17.9.12
Einsatz für die Natur: Junge Menschen aus
aller Welt pflegen das Naturschutzgebiet Hirschauer Berg
Gemeinsamer Landschaftspflegeeinsatz mit Regierungspräsident
Hermann Strampfer. „Freiwillige und ehrenamtliche Helfer
sind beim Artenschutz unverzichtbar“, so der Tübinger
Regierungspräsident.
12 junge Erwachsene aus Aserbeidschan, Deutschland, Polen, Russland,
Tschechien, der Ukraine und sogar aus Japan helfen in diesem Jahr
wieder bei der Pflege des Naturschutzgebietes „Hirschauer
Berg“ mit. Das diesjährige internationale SCI-Workcamp
(Service Civil International) startete am 8. September 2012. Zwei
Wochen lang werden die Campteilnehmer Gebüsche und Gehölze
roden, Altbäume freistellen, bei den Mäharbeiten helfen
und andere schweißtreibende Arbeiten verrichten. Damit sollen
für die Wärme liebenden und sonnenhungrigen Pflanzenarten
der Magerrasen und Saumgesellschaften, die im besonderen die Schönheit
dieses stadtnahen Naturschutzgebiets prägen, optimale Lebensbedingungen
geschaffen werden. Eine erfahrene Fachfirma leitet die Workcampteilnehmer
an und unterstützt sie bei ihrem freiwilligen und unentgeltlichen
Einsatz für den Naturschutz.
In diesem Jahr bekam das Workcamp tatkräftige
Unterstützung durch Regierungspräsident Hermann Strampfer.
Der Tübinger Regierungspräsident nahm mit Vertretern
des Schwäbischen Heimatbundes an einem gemeinsamen Arbeitseinsatz
teil. Regierungspräsident Strampfer zeigte sich beeindruckt
von dem engagierten Einsatz der international zusammengesetzten
Gruppe: „Es verdient Respekt, dass manche Teilnehmer sogar
ihren Jahresurlaub opfern, um hier mitzuarbeiten“.
Naturschutz und Erhalt der Kulturlandschaft sind keine Selbstverständlichkeit
mehr. Nur wenige Menschen kennen noch aus eigenem Erleben die schweißtreibende
Arbeit an solchen Steilhängen. Umso respektabler ist die Leistung
früherer Generationen bei der Bewirtschaftung derartig schwieriger
Flächen. Heute trägt die Landschaftspflege zum Erhalt
der Artenvielfalt und zur Bewahrung der Kulturlandschaft bei. Der
amtliche Naturschutz kann sich glücklich schätzen, dass
in der Landschaftspflege viele Freiwillige und Ehrenamtliche aus
Vereinen und Verbänden engagiert sind.
Organisiert wird das Workcamp gemeinsam vom Schwäbischen
Heimatbund (SHB) und dem Regierungspräsidium Tübingen,
das 90 % der Kosten in Höhe von 15 000 € für das
Camp übernimmt. Insgesamt stellt das Regierungspräsidium
Tübingen jährlich ca. 40.000 Euro für die Erhaltung
dieses einzigartigen Naturschutzgebietes zur Verfügung. Das
Mähen und Offenhalten der blütenreichen Magerrasen, Entbuschungen
sowie Rodungen nicht lebensraumtypischer und konkurrenzstärkerer
Baumarten gehören dabei zu den wichtigsten Maßnahmen.
Die diesjährigen Arbeiten finden überwiegend im Bereich
der Ammersteige statt. Hier werden die Halbtrockenrasen gemäht.
Daneben werden an den Oberhängen seit langem brach gefallene
Flächen entbuscht.
Wie bereits in den vergangenen Jahren sind die Campteilnehmer
mit Unterstützung der Stadt Tübingen direkt in Hirschau
untergebracht.
Hintergrundinformation:
Schon im 13. Jahrhundert wurde am Hirschauer Berg Weinbau betrieben,
später kam die Streuobstnutzung hinzu. Durch Kriege und
Krankheiten, sowie die mühsame Arbeit an den steilen Hängen
fielen viele der Flächen im Laufe der Zeit jedoch wieder
brach. So konnte sich letztendlich ein reichstrukturiertes Gebiet
entwickeln, das viele seltene und gefährdete Pflanzen und
Tierarten beherbergt. Eine Fülle an verschiedenen Biotoptypen
lässt sich abgrenzen, teils sehr kleinflächig, teils
als größere zusammenhängende Gebiete. Als ein
besonders erhaltenswerter FFH-Lebensraumtyp nehmen die „Magerrasen
basenreicher Standorte einschließlich Saumvegetation, trockenwarmer
Standorte und Gebüsch trockenwarmer, basenreicher Standorte“ fast
10 ha Fläche ein. Besonders hervorzuheben ist das Vorkommen
der Zottigen Fahnenwicke, die als vom Aussterben bedroht gilt
und außer im NSG „Hirschauer Berg“ nur noch
wenige isolierte Vorkommen in Deutschland hat. Auch beherbergt
das Naturschutzgebiet die als extrem selten eingestufte Ungarische
Platterbse. Als faunistische Besonderheit gilt das Vorkommen
der Haarstrangeule, eine Nachtfalterart, die nur in wenigen Gebieten
in Deutschland vorkommt. Das trocken-warm geprägte Klima
der offenen und halboffenen Hänge des NSG „Hirschauer
Berg“ ist Charakteristikum und Grundlage für die Lebensräume
vieler geschützter Tier- und Pflanzenarten.
Eine besondere Gefährdung dieser Lebensräume besteht
durch aufkommende Sukzession, Verbuschung und letztendlich Wiederbewaldung
der Flächen. Auf einigen Teilen des Naturschutzgebietes konnten
sich neophytische - also nicht standortheimische - Pflanzen wie
z.B. die Goldrute ausbreiten. Auch die Robinie, die eigens gepflanzt
wurde, um aus ihrem sehr harten Holz Weinbergspfähle zu machen,
zeigt ein sehr expansives Verhalten.
Der Service Civil International, kurz SCI, ist eine gemeinnützige,
internationale Organisation, die sich durch Freiwilligenarbeit
für Frieden, gewaltfreie Konfliktlösung, soziale Gerechtigkeit,
nachhaltige Entwicklung und interkulturellen Austausch einsetzt.
Der SCI verfügt über ein Netzwerk von über 35 nationalen
Zweigen auf fünf Kontinenten und arbeitet mit etwa 80 Partnerorganisationen
zusammen.
Die Mittel in Höhe von ca. 15.000 € für das Workcamp
werden zu 25% für die Workcampteilnehmer (Unterkunft, Verpflegung,
Programm) und zu 75% für die betreuende Fachfirma, Maschineneinsatz
und Entsorgung des Materials verwendet.
Das Regierungspräsidium finanziert die Maßnahmen auf
landeseigenen oder sonstigen Privatflächen zu 100%, auf den
Flächen des Schwäbischen Heimatbundes wird ein Zuschuss
nach der Landschaftspflegerichtlinie in Höhe von 70% gewährt.
In der Mischkalkulation ergibt sich so ein ca. 90%-iger Anteil
des Landes Baden-Württemberg. |