27.9.12
UNESCO-Welterbe Pfahlbauten
Außergewöhnlicher Fund eines vollständigen
Einbaumes im Federseeried
(rpt) - Das Areal des neuen UNESCO-Welterbes „Prähistorische
Pfahlbauten um die Alpen“ im nördlichen Federseeried
birgt noch viele archäologische Schätze – doch
die Austrocknung des Moores ist in den letzten Jahren rasch vorangeschritten
und bedroht die archäologischen Funde. Seit dem 30. Juli 2012
sind Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium
damit beschäftigt, das nördliche Federseeried mit mittlerweile
mehr als 1500 Bohrungen, Sondagen und Vermessungen archäologisch
zu erkunden. Dabei wurde auch der Einbaum, ein 6 Meter langes Boot
aus Weichholz in 1 Meter Tiefe entdeckt. Er ist zwar in mehrere
Stücke zerbrochen, aber in allen Teilen hervorragend erhalten.
Die Bauart lässt ein jungsteinzeitliches Alter vermuten. Die
im LIFE+-Projekt „Restauration von Habitaten im Federseemoor“ geplanten
Wiedervernässungsmaßnahmen vom Naturschutzreferat des
Regierungspräsidiums Tübingen sollen künftig für
optimale Erhaltungsbedingungen für die international bedeutenden
vorgeschichtlichen Funde sorgen.
Datierungen mit der 14C-Methode und Pollenanalyse werden eine
genaue zeitliche Einordnung ermöglichen. Das Boot wird mit „high
tech“ (Laserscan) dreidimensional dokumentiert und anschließend
wieder mit Torf bedeckt.
Im Vorfeld der geplanten Wiedervernässungsmaßnahmen
führt das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg
umfangreiche Prospektionen durch. Die UNESCO-Welterbestätten Ödenahlen
(Gemeinden Alleshausen und Seekirch) und Alleshausen-Grundwiesen
(Gem. Alleshausen) befinden sich im überplanten Gebiet. Mit
der Wiedervernässung können die Erhaltung des Moores
als Lebensraum seltener Pflanzen und Tiere und gleichzeitig die
Sicherung der Welterbestätten erreicht werden.
Federseegebiet als archäologische Schatzkammer
Das Federseeried (Baden-Württemberg, Kreis Biberach)
gehört zu den besonders bedeutenden Naturschutzgebieten Südwestdeutschlands
und kann als das archäologisch fundreichsten Moor des zirkumalpinen
Raumes gelten. Drei Stationen des neuen UNESCO-Welterbes „Prähistorische
Pfahlbauten um die Alpen“ und zahlreiche assoziierte Fundstellen
liegen in dem 33 km² umfassenden Feuchtgebiet.
Die archäologische Forschung begann hier 1875 mit der Entdeckung
der „Schussenrieder Pfahlbauten“ und brachte in den
1920/30er Jahren mit der vollständigen Aufdeckung mehrerer
Siedlungen der Jungsteinzeit und Bronzezeit neue zukunftsweisende
Grabungs- und Dokumentationstechniken zum Einsatz. Die Arbeit
der 1981 begründeten Arbeitsstelle für Feuchtboden-
und Unterwasserarchäologie
des Landesamtes für Denkmalpflege führte zu zahlreichen
Neuentdeckungen und modernen, interdisziplinären Forschungsprojekten.
Seither wurden in enger Zusammenarbeit von Naturschutz und Denkmalpflege
neue Reservate begründet und Projekte zu Flächenerwerb,
Flächenumlegung und Wiedervernässung umgesetzt. Diese
dienen sowohl dem Erhalt der von Austrocknung bedrohten Feuchtbodensiedlungen,
als auch der Bewahrung und Restaurierung von feuchten Habitaten.
UNESCO-Welterbe „Prähistorische Pfahlbauten
um die Alpen“
Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen
des Alpenvorlandes gehören aufgrund ihrer außergewöhnlichen
Erhaltungsbedingungen unter Wasser und im wassergesättigten
Torf zu den herausragenden archäologischen Fundstätten
in Europa. Aufgrund ihrer Einzigartigkeit und ihrer Bedeutung für
die frühe Geschichte der Menschheit des 5.-1. Jahrtausends
v. Chr. wurden die "Prähistorischen Pfahlbauten um die
Alpen" 2011 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Das internationale
grenzüberschreitende Welterbe umfaßt 111 namentlich
genannt Fundstätten in der Schweiz, Slowenien, Österreich,
Deutschland, Frankreich und Italien. In Deutschland sind es insgesamt
18 Welterbestätten, drei in Bayern, 15 in Baden-Württemberg.
Die baden-württembergischen Fundstätten liegen am Bodensee
und in Oberschwaben. Bereits 2011 wurde das Pfahlbauten-Informationzentrum
Baden-Württemberg in Hemmenhofen ins Leben gerufen und steht
für alle Fragen zum Thema "Prähistorische Pfahlbauten" zur
Verfügung.
Weitere Informationen im Internet unter www.UNESCO-Weltkulturerbe-Pfahlbauten.de. Das Federseegebiet als hochwertiger Bestandteil des europäischen
Naturerbes
EU-Unterstützung für die Renaturierung von Moorflächen
am Federsee
Das Federseemoor ist das größte Moor in Südwestdeutschland
und hat internationale Bedeutung für seltene Tier- und Pflanzenarten.
Auf 30 km² finden sich hier europaweit schutzwürdige
Lebensräume
wie ausgedehnte Niedermoore, kalkreiche Sümpfe, Röhrichte,
Hochmoorreste und naturnahe Moorwälder. Deshalb ist das Federseemoor
Teil des internationalen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Allerdings
bedrohen Entwässerung und intensive Nutzung große Teile
des Gebietes. Bereits von 1998 bis 2002 wurden in einem ersten
EU-geförderten LIFE-Projekt 250 Hektar Moorwiesen renaturiert,
schwerpunktmäßig im südlichen Federseeried. Im
aktuellen LIFE+-Projekt „Restauration von Habitaten im Federseemoor“,
das seit Januar 2009 läuft, sollen weitere 150 Hektar Moorflächen
wiedervernässt werden, diesmal vor allem im nördlichen
Federseeried. Projektträger ist das Regierungspräsidium
Tübingen. Auf den renaturierten Moorflächen können
sich wieder moortypische Pflanzen und Tiere ansiedeln und standortgemäße
Lebensgemeinschaften bilden. Die schleichende Zersetzung des
trockenen Torfes durch Mikroorganismen wird gestoppt. Mittelfristig
kann sich wieder neuer Torf bilden. Dadurch werden nicht nur die
archäologischen Bodendenkmäler geschützt, es wird
auch CO2 aus der Atmosphäre gebunden – ein wichtiger
Beitrag zum Klimaschutz.
Infos zu den LIFE-Projekten am Federsee: www.NABU-Federsee.de |