5.7.13
Der Löwenmensch aus dem Lonetal wird restauriert
und vervollständigt
Landesarchäologie: Ein gigantisches Puzzle um die
größte
aller eiszeitlichen Figuren
(rps)
Am vergangenen Mittwoch stellte der Stuttgarter Regierungspräsident
Johannes Schmalzl gemeinsam mit dem Abteilungspräsident des
im Stuttgarter Regierungspräsidium
angesiedelten Landesamtes für Denkmalpflege Prof. Claus Wolf
die Restaurierungsarbeiten an einem der ältesten Kunstwerke
der Menschheit vor. Schmalzl betonte, dass die Landesdenkmalpflege
für eine solche Herausforderung prädestiniert sei und
in der Archäologie sowohl über das notwendige Know-How
als auch über entsprechende Erfahrung verfüge, um diese
einzigartige Figur, deren Erhaltungsbedingungen komplex seien,
bearbeiten zu können. „Eines der ältesten und geheimnisvollsten
Kunstwerke der Menschheit aus Baden-Württemberg verändert
aufgrund neuer Funde in der Restaurierungswerkstatt sein Aussehen.
Damit wird uns diese geheimnisumwitterte Figur eines Mischwesens
aus Höhlenlöwe und Mensch in einem neuen Erscheinungsbild
entgegentreten“, so der Regierungspräsident.
Aus den vier Höhlen Hohlenstein, Vogelherd, Geißenklösterle
und Hohle Fels auf der Schwäbischen Alb stammen die ältesten,
bisher bekannten Kunstwerke und Musikinstrumente der Welt! Diese
faszinierenden Schnitzereien wurden fast ausschließlich aus
Mammutelfenbein hergestellt und sind zwischen 35.000 und 40.000
Jahre alt. Die bislang mit etwa 30 cm Höhe größte
aller eiszeitlichen Figuren ist der Löwenmensch aus dem Hohlenstein-Stadel
im Lonetal bei Asselfingen.
„Am letzten Grabungstag 1939, kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges,
begann der archäologische Krimi – die Geschichte des
Löwenmenschen“, so Abteilungspräsident Prof. Claus
Wolf. Am 25. August 1939 wurden über 200 Fragmente gefunden,
ohne deren Bedeutung zu erahnen. Damals wurden diese Fragmente
zwar als bearbeitet erkannt, aber nicht weiter beachtet. Erst Ende
der 1960iger Jahre bemerkte ein Archäologe, dass die Fragmente
zu einer Figur gehören und setzte diese zusammen. Die Zusammensetzung
zeigte zwar ein Mischwesen, aber gerade die charakteristische Gesichtspartie
fehlte. In den folgenden Jahrzehnten fanden sich unter mysteriösen
Umständen weitere Fragmente, die eindeutig zu der Figur gehören.
Diese konnten hauptsächlich im Kopfbereich angesetzt werden.
Die erste professionelle Restaurierung fand Ende der 1980iger Jahre
im Württembergischen Landesmuseum statt. Der Zustand dieser
Restaurierung wurde bis 2012 unverändert beibehalten.
Im Stadel finden seit 2009 gezielte Nachgrabungen des Landesamtes
für Denkmalpflege unter der Leitung von Prof. Claus-Joachim
Kind statt. Momentan wird wegen der universellen Bedeutung der
Kunstwerke aus den Alb-Höhlen vom Ministerium für Finanzen
und Wirtschaft als oberste Denkmalschutzbehörde ein Antrag
zur Aufnahme der genannten Höhlen in die Welterbeliste der
UNESCO vorbereitet. „Deswegen werden die vorhandenen Sedimente
im Stadel dokumentiert. Im gleichen Zug sollte außerdem die
eigentliche Fundstelle des Löwenmenschen lokalisiert werden“,
berichtete Kind. Eine Bestätigung der Arbeiten erfolgte schon
2010 auf dem Fuß, als erste Fragmente gefunden wurden, die
an die Figur angepasst werden konnten. Deshalb wurde die Entscheidung
getroffen, den Löwenmenschen in den Restaurierungswerkstätten
des Landesamtes für Denkmalpflege in Esslingen erneut zu restaurieren.
Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass die neuen Teile den
fragmentarisch vorliegenden Löwenmenschen komplettieren können.
Zu Beginn des gigantischen Puzzles lagen etwa 800 Mammut-Elfenbeinfragmente
vor. Bevor die Anpassungen vorgenommen werden konnten, wurde die
Figur in ihre Einzelteile zerlegt. Diese Mammutaufgabe wird derzeit
von einem Experten-Team um die Löwenmensch-Figur unter der
Leitung von Diplomrestauratorin Nicole Ebinger-Rist bewältigt.
Die Zusammensetzungen gelingen gut und gerade die Fragmente aus
den Nachgrabungen dienen als Schlüsselfunde, um die Löwenmensch-Figur
in ihrer Gesamtheit erfassen zu können. Die Figur wird nach
ihrer Restaurierung auf jeden Fall vollständiger und auch
voluminöser als vorher vorliegen. „Man darf auf die
Ergebnisse der Restaurierung gespannt sein“, so Ebinger-Rist.
Die Ulmer Kulturbürgermeisterin Iris Mann kündigt an,
dass der Löwenmensch in neuer Gestalt ab Mitte November 2013
bis Juni 2014 im Rahmen einer Sonderausstellung im Ulmer Museum
erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird.
Die Direktorin des Ulmer Museum, Dr. Gabriele Holthuis, und der
für die Ausstellung zuständige Kurator Kurt Wehrberger
berichten, dass im Mittelpunkt der Ausstellung „Die Rückkehr
des Löwenmenschen“ nicht allein die beeindruckende Figur,
sondern auch die spannende wie facettenreiche Entdeckungsgeschichte
stehen wird.
Bilder (von oben nach unten):
Rekonstruierte Statuette
Neu aufgefundene Einzelteile
Die Restauratoris bei der Arbeit
Fundsituation in der Lonetalhöhle
Alle Bilder © Landesamt für Denkmalpflege
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