1.8.11
Archäologischer Stadtkataster Schorndorf (Rems-Murr-Kreis)
übergeben
Regierungspräsident Schmalzl: Schmalzl: Neues Instrument für
Denkmalpflege und Stadtplanung. Zielgruppe auch stadt- und landesgeschichtlich
Interessierte
Regierungspräsident Johannes Schmalzl hat am Donnerstag,
den 28. Juli 2011, im historischen Rathaus Schorndorf vor zahlreichen
Gästen den neu erschienenen Archäologischen Stadtkataster
für die Stadt Schorndorf an Oberbürgermeister Matthias
Klopfer übergeben. Auf über 260 Textseiten mit fast
100 Abbildungen sowie auf sechs farbigen Fachplänen fasst
das Werk die bisherige archäologische und stadtgeschichtliche
Forschung in all ihren Facetten zusammen und bewertet auf dieser
Grundlage die archäologisch relevanten Bereiche innerhalb
der Schorndorfer Altstadt. Somit ermöglicht der Stadtkataster
künftig eine qualifizierte Abstimmung zwischen den Belangen
der archäologischen Denkmalpflege und der Stadtentwicklungsplanung. Über
seine Funktion als Instrument für die Stadtplanung hinaus
dürfte dieser Band auch zu weiteren historischen Forschungen
anregen.
„Die bis heute überlieferte reiche archäologische
Substanz der Stadt Schorndorf kann so bei Bauvorhaben, die in
den Boden eingreifen, Berücksichtigung finden und rechtzeitig
in den Planungen zur Sprache gebracht werden“, erläuterte
Regierungspräsident Johannes Schmalzl, der gleichzeitig
darauf verwies, dass dieser Stadtkataster „die bisher gute
und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Denkmalpflege mit der
Stadt Schorndorf dokumentiert, die auf dem jetzt verbreiterten
Fundament erfolgreich fortgesetzt werden kann“. Zielgruppe
des Archäologischen Stadtkatasters seien überdies nicht
nur Denkmalpflege und Planungsbehörden, sondern auch die
stadt- und landesgeschichtlich interessierte Öffentlichkeit,
so der Regierungspräsident bei der Übergabe des Bandes.
Der Band Schorndorf erscheint als Nr. 36 in der Schriftenreihe
Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg und
kann bei der Stadt Schorndorf, beim örtlichen Buchhandel
bzw. beim Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen zu einem
Preis von 22 Euro erworben werden. Diese Reihe wird vom Landesamt
für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
zusammen mit der jeweils bearbeiteten Stadt herausgegeben. Verfasst
wurde der Band von Dr. Alois Schneider vom Regierungspräsidium
Stuttgart, unter der Mitarbeit seiner Kollegin Birgit Kulessa
und von Edith Holzer-Böhm vom Stadtarchiv Schorndorf. Die
Druckkosten für die 500 Bände der Auflage werden von
der Stadt Schorndorf und dem Landesamt für Denkmalpflege
im Regierungspräsidium Stuttgart gemeinsam getragen. Schorndorf
ist nach Backnang die zweite mittelalterliche Stadt im Rems-Murr-Kreis,
für die ein Stadtkataster in dieser Form publiziert wird.
Dr. Schneider erinnerte bei der Vorstellung des Bandes daran,
dass die ersten Meldungen über archäologische Funde
und Befunde in Schorndorf bereits aus dem späten 16. Jahrhundert
von dem im Remstal lebenden Chronisten David Wolleber stammen.
Seit den 1950er-Jahren erfuhr die archäologische Forschung
durch das Engagement heimatgeschichtlich ambitionierter Bürger
einen neuen Schub. „Und seitdem die Stadtarchäologie
als eine der denkmalpflegerischen Schwerpunktaufgaben eingerichtet
ist, hat die archäologische Denkmalpflege eine ganze Reihe
von Baumaßnahmen auch in Schorndorf fachlich begleitet“,
führte Dr. Schneider aus. Wie für die über 100
Archäologischen Fundstellen enthält der Band auch einen
Katalog, der unter der Überschrift Historische Topographie
fast 190 Objekte beschreibt und kartiert, die im Kontext der
mittelalterlich-frühneuzeitlichen Stadt neben der spätmittelalterlichen
Stadtbefestigung und dem daran angelehnten Festungsgürtel
eine herrschaftliche, administrative, kirchliche oder wirtschaftliche
Rolle gespielt haben.
Das Kapitel Stadtbewertung unter archäologischen Gesichtspunkten
stellt das Resümee der Untersuchung dar, indem es die archäologisch
relevanten Bereiche für die künftige denkmalpflegerische
Betreuung der Altstadt Schorndorfs beschreibt; die einzelnen
Bereiche sind auf einem eigenen Plan deutlich signiert. Trotz
aller modernen Veränderungen hat Schorndorf noch großenteils
seine im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit
grundgelegte Straßen- und Quartiersstruktur, zahlreiche
Dokumente seiner weitgehend nach den Bränden von 1634, 1690
und 1743 neu aufgeführten Bebauung sowie auf den Grundstücken
der Altstadt insgesamt ein dichtes archäologisches Potenzial
bewahren können.
Regierungspräsident Johannes Schmalzl und Dr. Alois Schneider
zeigten sich daher überzeugt: „Auch dieser Archäologische
Stadtkataster wird für die künftige fachliche Diskussion
bei dem Bemühen, den historischen Quellenwert der innerstädtischen
Flächen zu würdigen und die sichtbaren wie auch die
im Boden tradierten Geschichtsdokumente an die Nachwelt zu vererben,
qualifizierte Wegweisungen geben.“
Mit dem Namen Schorndorf verbinden sich aus archäologischer
Sicht nicht zuletzt wichtige Zeugnisse aus provinzialrömischer
Zeit. Während aber in der Nordstadt rechts der Rems offenbar
innerhalb des Areals des verlassenen römischen Straßenvicus
im frühen Mittelalter eine Ansiedlung existiert hat, fehlen
bislang archäologische Zeugnisse aus der Frühzeit jenes
Dorfes, das wahrscheinlich im beginnenden 8. Jahrhundert auf
einer Terrasse am südlichen Rand der Talbucht entstanden
ist. Erst nach der um 1250 erfolgten Stadtgründung durch
Graf Ulrich I. von Württemberg im östlichen Anschluss
an dieses Dorf mit seiner Kirche liegen schriftliche und auch
archäologische Quellen vor, mit denen sich die Entwicklung
Schorndorfs im späten Mittelalter auf einer einigermaßen
sicheren Basis nachzeichnen lässt. Innerhalb des gleichnamigen
württembergischen Amtes hatte Schorndorf zentralörtliche
Funktionen und erhielt auch durch seine günstige verkehrsgeographische
Position an der Fernstraße vom Oberrhein in den fränkisch-bayerischen
Raum, die heute in der B 29 weiterlebt, eine große wirtschaftliche
Bedeutung, die insbesondere auf der Weinproduktion und dem Weinhandel
basierte.
Nicht zuletzt hat aber seine Lage in der nordöstlichen
Grenzzone des Herzogtums dazu geführt, dass Schorndorf 1538
zu einer der sieben württembergischen Landesfestungen bestimmt
und mit immensen Kosten entsprechend ausgebaut wurde. Die Festungswerke
blieben eine permanente Baustelle, bis Herzog Eberhard Ludwig
1709 kundtat, dass er Schorndorf nimmer alls eine Vöstung
zu consideriren gedencke. Durch die mit dem Festungsstatus verbundenen
Einschränkungen von Handel und Wandel, durch die großen
Schäden im Dreißigjährigen Krieg, durch wiederholte
militärische Besatzungen und durch drei weite Bereiche der
Stadt zerstörende Großbrände hat Schorndorf bis
in das 18. Jahrhundert hinein seine frühere herausgehobene
Bedeutung unter den württembergischen Landstädten großenteils
eingebüßt. Ihre Rolle als Mittelpunkt im Amtsbezirk
Schorndorf behielt die Stadt aber auch nach der politischen Neuordnung
zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Nachdem die Festungsanlage bis
zum Bau der Remsbahn 1860/61 endgültig geschleift war, stand
das Gelände zur Verfügung, auf dem sich die Stadt erstmals
baulich erweitern konnte. |