6.7.11
Außergewöhnlicher Fund bei der römischen
Villa von Hechingen-Stein (Zollernalbkreis)
Umgeklappte Mauer gibt Aufschluss über römische Bauart Im letzten Winter entdeckte der Vorsitzende des Fördervereins
zur Erforschung und Erhaltung der Kulturdenkmale in Hechingen-Stein,
Herr Gerd Schollian, nahe der Villa von Hechingen-Stein (Zollernalbkreis)
die Überreste eines bis dahin unbekannten römischen
Gebäudes. Herausragend an dem Fund ist eine als ganzes umgeklappte
Wand des Gebäudes, die komplett erhalten flachliegend unter
dem Waldboden überdauerte. Der glückliche Fund ist
ein außergewöhnlicher und wichtiger Beitrag zur Kenntnis
der dritten Dimension römischer Bauten in der Provinz. Über
diese ist aus antiken Darstellungen oder der sonstigen Überlieferung
so gut wie nichts bekannt.
Um genauere Aufschlüsse zu erhalten, führte das Landesamt
für Denkmalpflege Baden-Württemberg im Regierungspräsidium
Stuttgart (LAD) ab Juni 2011 eine Voruntersuchung durch. Hierbei
wurde festgestellt, dass die Hechinger Wand zu einem Gebäude
gehört, das auf einer terrassenartigen Geländestufe
am Hang errichtet wurde. Das Gebäude war nach den Untersuchungen
20 Meter breit und könnte bis zu 35 Meter lang gewesen sein.
Damit wäre der Bau neben dem Haupthaus im Zentrum das zweitgrößte
Gebäude der Villenanlage. Die mächtigen, bis zu 1,60
Meter breiten Fundamente der Neuentdeckung resultieren einerseits
aus der Position am Schräghang, anderseits deuten sie aber
auch auf die beträchtliche Höhe des Gebäudes hin.
Aus der Lage und Verteilung der umgestürzten Wandpartien
errechnet sich eine Mindesthöhe von 15 Meter. Damit ist
das Gebäude größer und höher als die anderen
ohnehin extrem seltenen archäologischen Beispiele umgestürzter
Wände.
Die Villenanlage von Hechingen-Stein entstand am Ende des 1.
Jahrhunderts n. Chr. und wurde im Laufe der nächsten 100
Jahre in mehreren Schritten aufwändig zu einer repräsentativen
Anlage ausgebaut. Höchst bedeutsam ist, dass der Bau ca.
40 Meter außerhalb der bekannten Umfassungsmauer liegt.
Dies zeigt zusammen mit anderen Beobachtungen, dass das Villengelände
einst noch wesentlich ausgedehnter war als bisher gedacht. Mit
weiteren unentdeckten Gebäude und Umfassungsmauern ist zu
rechnen.
Neben den Maßen ragt der neu entdeckte Hechinger Bau aber
auch durch die außergewöhnliche architektonische Ordnung
der Fassade hervor. Allein in dem bisher durch das LAD untersuchten
ca. sechs auf sechs Meter großen Teil der umgestürzten
Wand waren sechs halbkreisförmige Steinbögen zu finden.
Ein Bogen gehört zu einem ca. 0,70 auf 1,00 Meter großen, überwölbten
Rechteckfenster, ein weiterer zu einer halbreisförmigen Öffnung.
Andere Bögen dienten zur optischen Auflockerung der Fassade.
Aus den bisher freigelegten Resten lässt sich die komplette
Abfolge der Fenster und Zierbögen noch nicht zweifelsfrei
ermitteln. Schon jetzt steht aber fest, dass eine ganz andere
Fassadengestaltung vorliegt als bei den wenigen anderen Beispielen,
wie z.B. in Oberndorf-Bochingen (Kreis Rottweil).
Dieser wichtige archäologische Befund wurde mit Hilfe einer
neuen, dreidimensionalen Technik des LAD dokumentiert. Der terrestrische
Laserscanner bietet sowohl für die Bauanalyse wie auch für
die Rekonstruktion eine bisher nicht erreichbare Genauigkeit.
Das Gerät vermisst mit Hilfe von Laserstrahlen die Steine
und erstellt aus den Daten ein dreidimensionales zentimetergenaues
Computerabbild. Damit lassen sich nicht nur die eigentlichen
Dokumentationsarbeiten schnell und kostengünstig durchführen,
auch die Auswertung und Präsentation des Befundes wird anschaulicher
und genauer.
Die Gründe für den „Mauerfall“ sind noch
nicht bekannt. Auffallende Verwerfungen der Fundamente verweisen
jedoch auf starke nachantike Bewegungen des Untergrundes. Möglicherweise
war ein Erdbeben schuld an der Katastrophe. Auch die Funktion
des Gebäudes muss vorerst offen bleiben.
Die Villa von Hechingen-Stein ist eine der bedeutendsten römischen
Villenanlagen in Baden-Württemberg. Die teilrestaurierte
Anlage hat sich seit 1991 zu einem überregional bekannten
Freilichtmuseum entwickelt, in dem der interessierte Laie das
antike Leben in einer repräsentativen Villa auf dem Lande
anschaulich erleben kann. Daneben finden aber auch immer wieder
kleinere Ausgrabungen statt, da die Villenanlage noch längst
nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben hat. Jene Ausgrabungen
werden seit Jahren vom Träger des Museums, dem Förderverein
zur Forschung und Erhaltung der Kulturdenkmale in Stein e.V.,
in enger Zusammenarbeit mit der Archäologischen Denkmalpflege
des Regierungspräsidiums Tübingen durchgeführt.
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