7.5.10
Neue Fischart im Rhein entdeckt - Aal vom Aussterben
bedroht
Regierungspräsidium Karlsruhe überprüft
Fischbestand im Rhein
(rpk) Mit rund 50 Fischarten ist der Rhein ein überaus
artenreiches Fischgewässer in Deutschland. Ab jetzt ist
die Fischfauna des Rheins in Baden-Württemberg um eine Art
reicher. Bei Fischuntersuchungen im Rhein ist die Kesslergrundel
(Neogobius
kessleri) frisch ins Netz gegangen. Die Fischexperten der Abteilung
Landwirtschaft im Regierungspräsidium Karlsruhe heißen
den nachgewiesenen Neuankömmling dennoch nicht willkommen. „Die
Kesslergrundel ist bei uns nicht heimisch“, erklärt
der Fischereireferent Dr. Frank Hartmann. „Zudem hat sie
sich in den letzten Jahren im Rhein nördlich des Mains so
stark ausgebreitet, dass
die Angelfischerei dort stark beeinträchtigt wird. Die Kesslergrundel
schnappt nach jedem Köder, der ihr angeboten wird. Auch ökologische
Konsequenzen sind bei einer Zunahme der Kesslergrundeln zu befürchten“.
Hartmann geht davon aus, dass sich diese Fischart in wenigen
Jahren in Baden-Württemberg zumindest
flussabwärts Iffezheim stark ausbreiten und auch etablieren
wird. Ursprünglich stammt die Grundel aus dem Schwarzen
Meer und der Unteren Donau. Weshalb sie sich vor einigen Jahren
dort stark vermehrt hat und nun auf den Weg über die Donau
aufwärts durch den Rhein-Main-Donau-Kanal und dann über
den Main in den Rhein gemacht hat, ist nicht abschließend
geklärt. Tatsache ist nur, dass die Grundeln bei dieser
Invasion nachhaltig neue Lebensräume erschlossen haben. „So
schnell werden wir die Kesslergrundel nicht mehr los“,
lautet die Prognose der Fischerei. Äußerlich ist die
Kesslergrundel der heimischen Mühlkoppe ähnlich. Die
Art ist daher leicht mit der Mühlkoppe zu verwechseln und
am besten durch die zu einer Saugscheibe verwachsenen, brustständigen
Bauchflossen von dieser zu unterscheiden.
Ziel der Erhebungen durch das Regierungspräsidium ist jedoch
eine ganz andere Fischart. Im Fokus der Versuchsfischerei am
Rhein steht derzeit der Europäische Aal, der unter anderem
seit März 2009 im Anhang des Washingtoner Artenschutzabkommens
gelistet ist. Damit genießt der Aal denselben Schutz wie
der Sibirische Tiger oder der Afrikanische Elefant. Der starke
Rückgang des inzwischen stark bedrohten Aals in Europa veranlasste
auch die Europäische Union zum Handeln. Für den Aal
müssen nach einer EU-Verordnung von den Mitgliedstaaten
umfangreiche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Baden-
Württemberg kommt wegen der vorhandenen Aallebensräume
im Rhein und seinen Nebengewässern eine besondere Verantwortung
für diese Art zu.
Seit über 25 Jahren hat Baden-Württemberg
den Aalbestand als einziger Rheinanlieger konsequent und durchgehend
durch gezielten Einsatz mit jungen Aalen unterstützt.
Durch langjährige Versuchsfischereien und anhand der Fangdaten
der Erwerbs- und Freizeitfischerei weiß das Regierungspräsidium,
dass in den ihr überantworteten Gewässerabschnitten
durchweg ein ausreichender Aalbestand gehegt wurde. Seit dem
März wird der Aal im Rhein zwischen Eglisau und der hessischen
Grenze sowie an angebundenen Seitengewässern, ungeachtet
der in Baden-Württemberg positiven Situation, zusätzlich
entlastet. Durch die Einführung einer ganzjährigen
Schonzeit in der Landesfischereiverordnung darf der Aal im Rhein
und seinen durchströmten und angebundenen Seitengewässern
nicht mehr und in den Zuflüssen nur noch eingeschränkt
von der Erwerbs- und Freizeitfischerei gefangen werden. Damit
reagiert die Fischereiverwaltung des Landes auf den europaweit
anhaltend negativen Bestandstrend beim Aal. Künftig
soll ein noch größerer Teil an Aalen aus Baden-Württemberg
ins Meer abwandern können, um den Erhalt der Art zu sichern.
Der Aal hat – wie der Atlantische Lachs – einen sehr
komplexen Lebenszyklus zwischen dem Rhein und dem Atlantik. Der
größte Unterschied zum Lachszyklus liegt darin, dass
der Aal aus dem Süßwasser ins Meer wandert und dann
zur Fortpflanzung in den Atlantik viele tausend Kilometer bis
zur Sargassosee vordringen muss. „Bei einer solchen enormen
Anstrengung werden nur gesunde und starke Tiere ihr angestammtes
Laichgebiet erreichen“. Wann der negative Trend im Aalbestand
gestoppt und damit das Aussterben des Aals verhindert werden
kann ist noch ungewiss. „Aktuell kommen im Vergleich zu
1990 gerade noch rund zwei Prozent der Jungaale an der europäischen
Küste an“, erläutert Hartmann.
Bei den Fischerhebungen gewinnt die Fischereibehörde auch
wichtige Erkenntnisse über den Zustand weiterer Fischarten
im Rhein. Als eine kleine Sensation ist der Nachweis einer Kinderstube
von Meerneunaugen im Rhein zu bewerten. Über das nach dem
Fischereirecht ganzjährig geschützte Meerneunauge,
als ebenfalls „wandernde Art“, hat die Landwirtschaftsabteilung
bereits mehrfach berichtet. Es handelt sich dabei um keine Fischart,
sondern zoologisch betrachtet um ein sogenanntes „Rundmaul“,
welches als erwachsenes Tier im Meer lebt und zum Laichen den
Rhein aufsteigt. Laichgebiete wurden bislang ausschließlich
in den Zuflüssen des Rheins nachgewiesen, wie etwa in der
Murg bei Rastatt. Es gab keinen Nachweis darüber, dass die
Jugendstadien dieser Art im Rheinstrom selbst einen geeigneten
Lebensraum vorfinden. Begünstigt durch das Niedrigwasser
im Rhein und die damit verbundenen guten Sichtverhältnisse
gelang der Fischereibehörde in den Buhnenfeldern des Rheins
der Fang von jungen Meerneunaugen direkt aus dem Sand. Direkt
im Sand nämlich verbringen die dort eingegrabenen Jungtiere
viele Jahre ihres Lebens und sind daher
schwer nachzuweisen. Mit dieser Entdeckung erhält der Rheinstrom
als Lebensraum für anspruchsvolle Fische und Neunaugen eine
noch höhere Bedeutung als bislang. Gleichzeitig zeigt uns
die Rückkehr anspruchsvoller Fischarten, wie beim Atlantischen
Lachs, dass sich die Wasserqualität und die ökologischen
Bedingungen
im Rhein in den letzten Jahren deutlich verbessert haben. Fische
nehmen somit eine Indikatorfunktion für die Reinhaltung
der Gewässer ein.
Nebenbei gelang der Fang eines rekordverdächtigen Welses
aus einem Altgewässer des Rheins mit einer Länge von
2,20 Meter und einem Gewicht von über 60 Kilogramm. Welse
sind dämmerungs- und nachaktiv und führen größtenteils
ein einzelgängerisches Dasein. Aus fischereiwirtschaftlicher
Sicht ist der Wels nicht nur wegen seiner Körpergröße
besonders attraktiv. Sein Fleisch ist zudem sehr wohlschmeckend
und wird daher auch gerne von Küchen der gehobenen Gastronomie
angeboten.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe als Fischereibehörde
vollzieht das Fischereirecht von Baden-Württemberg und hat
in dieser Funktion hoheitliche Aufgaben. Die Fischereibehörde
im Regierungsbezirk betreut und berät die Fluss- und Seenfischerei,
viele zehntausend Freizeitfischer sowie die teichwirtschaftlichen
Betriebe.
Für die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen
und der künstlich angelegten Gewässer gilt der Auftrag
des Fischereigesetzes zur Hege. Ihre Ziele sind der Erhalt und
die Entwicklung eines dem Gewässer angepassten, artenreichen
und gesunden Fischbestandes sowie die Sicherung standortgerechter
Lebensgemeinschaften
vor dem Hintergrund des Fischartenschutzes. Mit diesen Vorgaben
können Erwerbs- und Freizeitfischer die natürlichen
Fischerträge abschöpfen. In der Teichwirtschaft des
Nordschwarzwaldes und Odenwaldes werden
größtenteils Forellen für Handel und Gastronomie
erzeugt, zur Versorgung der Bevölkerung mit dem gesunden
Nahrungsmittel Fisch aus heimischer Produktion |