2.12.14
Spuren frühester Bauern: jungsteinzeitliche Siedlung
bei Kirchheim/Teck
Archäologen des Landesamts für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
graben seit Sommer, unterstützt
durch moderne Fotodrohnen |
Grabungsleiter Dr. Jörg Bofinger
stellte jetzt erste Grabungsergebnisse vor |
Ausgrabungen im Hegelesberg in enger Kooperation und
vielfältiger Unterstützung mit der Stadt Kirchheim/Teck
(rps) Die große Kreisstadt Kirchheim unter Teck wird das
Gewerbegebiet Hegelesberg mit einer Gesamtfläche von 8,3 Hektar
und einer Bauplatzfläche von knapp 7 Hektar erschließen.
Die vermutlichen Baukosten für die Erschließung wurden
derzeit auf rund 5,1 Millionen Euro berechnet. Mit den voraussichtlich
15 Monaten dauernden Bauarbeiten soll Ende Januar 2015 begonnen
werden.
Die Planung hatte einen hohen Abstimmungsaufwand und erfolgte
in enger Koordination mit allen an der Planung fachlich Beteiligten.
So wurde aus Gründen des Natur- und Artenschutzes im Vorfeld
für die im beplanten Gebiet vorhandenen Zauneidechsen neue
Habitatflächen geschaffen und die Zauneidechsen umgesiedelt.
Weiterhin gab es Hinweise, dass im Plangebiet eine Siedlungsstelle
des älteren Neolithikums vorhanden sein könnte und eine
Vorsondierung durch das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
Stuttgart erfolgte. Nach ersten Baggersondagen zur Erkundung des
Siedlungsgeländes war klar, dass im Areal des geplanten Gewerbegebiets
am „Hegelesberg“ eine Siedlung aus der Jungsteinzeit
liegt, die im Vorfeld der Bau- und Erschließungsmaßnahmen
ausgegraben werden muss, berichtete Grabungsleiter Dr. Jörg
Bofinger beim Pressetermin auf der Grabung.
Seit Sommer graben Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege
im Regierungspräsidium Stuttgart diese jungsteinzeitliche
Siedlung aus. Ziel ist es, die Siedlungsstrukturen einer der frühesten
bäuerlichen Siedlungen im Land zu dokumentieren und das Fundmaterial
zu bergen. Bei diesen Arbeiten wird auf einer Fläche von 25
000 Quadratmetern das gesamte prähistorische Siedlungsareal
des ehemaligen Dorfes erfasst. Die Ausgrabung wird voraussichtlich
im Sommer 2015 abgeschlossen werden können und kann parallel
zu den im Winter 2014/2015 beginnenden Erschließungsbauarbeiten
erfolgen.
Einzelne Fundstücke aus diesem Gebiet waren bereits seit
den 1930er Jahren immer wieder entdeckt worden und beim Ausbau
des Radwegs an der Nürtinger Straße konnte in den 1990er
Jahren ein kleiner Ausschnitt der Siedlungsfläche dokumentiert
werden.
Bei den aktuellen Ausgrabungen werden modernste Methoden der Feldarchäologie
angewendet. Grabungsleiter Dr. Jörg Bofinger erläuterte
den innovativen Einsatz von Fotodrohnen zur Dokumentation der Ausgrabungsflächen
aus der Luft: „Innerhalb weniger Flugminuten lassen sich
aus etwa 20 bis 30 Metern Höhe viele einzelne Fotos aufnehmen,
aus denen dann mittels spezieller Computerprogramme millimetergenaue,
dreidimensionale Grabungsplänen berechnet werden können.“ So
wurden bereits mehrere Hausgrundrisse der Siedlung, die im Laufe
der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends vor Christus errichtet
wurde, aufgedeckt. Der Experte ist optimistisch: „Im Laufe
der Ausgrabungen wird es gelingen, den vollständigen Plan
des jungsteinzeitlichen Dorfes Stück für Stück zu
doku-mentieren.“
Im Boden zeichnen sich die Spuren der Holzpfosten der bis zu 30
Meter langen Häuser deutlich ab und es lassen sich die Standorte
und Grundrisse der einzelnen Gebäude feststellen. Die stellenweise
noch über einen Meter tief erhaltenen ehemalige Vorrats- und
Abfallgruben zwischen den Hausplätzen bargen u. a. auch Reste
des Wandverputzes aus Lehm. Diese Funde zeigen, dass die Hauswände
aus Flechtwerk konstruiert waren, das zur Abdichtung mit Lehm verschmiert
wurde. In verbrannten Stücken des Wandverputzes haben sich
Abdrücke der Wandkonstruktion erhalten. Weiterhin können
die einstigen Abfallgruben für die Archäologen heute
wichtige Erkenntnisse liefern, denn der ehemalige Siedlungsabfall
in Form von Keramikscherben, Steinwerkzeugen oder Speiseresten
gewährt interessante Einblicke in die Lebensweise vor etwa
7000 Jahren.
Tausende von einzelnen Scherben geben aufgrund ihrer typischen
Machart, Gefäßformen und Verzierungsmuster Hinweise
auf die chronologische Einordnung der Siedlung und so lässt
sich das Dorf der frühesten bäuerlichen Kultur in Mitteleuropa,
der sogenannten „Linearbandkeramischen Kultur“ zuordnen.
Die Kultur ist benannt nach der typischen Verzierungsweise der
Keramikgefäße mit eingeritzten bandförmigen Mustern
und datiert in die zweite Hälfte des 6. Jahrtausends vor Christus.
Die Ausgrabungen im geplanten Gewerbegebiet Hegelesberg werden
in enger Kooperation und vielfältiger Unterstützung mit
der Stadt Kirchheim/Teck durch-geführt. An den anfallenden
Kosten der Rettungsgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege
im Regierungspräsidium Stuttgart beteiligt sich die Stadt
Kirchheim unter Teck mit 356.000 Euro.
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