1.3.10
Burgundisch-Französisches Spätmittelalter:
Herzog Jean de Berry und Herzog Johann Ohnefurcht von Burgund
Doppelausstellung im Metropolitan Museum New York
Ein einzigartiges Fenster in die verschwenderische Welt der
französischen Höfe der Herzöge von Burgund und
von Berry aus dem Haus der Valois öffnet das Metropolitan
Museum ab dem 2. März mit zwei gleichzeitigen richtungweisenden
Ausstellungen: Die Kunst der Illumination – Die Brüder
Limburg und die Belles Heures des Herzogs Jean de Berry und Die
Trauernden: Mittelalterliche Grabskulptur des Burgundischen Hofs.
Erstere zeigt die hervorragend illuminierten Seiten eines luxuriösen
Gebetbuchs aus dem Besitz des Herzogs Jean de Berry (1340–1416),
letztere stellt die ausdrucksvollen Alabasterfiguren vom Grabmal
seines Neffen, des Herzogs Johann Ohnefurcht von Burgund (1371–1419)
vor.
Beide Männer lebten in einer stürmischen Zeit während
des Hundertjährigen Kriegs zwischen Frankreich und England
und spielten auch Schlüsselrollen in eher lokalen Konflikten
zwischen den verschiedenen Zweigen des Hauses der Valois. Johann
Ohnefurcht stiftete den Mörders seines Vetters Louis von
Orléans zur Tat an und Jean de Berry spielte abwechselnd
die Rolle des Vermittlers zwischen den beiden Kriegsparteien
und des Führers einer der Kriegsparteien selbst.
Während sie auf der einen Seite immer wieder ihre politische
Rolle wahrnahmen, verbinden sich mit beiden Namen auch wunderbare
Kunstwerke als ihr Erbe. Der ältere Herzog, Jean de Berry,
ist einer der größten Kunstmäzene aller Zeiten,
berühmt für die wunderbaren Handschriften, die er in
Auftrag gab und unter denen sich die Belles Heures befinden,
Mittelpunkt der Ausstellung „Die Kunst der Illumination“.
Sein Neffe Johann Ohnefurcht hinterließ mit seinem Tod
ein Kunstwerk, denn die gefühlvollen Figuren der Trauernden,
die sein Grabmal umgeben, sprechen noch in der Ausstellung "Die
Trauernden“ über die Jahrhunderte zu uns.
Bruder Jean de Berrys war Philipp der Kühne von Burgund,
der Vater von Johann Ohnefurcht, und Philipps Grabmal, ein Werk
Claus Sluters, gab das Vorbild ab sowohl für das Grabmal
Jean de Berrys als auch für das Johann Ohnefurchts. Jedes
von ihnen zeigt Figuren von Trauernden (Pleurants), und die Ausstellung
gibt die Gelegenheit, zwei der Figuren aus dem Grabmal de Berrys
(aus den Sammlungen des Metropolitan Museums) mit den burgundischen
(Leihgaben aus dem Musée de Beaux-Arts in Dijon) zu vergleichen.
Und warum diese Ankündigung in Landeskunde online?
Nicht nur ist Burgund eine der prägenden Kräfte im Mitteleuropa
des 15. und 16. Jahrhundert, sondern auch und gerade der Oberrheinraum
ist in dieser Zeit auf vielfältige Weise mit dem Nachbarn Burgund
verflochten und nicht zuleletzt auch eine der Regionen, die unter
den Auswirkungen des Hundertjährigen Kriegs zwischen Frankreich
und England leiden. Die Ausstellung selbst mag keinen unserer
Leser nach New York ziehen, aber das Thema selbst ist es wert,
hier nachhaltig bearbeitet zu werden.
Bilder
oben: Verkündigung. Seite aus den Belles Heures des Herzogs Jean
de Berry, Tinte, Tempera und Blattgold auf Pergament, 23.8 x
16.8 cm), The Cloisters Collection, 1954 (54.1.1). Metropolitan
Museum of Art. Wikimedia Commons.
unten: Grabmal des Herzogs Johann Ohnefurcht und seiner Gemahlin
Margarete von Bayern. Dijon, Musée des Beaux Arts.
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