11.8.10
Aktuelle Ausgrabungen im römischen Vicus
Köngen, Landkreis Esslingen: Tag der offenen Tür am
15. August
Regierungsvizepräsident Dr. Schneider:
Eindrucksvolle Funde können vor Ort besichtigt werden Das Regierungspräsidium Stuttgart, Referat Denkmalpflege,
führt seit Mai 2010 in der Ringstraße in Köngen – direkt
gegenüber dem Zuweg zum Römerpark – eine archäologische
Untersuchung durch. Ziel ist die weitere Erforschung und Dokumentation
der Reste des römischen Vicus (Kastelldorfes) in Köngen,
dem antiken Grinario. Im Vorfeld einer kommenden Überbauung
gelang hier mit freundlicher Unterstützung der Gemeinde
Köngen und der Evangelischen Kirchengemeinde die Dokumentation
eines außergewöhnlichen Gebäudes aus römischer
Zeit.
„Mit einem Tag der offenen Tür auf der Grabungsstelle
soll Anwohnern und Interessierten die Möglichkeit gegeben
werden, sich über die Ergebnisse der Grabung vor Ort zu
informieren. Die eindrucksvollen römischen Baureste sowie
eine Auswahl der bislang gemachten Funde können in Augenschein
genommen werden. Die auf der Ausgrabung tätigen Archäologen,
darunter zahlreiche ehrenamtliche Grabungshelfer, informieren
aus erster Hand über die Erkenntnisse zum Leben im römischen
Köngen“, erläuterte Regierungsvizepräsident
Dr. Christian Schneider. Die Veranstaltung findet parallel zu
einem Aktionstag des Römermuseums Köngen statt.
Der Fundplatz liegt innerhalb der römischen Kastelldorfes
Köngens an prominenter Stelle an der Nordsüd-Straße
unmittelbar vor dem Westtor des Kastells. Aufgedeckt werden konnten
die Außenmauern eines überdurchschnittlich großen
Steingebäudes zu dem u. a. zwei beheizbare Innenräume
und ein ungewöhnlich großer Keller mit breiter Zugangsrampe
gehörten. Die Architektur dieses repräsentativ ausgestatteten
Hauses lässt an ein Handelskontor denken, das sich ein wohlhabender
Kaufmann an der Hauptverkehrsstraße des antiken Grinario
errichten ließ.
Schon um 85 n. Chr. gründeten die Römer nur wenige
Meter östlich dieser Stelle ein Militärlager (heute
Römerpark) als Teil des sog. Neckar-Limes. Dieses wurde
zur Keimzelle der späteren Siedlung (Vicus) mit Namen Grinario,
welche bis um 260 n. Chr. bestand, als die Römer das rechtsrheinische
Gebiet räumten und germanische Alamannen mit der Landnahme
begannen. Römische Siedlungen (Vici) dieser Art dienten
nicht der landwirtschaftlichen Produktion, wie heutige Dörfer,
sondern lebten von Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Zunächst
diente der Vicus Grinario der Versorgung der Soldaten im Kastell,
bis diese um 150 n. Chr. an den Limes im Remstal vorverlegt wurden.
Von da an war die Siedlung eine rein zivile Niederlassung an
einem sicher nicht unbedeutenden Neckarübergang. Römische
Vici sind der Form nach Straßendörfer, die sich entlang
der Verkehrswege erstrecken. Um möglichst vielen Betrieben
auf wenig Raum einen Zugang zur wichtigen Straße (Kundschaft)
zu ermöglichen sind die einzelnen Grundstücke vergleichsweise
schmal. Die langrechteckigen Gebäude stehen mit der schmalen
Giebelseite zur Straße. Vorn finden sich Verkaufs- oder
Schankräume und kleine Werkstätten. Im mittleren Teil
eher private Zimmer. Im hinteren Teil und auf dem Grundstücksteil
hinter dem Haus kann man Einrichtungen zur Versorgung (Küche,
Hausgärten, Brunnen), der Produktion oder Entsorgung (Kloaken,
Abfallgruben) vermuten. Die Häuser waren zumeist Schwellbalkenbauten
aus Holzbalken, Flechtwerk und Lehm ähnlich mittelalterlichen
und neuzeitlichen Fachwerkbauten. Nur Wohlhabende konnten sich
in der wirtschaftlichen Blütephase des späten 2. und
3. Jhs. n. Chr. reine Steinbauten leisten. Nicht selten wurde
lediglich der Keller aus Stein aufgeführt, der nie die ganze
Fläche des Hauses einnahm, sondern fast immer nur aus einem
Raum bestand. |