräuche und Techniken bis heute
pflegt, modern interpretiert und an nachfolgende Generationen
weitergibt", sagte KMK-Präsidentin Sylvia Löhrmann.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonte: "Das
immaterielle kulturelle Erbe steht für unsere lebendige
Alltagskultur. Sie ist Ausdruck der kulturellen Vielfalt in Deutschland
und soll dazu beitragen, dass gelebte Traditionen, die das Selbstverständnis
der Kulturnation Deutschland prägen, erhalten, fortgeführt
und weiterentwickelt werden. Auch für zukünftige Generationen
wird durch eine Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis das öffentliche
Bewusstsein für diese Traditionen gestärkt."
Deutschland wird seine erste Nominierung bei der UNESCO im März
2015 einreichen. Die Aufnahme der Genossenschaftsidee würde
der internationalen Vielfalt des immateriellen Kulturerbes eine
neue Facette hinzufügen. Bislang ist eine solche Form der
gesellschaftlichen Selbstorganisation auf den UNESCO-Listen nicht
vertreten. Die Genossenschaftsidee wurde gemeinsam von Gruppen
aus Rheinland-Pfalz und Sachsen vorgeschlagen und mit Empfehlungen
beider Länder weitergeleitet. Insgesamt waren 83 Traditionen
und Wissensformen nach einer Auswertung durch die Bundesländer
in der engeren Wahl. Zu den ersten Aufnahmen in Deutschland gehören
auch regionale Bräuche wie die Lindenkirchweih in Limmersdorf
(Franken), das friesische Biikebrennen und der rheinische Karneval.
Das Expertenkomitee bei der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK)
bewertete die 83 Vorschläge anhand fachlicher Kriterien.
Neben den 27 aufgenommenen Kulturformen befinden sich 22 weitere
Vorschläge noch im Verfahren. Davon sind 13 wegen fehlender
Informationen zurückgestellt worden, 9 Anträge liegen
für ein Register "Guter Praxisbeispiele" vor,
mit denen sich das Expertenkomitee 2015 befassen wird. 34 Vorschläge
wurden nicht zur Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis empfohlen.
Alle 27 Gruppen, die ab sofort mit ihrer Tradition oder Wissensform
im bundesweiten Verzeichnis vertreten sind, können fortan
für ihre nicht-kommerzielle Arbeit ein Logo nutzen. Es steht
für das Motto der Konvention in Deutschland: "Wissen.
Können. Weitergeben." Die nächste Bewerbungsrunde
für das bundesweite Verzeichnis startet im Frühjahr
2015.
27 Aufnahmen in das bundesweite Verzeichnis:
Chormusik in deutschen Amateurchören (länderübergreifend,
verantwortlich Nordrhein-Westfalen)
Sächsische Knabenchöre (Sachsen)
Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung (länderübergreifend,
verantwortlich Nordrhein-Westfalen)
Moderner Tanz – Stilformen und Vermittlungsformen der Rhythmus- und Ausdruckstanzbewegung
(länderübergreifend, verantwortlich Baden-Württemberg)
Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft (länderübergreifend, verantwortlich
Nordrhein-Westfalen)
Niederdeutsches Theater (länderübergreifend, verantwortlich Niedersachsen)
Passionsspiele Oberammergau (Bayern)
Peter-und-Paul-Fest Bretten (Baden-Württemberg)
Malchower Volksfest (Mecklenburg-Vorpommern)
Schwäbisch-Alemannische Fastnacht (Baden-Württemberg)
Rheinischer Karneval mit all seinen lokalen Varianten (Nordrhein-Westfalen)
Falknerei (länderübergreifend, verantwortlich Nordrhein-Westfalen)
Gesellschaftliche Bräuche und Feste der Lausitzer Sorben im Jahreslauf
(länderübergreifend, verantwortlich Sachsen)
Biikebrennen (Schleswig-Holstein)
Lindenkirchweih Limmersdorf (Bayern)
Auseinandersetzung mit dem Rattenfänger von Hameln (Niedersachsen)
Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle (Sachsen-Anhalt)
Genossenschaftsidee (länderübergreifend, verantwortlich Rheinland-Pfalz)
Deutsche Brotkultur (länderübergreifend, verantwortlich Berlin)
Finkenmanöver im Harz (Sachsen-Anhalt)
Flößerei (länderübergreifend, verantwortlich Bremen)
Morsetelegrafie (länderübergreifend, verantwortlich Rheinland-Pfalz)
Orgelbau und Orgelmusik (länderübergreifend, verantwortlich Baden-Württemberg)
Köhlerhandwerk und Teerschwelerei (länderübergreifend, verantwortlich
Sachsen)
Vogtländischer Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung (Sachsen)
Reetdachdecker-Handwerk (Mecklenburg-Vorpommern)
Handwerksgesellenwanderschaft Walz (länderübergreifend, verantwortlich
Baden-Württemberg)
Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation
und den Erhalt von Kulturformen, die von Generation zu Generation
weitergegeben werden. Mehr als 350 Bräuche, Darstellungskünste,
Handwerkstechniken und Naturwissen aus aller Welt stehen derzeit
auf den drei UNESCO-Listen, darunter der Tango aus Argentinien
und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin und die italienische
Geigenbaukunst. Bis heute sind 161 Staaten der UNESCO-Konvention
zum immateriellen Kulturerbe beigetreten.
Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat. Die Konvention sieht
vor, dass jedes Beitrittsland zunächst ein nationales Verzeichnis
erstellt. Zum immateriellen Kulturerbe zählen lebendige
Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen,
Naturwissen und Handwerkstechniken. Wichtig ist, dass die Tradition
oder der Brauch bereits über Generationen betrieben werden
und in ihrer Ausübung auch in Zukunft gesichert sind.
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