30.12.11
Nachlese:
Bürger gegen Abriss
Denkmalschutz-Engagement seit den 1970er Jahren (dsd)
In vielen deutschen Städten setzen sich gegenwärtig
Menschen für den Erhalt historischer Bauwerke und gewachsener
Strukturen ein. Ihr Engagement richtet sich sowohl gegen einzelne
Großprojekte als auch gegen eine Aufwertung innenstadtnaher
Wohngebiete auf Kosten der alteingesessenen Bevölkerung.
Dabei greifen sie vermehrt zu Formen aktiver Einflussnahme, die
ihren Ursprung im kritischen Protest der 1960er Jahre haben und
auch die Bürgerinitiativen der 1970er Jahre prägten,
die sich aktiv in die damaligen Diskussionen um Stadtplanung
einschalteten. Auf der Internet-Seite DenkmalDebatten der Deutschen
Stiftung Denkmalschutz diskutiert Heidi Burkhart die Auswirkungen
dieses Bürgerprotests auf die öffentliche Wahrnehmung
und das Selbstbewusstsein der Denkmalpflege. Der "Kampf
um das Frankfurter Westend" wirkte dabei wegweisend.
Ende der 1960er Jahre hatte das Frankfurter Stadtplanungsamt
Konzepte vorgelegt, die Citybildung in die angrenzenden Wohngebiete
hinein fortzusetzen und das Westend zum Sanierungsgebiet erklärt.
Dort sollten inmitten einer dichten Wohnbebauung mehrere Hochhäuser
entstehen. Immobilienspekulationen führten in der Folge
zu Entmietung, Verwahrlosung und Abrissen. Dagegen lehnten sich
engagierte Bürger auf und demonstrierten für den Erhalt
der gewachsenen baulichen und sozialen Strukturen.
Nach Frankfurter Vorbild entstanden in vielen Städten Bürgerinitiativen,
die sich für den Erhalt von Altstädten und gründerzeitliche
Architekturen einsetzten. In den historischen Bauten und Ensembles
erkannte man einen willkommenen Kontrast nicht nur zur Schlichtheit
der modernen Architektur, sondern auch zu den modernen autogerechten
Städten, die man mit Alexander Mitscherlich zunehmend als "unwirtlich" empfand.
Die Ölkrise der frühen 1970er Jahre hatte zudem die "Grenzen
des Wachstums" deutlich gemacht und forcierte eine Rückbesinnung
auf nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsformen, einschließlich
der Bewahrung der bedrohten baukulturellen Errungenschaften der
Vergangenheit. Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 verstärkte
die öffentliche Kritik am modernen Städtebau. Zuvor
wegen ihres "konservativen" Wiederaufbaus kritisierte
Städte wie Nürnberg und Münster sollten nun zu "Musterstädten“ des
Europäischen Denkmalschutzjahres avancieren, Historisches
wurde zum Inbegriff des Schönen und Harmonischen.
Fast 40 Jahre später werden die Ergebnisse des Denkmalschutzjahres
jedoch zwiespältig gesehen. Zwar weckten die Aktivitäten
großes öffentliches Interesse und stärkten den
Schutzgedanken für den Denkmalbestand, doch zementierten
sie zugleich allgemeine Vorbehalte gegenüber den Leistungen
des Wiederaufbaus und solchen Denkmalen, die einer eingängigen Ästhetik
nicht genügen.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz konnte seit ihrer Gründung
1985 mehr als 3.800 Denkmale mit rund 460 Millionen Euro aus
privaten Spenden und Erträgen der GlücksSpirale, der
Rentenlotterie von Lotto, bewahren helfen. Über die Projektförderung
hinaus ist es ihr ein wesentliches Anliegen, für den Gedanken
des Denkmalschutzes zu werben, um Menschen zur Mithilfe an dieser
großen Aufgabe zu bewegen. |