17.11.10
Liste des immateriellen Weltkulturerbes erweitert
Das UNESCO-Komitee hat am 16. November auf seiner Sitzung in
Nairobi 46 Sitten und Gebräuche in die Liste des immateriellen
Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Darunter befinden sich
drei Traditionen in Frankreich.
Die Compagnonnage (Gesellenschaft, Gesellenverein), ein Netzwerk
zur Weitergabe von Wissen und Identität im Beruf
Das französische
System der Compagnonnage ist ein einzigartiges Instrument,, um
Wissen und Kenntnisse in Verbindung mit Berufen der Stein-, der
Holz-, der Metall- und der Lederverarbeitung sowie des Textilgewerbes
und im Bereich der Fleischerei weiterzugeben. Seine Originalität
beruht auf der Synthese von Methoden und Vorgängen der Vermittlung
von höchst unterschiedlichen Kenntnissen: Dazu gehören
Ausbildung im nationalen Maßstab, ein „Tour de France“ genannter
Zeitraum der Wanderschaft, der Erwerb von Kenntnissen in anderen
Ländern, sowie Aufnahmeriten, Schulunterricht und das Erlernen
von Gebräuchen und Techniken.
Bild © 2009 - UCDDU
Historisch ist die Compagnonnage aus dem System der mittelalterlichen
Bauhütten erwachsen und mit dem deutschen Zunftsystem (Gilden)
und den Gesellenvereinen vergleichbar, zeigt aber doch wesentliche
Unterschiede.
Die Bewegung der Compagnonnage umfasst ca. 45.000 Personen,
die einer von drei Gruppen von Gesellen angehören. Jugendliche
ab einem Alter von 16 Jahren, die eine Lehre beginnen oder ihre
Fertigkeiten weiter ausbilden wollen, können den Wunsch äußern,
sich einer Gemeinschaft anzuschließen. Die Gesellenzeit
umfasst im Mittel 5 Jahre, während denen der Geselle regelmäßig
den Ort wechselt, sowohl innerhalb Frankreichs als auch in anderen
Ländern. Damit kann er verschiedene Kenntnisse und auch
verschiedene Methoden der Kenntnisweitergabe kennenlernen. Um
selbst dieses Wissen weitergeben zu können, muss der Geselle
ein Meisterstück anfertigen, das von Mitgliedern der Gilde
geprüft und bewertet wird. Die Compagnonnage wird im Allgemeinen
als die letzte Bewegung angesehen, die gewisse alte Handwerkstechniken
ausübt und weitergibt, innerhalb eines Berufszweigs eine
handwerkliche Elite sichert, die Entwicklung des Einzelnen mit
der Ausbildung im Handwerk verknüpft und schließlich
handwerksspezifische Initiationsriten ausübt. Die Kenntnis der Spitzenklöppelei von Alençon
Die
Spitzenklöppelei von Alençon ist eine seltene Technik
des Nadelklöppelns und wird nur hier, in der Normandie,
praktiziert. Ihren einzigartigen Charakter und ihr hohes Niveau
beruht auf den benötigten Kenntnissen und der sehr langen
Zeit, die zur Herstellung benötigt wird (ca. 7 Stunden für
1 cm²). Die mit dieser Technik gewonnenen Textilien dienen
zum Schmuck ziviler und religiöser Kleidungsstücke.
Jedes Stück besteht aus einem sehr feinen Netz von untereinander
verbundenen Motiven. Seine Ausführung erfordert mehrere
aufeinander folgende Stufen: die Zeichnung und das Stechen des
Motivs auf dem Pergament, der Realisierung der Motivbasis und
der transparenten Maschen auf der dahinter liegenden Ebene, dann
die Herstellung der repräsentativen Punkte des Dekors, die
Füllung der Zwischenräume, um Schattenwirkung zu erzielen,
und schließlich die Stickerei, um eine reliefartige Struktur
zu erzeugen. Schließlich wird das Gewebe mittels einer
Rasierklinge vom Pergament gelöst und mit einer Hummerzange
poliert. Jede Klöpplerin kennt alle Stufen der Herstellung,
und dieses Wissen kann nur durch praktische Lehre und mündliche
Unterweisung übermittelt werden. Um alle Techniken der Spitzenherstellung
zu beherrschen braucht es zwischen sieben und zehn Jahre Ausbildung. Das gemeinsame Diner der Franzosen
Das gemeinsame Diner
der Franzosen im Restaurant ist eine soziale Gewohnheit, mit
der die wichtigsten Ereignisse im Leben der Menschen, sowohl
der Einzelnen als auch der Gruppen, gefeiert werden: Geburten,
Hochzeiten, Geburtstage, Erfolge und Wiedersehen. Es handelt
sich um eine festliche Mahlzeit, bei deren Gelegenheit die Teilnehmer
die Kunst den „Guten Essens“ und des „guten
Trinkens“ („bien manger“ und „bien boire“)
pflegen. Die gemeinsame Mahlzeit setzt den Akzent auf das gute
Zusammensein, die Freude am Genuss, die Harmonie unter den Menschen
und mit den Erzeugnissen der Natur.
Festliches Diner im Park von Château de Bourron-Marlotte, © Isabelle
Guisard 2008
Das Diner bildet eine Verbindung aus Speisen und Wein sowie
aus dem Tafelschmuck, ebenso gehört die Kostprobe dazu, dass
das, was am Tisch serviert wird, durch Geruch und Geschmack gekostet
wird. Die Mahlzeit folgt einem geregelten Schema, sie beginnt
mit einem Aperitif und endet mit einem (verdauungsfördernden)
Digestif. Das Essen selbst besteht aus mindestens zwei, meistens
aber vier Gängen: Vorspeise, Fisch und/oder Fleisch mit
Gemüsebeilage, Käse und einem Nachtisch. Von den Essensgästen
wird das Diner als ein lebendiges Ritual geachtet und dient zur
Stärkung der sozialen Bande im familiären und freundschaftlichen
Zusammenhang, während es von Seite der Gastronomen als wichtige
Tradition in der Restaurantkultur bewahrt und gepflegt wird. Weiterhin wurden in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes
aufgenommen:
Der Karneval in Alost, der Houtem Jaarmarkt und die Krakelingen
mit dem Tonnekensbrand in Geraardsbergen (Grammont, Ostflandern,
Belgien)
Die Sinjska Alka, ein Ritterturnier in Sinj und das nordkroatische
Gewürzbrot (Kroatien)Die Fastnachtsmasken und -umzug
in den Dörfern der Region von Hlinecko (Ostböhmen,
Tschechien)
Echternacher Springprozession (Luxemburg)
Flamenco, Menschliche Türme und der Gesang der Sibylle auf
Mallorca (Spanien)
Mediterranes Essen (Spanien, Griechenland, Italien, Marokko)
Falknerei (Vereinigte Arabische Emirate, Belgien, Tschechien,
Frankreich, Korea, Mongolei, Marokko, Qatar, Saudi-Arabien, Spanien,
Syrien)
kulturer.be wird in der nächsten Zeit, sobald die Übersetzungen
fertig sind, die einzelnen Traditionen vorstellen.
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