10.3.11
Tabu, Hygiene, Schönheit: Ausstellung in
Kloster Schussenried gibt ab 1. April ungewöhnliche Einsichten
in den Alltag früherer Jahrhunderte
Vom Nachttopf bis zum Reisenecessaire und vom Stuhlgang bis
zur Toilette: In Kloster Schussenried kann man ab dem 1. April
einen Blick auf das werfen, worüber man normalerweise nicht
redet. Die Staatlichen Schlösser und Gärten öffnen
ihre Depots und die verborgenen Tapetentüren in den Schlössern.
Und was dabei an verblüffenden Gegenständen zum Vorschein
kommt, das rückt eine ganze geheime und vergessene Welt
ins Licht. Wie war das früher mit dem Waschen und den Hygienevorstellungen?
Wie lebte man in Häusern ohne Wasserspülung? Badete
die vornehme Welt? In Schussenried kann man historische Stücke
erleben, die Antwort geben auf diese Fragen. Zur Ausstellung
liegt jetzt ein informativer Prospekt der Staatlichen Schlösser
und Gärten vor. Informationen gibt es auch im Internet:
www.kloster-schussenried.de.

Zumeist aus dem Blick geraten: Das sind die Dinge des Alltags
aus früheren Jahrhunderten. Erhalten und bekannt sind große
Kunstwerke, Meisterwerke berühmter Kunsthandwerker, Kostbarkeiten
aus wertvollen Materialien. Sehr viel weniger kennt man das schlichte
Werkzeug, mit dem die Menschen früher das normale Leben
bewältigten. Vor allem, wenn es sich um einen Aspekt des
Lebens handelte, der sich im Privaten abspielt. Oder gar mit
Tabus belegt ist! Die Geschichte der Reinlichkeit – das
ist eindeutig ein solcher Lebensbereich. Die Staatlichen Schlösser
und Gärten haben jetzt für eine Ausstellung lange verschlossene
Türen in den Schlössern geöffnet. Verborgen in
Nebenräumen – oder fachkundig verwahrt in den Depots
der Schlösser – haben sich über die Generationen
und Jahrhunderte verblüffende Dinge erhalten. Leibstühle,
also tragbare Toilettenstühle, raffiniert wandlungsfähige
Waschtische, schlichte Stücke aus einfachen Haushalten,
aber auch kostbare aus fürstlichem Umfeld. Und Nachttöpfe
aller Art! Die gibt es aus dem edlen Porzellan der berühmten
Manufakturen ebenso wie einfache Stücke aus glasiertem Ton.
In vier Bereiche sortiert, begegnet man den Themen Zimmeraborte
und Nachttöpfe, Waschen und Baden, Körperpflege auf
Reisen sowie Frisieren, Schminken, Parfümieren.
Mit der Ausstellung in Kloster Schussenried gehen die Staatlichen
Schlösser und Gärten neue Wege: Der Blick der Kuratoren
und Ausstellungsmacher gilt einmal nicht der „großen“ Geschichte,
nicht Herrscherfamilien oder Äbten und geistlichen Fürsten
und ihrem Wirken. „Für uns ist die neue Wanderausstellung
in Schussenried ein Anfang: Künftig wollen wir für
die Staatlichen Schlösser und Gärten mehr das Leben
und den Alltag in früheren Zeiten ins Zentrum stellen.“ So
Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen
Schlösser und Gärten und zuständig für die
59 bedeutendsten historischen Monumente des Landes. Kein Wunder,
dass der Fundus, aus dem für die Schussenrieder Ausstellung
geschöpft werden kann, enorm ist! Die Ausstellung in Kloster
Schussenried ist über den ganzen Sommer zu sehen: bis zum
18. September. Begleitend zur Ausstellung finden zahlreiche Führungen;
Vorträge und Veranstaltungen statt.
Der Ausstellungsort, Kloster Schussenried, ist an sich schon
eine Reise wert: Die weitläufige barocke Klosteranlage entstand
als ehrgeiziges Neubauprojekt im 17. und 18. Jahrhundert und
ersetzte einen ehrwürdigen Konvent des Mittelalters. Damals
verwandelte man die gotische Kirche in ein Meisterwerk des Barock – besonders
sehenswert: das reich geschnitzte Chorgestühl. Absoluter
Höhepunkt und ein Muss bei jedem Oberschwaben-Besuch ist
der Bibliothekssaal, ein barocker Rausch aus Architektur, Stuck
und Malerei, eine Feier für Glaube, Weisheit und Wissenschaft.
Besuchenswert ist auch das 2010 neu eingerichtet Klostermuseum,
das anschaulich die wichtigsten Themen der Klostergeschichte
zeigt. Im Zentrum stehen hier die detailreichen Modelle der Klosteranlagen,
mit denen die barocken Baumeister ihre Entwürfe den auftraggebenden Äbten
erläuterten. |