16.2.11
Tabu, Hygiene, Schönheit
Kloster Schussenried
startet am 1. April ins Ausstellungsjahr 2011 mit einer Ausstellung über
Körperpflege in früheren Jahrhunderten
Selten zu sehen: Wie war das früher mit der Hygiene? Wie
bewältigte man den Alltag ohne Wasserspülung? Was stimmt
an der Geschichte, dass man sich im Barock nicht wusch? Eine
Ausstellung in Kloster Schussenried, zu sehen vom 1. April bis
18. September 2011, gibt Antworten. Die Staatlichen Schlösser
und Gärten Baden-Württemberg können dabei als
Veranstalter auf einen ganz außergewöhnlichen Fundus
an historischen Zeugnissen zurückgreifen. In vielen Schlössern
und historischen Monumenten des Landes haben sich die Originale
der Alltagsbewältigung erhalten: tragbare Toilettenstühle,
Badewannen, raffiniert wandlungsfähige Waschtische, schlichte
Stücke aus einfachen Haushalten, aber auch kostbare aus
fürstlichem Umfeld. Die Ausstellung gibt einen ganz ungewöhnlichen
Blick auf etwas, was immer dem Blick entzogen wurde!
Manches hat einen Bedeutungswandel erfahren: Etwa, wenn man
vom 17. bis zum 19. Jahrhundert in höfischen Kreisen von „petit“ und „grand
toilet“ sprach, damit aber keineswegs die heutige „Toilette“ meinte.
In der Ausstellung geht es nicht nur um den sprichwörtlichen „Stuhlgang“ – auch
dieses Wort kommt von einer historischen Situation, vom „Leibstuhl“,
der transportablen Toilette. Man erfährt anschaulich, wie
sich die Vorstellungen von Körperpflege und Hygiene über
die Jahrhunderte veränderten. Ein Schwerpunkt liegt dabei
auf der höfischen Welt – schon allein deswegen, weil
die Staatlichen Schlösser und Gärten in ihren historischen
Gebäuden, aber auch in ihren Möbeldepots, über
einen beträchtlichen Schatz an „diskretem“ Mobiliar
aus den Schlössern verfügen.
Dabei greift sich die Ausstellung mit ihrem reichen Material
einige weit verbreitete Vorurteile heraus und untersucht sie
auf ihre historische Wahrheit. Etwa die Geschichte von den notorisch
ungewaschenen vornehmen Damen und Herren in den barocken Schlössern,
die statt Wasser und Seife lieber Parfüm benutzten. Oder
die von den Schlossanlagen ohne Toiletten, weswegen sich die
Bewohner hinter Vorhängen oder Hecken erleichterten. Die
Wirklichkeit war weit weniger anrüchig: Wie man diese kleinen
Probleme des alltäglichen Lebens in früheren Zeiten
löste, zeigt die Ausstellung in Kloster Schussenried. In
vier Bereiche sortiert, begegnet man den Themen Zimmeraborte
und Nachttöpfe, Waschen und Baden, Körperpflege auf
Reisen sowie Frisieren, Schminken, Parfümieren.
In den Museen und Möbeldepots der Staatlichen Schlösser
und Gärten ist eine Vielzahl von Stücken überliefert,
vom historischen Sanitärmöbel bis hin zu Utensilien
der Körperpflege. Ergänzt werden diese selten zu sehenden
Objekte durch zum Teil hochkarätige Leihgaben. Die Ausstellung
ist in Kloster Schussenried bis zum 18. September zu sehen und
wandert anschließend ins Schwetzinger Schloss.
Der Ausstellungsort, Kloster Schussenried, ist an sich schon
eine Reise wert: Die weitläufige barocke Klosteranlage entstand
als ehrgeiziges Neubauprojekt im 17. und 18. Jahrhundert und
ersetzte einen ehrwürdigen Konvent des Mittelalters. Damals
verwandelte man die gotische Kirche in ein Meisterwerk des Barock – besonders
sehenswert: das reich geschnitzte Chorgestühl. Absoluter
Höhepunkt und ein Muss bei jedem Oberschwaben-Besuch ist
der Bibliothekssaal, ein barocker Rausch aus Architektur, Stuck
und Malerei, eine Feier für Glaube, Weisheit und Wissenschaft.
Besuchenswert ist auch das 2010 neu eingerichtet Klostermuseum,
das anschaulich die wichtigsten Themen der Klostergeschichte
zeigt. Im Zentrum stehen hier die detailreichen Modelle der Klosteranlagen,
mit denen die barocken Baumeister ihre Entwürfe den auftraggebenden Äbten
erläuterten.
Begleitband
Zur Ausstellung wird ein reich bebilderter Begleitband erscheinen.
In mehreren Aufsätzen vertieft er das Thema. Dabei spannt
sich der zeitliche Bogen von der Architektur und Ästhetik
römischer Latrinenanlagen der Kaiserzeit bis zum modernen
Badezimmer der württembergischen Königin Charlotte
in Schloss Bebenhausen bei Tübingen vom Anfang des 20.
Jahrhunderts.
„
Das stille Örtchen – Tabu und Reinlichkeit bey Hof“
Deutscher Kunstverlag (ISBN 978-3-422-02285-0)
Öffnungszeiten
April bis Oktober:
Di bis Fr 10.00 - 13.00 und 14.00 - 17.00 Uhr
Sa, So und Feiertage 10.00 - 17.00 Uhr
November bis März:
Sa, So und Feiertage 13.00 - 16.00 Uhr
Weitere Informationen
Klosterverwaltung Schussenried
Tel.: 07583 / 92 69 082; Fax: 07583 / 92 69 111
info@kloster-schussenried.de.
Internet: www.kloster-schussenried.de |