Nachrichten und Notizen aus dem Kulturebe
 
 

In Landeskunde online:

Imperium der Götter

   Nachrichten Landeskunde Kulturerbe Baden-Württemberg Museen Museum Heidelberg Mannheim Karlsruhe Freiburg Schlösser Gärten Denkmalschutz Badische Heimat
 

Einkaufen bei Landeskudne online

30.1.14

Im Badischen Landesmuseum Karlsruhe

Wieder vereint: das Mithrasrelief von Tor Cervara im BLM und der UNESCO Kulturgüterschutz

(blm) Nahezu ungeheuerlich ist die Geschichte des einzigartigen Mithrasreliefs von Tor Cervara (Rom): durch eine Fliegerbombe zertrümmert, einzelne Teile geraubt und verkauft und die Überreste weggesperrt im Depot eines römischen Museums. Hier fristete das Relief sein Dasein bis jetzt. Aber nun konnte das fehlende Hauptstück – der Kopf des Mithras, der sich heute im Badischen Landesmuseum Karlsruhe befindet – eindeutig zugeordnet werden. Die Soprintendenza Speciale i beni archeologici di Roma und das BLM haben da-raufhin beschlossen, das zwei Tonnen schwere Kultrelief in einem kulturpolitisch bedeutsamen Akt wieder zusammenzusetzen und erstmalig der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damit werben die zwei Institutionen für den Kulturgüterschutz und sensibilisieren für ein bewussteres Sammeln von Antiken.

Mithrasrelief von Tor Cervara (Rom), 150 n. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Fotos: Thomas GoldschmidtDer Karlsruher Mithraskopf
Im Jahre 1976 erwarb das Badische Landesmuseum Karlsruhe im Schweizer Kunsthandel einen einzigartig qualitätvollen Mithraskopf. Vor dem Kauf bewiesen umfassende Recherchen, unterstützt durch einige Archäologen in Bern, dass weder Herkunft noch weitere Teile des Reliefs ausfindig zu machen waren. Bereits ein Jahr später publizierte das BLM den Kopf in den Erwerbungs-berichten, dem Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg.

Elf Jahre später, also 1987, sollte eine glückliche Fügung mehr Licht in die Geschichte des Reliefs bringen: Auf der Suche nach einem anderen Kunstwerk für eigene Forschungsarbeiten besuchte der Berner Archäologe Rolf Stucky die Depots des Thermenmuseums in Rom. Zufällig stieß er hier auf ein fragmenta-risches Mithrasrelief, das ihn sofort an den Mithraskopf des BLM denken ließ. Besonders vertraut war ihm das Karlsruher Stück durch eine Kopie aus seinem Archäologischen Institut in Bern, die von einer Schweizer Kunsthändlerin vor dem Verkauf angefertigt worden war. Angeregt durch diesen Abguss sowie einen wissenschaftlichen Artikel von Caronna vermutete er als Erster, dass der Karlsruher Kopf zum Relief aus Tor Cervara gehörte.

Mit Hilfe von Michael Maaß, dem damaligen Leiter der Antikensammlung des Ba-dischen Landesmuseums, der ihm Bilder und Maße des Kopfes zur Verfügung stellte, wagte Stucky eine erste Zusammenführung von Kopf und Relief – allerdings nur in Form einer Kollage auf Papier. Das Ergebnis war so überzeugend, dass man sich daraufhin in Karlsruhe dafür entschied, mit den zuständigen Behörden in Rom über eine mögliche reale Zusammenführung zu verhandeln.

Mit der Zuordnung wurde nun auch mehr über das Schicksal des Reliefs von Tor Cervara bekannt: 150 n. Chr. für eine Kulthöhle geschaffen, diente es einer Gemeinde von Mithrasanhängern. Mit Einführung des Christentums und der Abkehr von den alten römischen Gottheiten Ende des 4. Jahrhunderts endete wohl die Nutzung dieses Mithräums. Von nun an blieben die Höhle und das Kultrelief nahezu 1500 Jahre unbenutzt und unentdeckt. Den größten Schicksalsschlag erfuhr das Relief 1943 bei der Bombardierung Roms durch die amerikanische Luftwaffe. Eine Fliegerbombe schlug in das Mithräum ein und der Druck der Detonation zersprengte das Kunstwerk in viele Einzelteile.

Mithrasrelief von Tor Cervara (Rom), 150 n. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Fotos: Thomas Goldschmidt

Mitte der sechziger Jahre entdeckte ein für die Aufräumarbeiten der Kriegsschä-den eingesetzter Beamte die Kulthöhle unterhalb eines Bombentrichters. Nach dem Fund heller Marmorfragmente verständigte er sofort die Soprindendenz, das Denkmalamt in Rom. Im Museo Nazionale Romano, Terme di Diocleziano (kurz: Thermenmuseum), widmeten sich die Restauratoren dem Puzzlespiel, die Teile zu einem Ganzen zusammenzusetzten. Zu ihrem Bedauern fehlten einige Teile: Besonders schmerzlich war der Verlust des Hauptstücks, des Mithraskopfes mit einem Teil des Oberkörpers. Man vermutete, dass durch die Detonation die fehlenden Stücke zu Kleinstteilen und Staub zerfallen und unwiederbringlich verloren waren. Die Ergebnisse wurden publiziert im Bullentino dell´Arte von 1965. Bis jetzt wurde das Relief aufgrund seines fehlendes Hauptstückes nie der Öffentlichkeit präsentiert.

Wenn man annimmt, dass die Fragmentierung des ursprünglich aus einem Marmorblock gearbeiteten Reliefs durch die Bombenexplosion geschah, kann der Kopf nur im Zeitraum nach der Explosion 1943 und vor dem Wiederauftauchen des Reliefs im Mai 1964 aus der Höhle „entnommen“ worden sein. Die Höhle bzw. das Mithrasheiligtum lag in einem umzäunten Gebiet, das vom Sprengkommando/Kampfmittelräumdienst kontrolliert wurde und war somit nicht frei zugänglich. Es ist folglich davon auszugehen, dass die Entwendung des Kopfes und die Überführung in die Schweiz anschließend ohne behördliche Genehmigung und ohne Ausfuhrpapiere erfolgte.

Wem der Kopf gehört, ob der Kauf damals rechtmäßig war, wie also die Besitz-verhältnisse sind, ist nicht vollends geklärt. Die erste UNESCO-Konvention, das „Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ wurde 1970 verabschiedet, zunächst jedoch nur von wenigen Ländern unterzeichnet. Zum Zeitpunkt des Erwerbs 1976 wurde in Deutschland noch kein Herkunftsnachweis verlangt. Deutschland hatte noch nicht unterzeichnet. Einfuhrpapiere waren lediglich von der Schweiz nach Deutschland erforderlich und diese sind tatsächlich vorhanden. Zudem wurde der Kopf nicht vermisst, galt er doch als „zerbombt“. Der Erwerb und Besitz des Kopfes waren aus deutscher Sicht legal. Und hätte der aufmerk-same Archäologe Stucky die Zusammengehörigkeit nicht erkannt, würde der Kopf für die Römer weiterhin als verloren gelten

Erst im Jahre 2007 unterzeichnete Deutschland die UNESCO-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes. Das Gesetz regelt die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter: Es besagt, dass Kulturgüter, die nach 1992 in das Bun-desgebiet unrechtmäßig eingeführt wurden, von den Herkunftsländern zurückge-fordert werden können. Dies ist eine klare juristische Regelung, die als Instrument zur Eindämmung des illegalen Antikenhandels sehr zu begrüßen ist. Erst bei Objekten, die nach 1992 das Ursprungland verlassen haben, greift die UNESCO-Konvention und eine Rückgabeforderung kann wirksam werden. Wie aber ist mit dem Zeitraum zwischen 1970 und 1992 umzugehen? Das Problem war zwar bekannt, aber eine rechtliche Regelung bestand noch nicht. Eine allge-mein verbindliche Empfehlung, was in solchen Fällen zu tun ist, gibt es nicht.

Langer Weg der Réunion
Seit knapp drei Jahrzehnten bemühen sich die Kuratoren der beiden Museen um eine Zusammenführung des bedeutenden Reliefs. Lange Zeit stand jedoch die Frage nach dem rechtmäßigen Besitz des Kopffragments im Wege. Das Badische Landesmuseum sowie die Soprintendenza Speciale i beni archeologici di Roma haben sich zu einer Geste des Aufeinander-Zugehens geeinigt: Das BLM wird das fehlende Stück nach Beendigung der Sonderausstellung „Imperium der Götter“ dem Thermenmuseum als Langzeitleihgabe für 10 Jahre zur Verfügung stellen. Die Generaldirektion erkennt dem BLM für denselben Zeitraum als Gegenleihgabe ein anderes römisches Objekt aus dem Thermenmuseum zu.

Mithrasrelief von Tor Cervara (Rom), 150 n. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Fotos: Thomas Goldschmidt

Parallel zu dieser Geste wird das Relief nun endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Darüber hinaus soll durch die Bekanntmachung der schicksalhaften Geschichte des Reliefs auf den leider noch immer sehr ausgeprägten illegalen Kunsthandel mit Antiken aufmerksam gemacht werden. Im Interesse aller Betei-ligten liegt es jedoch nicht, zu fordern, dass alle jemals ausgeführten Antiken wieder in ihr Ursprungsland zurückzuführen sind: Das Sammeln von antiken Objekten ist ein Teil der europäischen Gesellschaftsgeschichte. Es ist vielmehr ein Aufruf, dass beim Erwerb von antiken Objekten durch Privatleute oder Museen, die Richtlinien der UNESCO-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes eingehalten werden.

Das Mithrasrelief ist bis 18. Mai im Oberen Foyer des Karlsruher Schlosses zu sehen (Eintritt kostenfrei).

Bilder: Mithrasrelief von Tor Cervara (Rom), 150 n. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Fotos: Thomas Goldschmidt

 
Startseite | Service | Aktuelles | ZUM
Texte der Veranstalter, ohne Gewähr © Landeskunde online 2014