5.10.09
Sprachliche Denkmäler vor dem Aussterben
bewahren
Namenforscher trafen sich am 1./2.
Oktober zur Flurnamentagung an der Universität Jena
Galgenberg, Wolfshügel, Fuchsbach oder Kornwiesen
- Flurnamen von Äckern, Wiesen, Feldern oder Wäldern
sind meist über viele Generationen hinweg mündlich überliefert
worden. "Oft beschreiben sie Merkmale oder Ereignisse, die
die Bevölkerung mit der jeweiligen Örtlichkeit in Verbindung
gebracht hat", sagte Prof. Dr. Eckhard Meineke von der Friedrich-Schiller-Universität
Jena. So liefern die Namen noch heute Hinweise auf ehemalige
Gerichtsstätten, Naturereignisse oder Bewirtschaftungsarten
wie zum Beispiel die Drei-Felder-Wirtschaft, die aus den überlieferten
Namen Ober-, Mittel- und Unterfeld hervorgeht.
Im Thüringer Flurnamenprojekt wollen die Jenaer Forscher
vom Institut für Germanistische Sprachwissenschaft um Prof.
Meineke und Heimatforscher vom Heimatbund Thüringen der
Herkunft und Bedeutung gemeinsam auf den Grund gehen. Beim diesjährigen öffentlichen
Symposium des Arbeitskreises für Namenforschung, das vom
1. bis 2. Oktober an der Universität Jena (HS 7 im Campus,
Carl-Zeiß-Straße 3) stattfand, stellten sie ihr Projekt
Wissenschaftlern, Heimatforschern und der interessierten Öffentlichkeit
vor.
"Früher wurden die althergebrachten Flurnamen in Katasterkarten
aufgeführt", berichtete Meinekes Mitarbeiterin Barbara
Aehnlich. Mittlerweile werden solche Bezeichnungen jedoch von
den Katasterämtern durch Nummern ersetzt. Außerdem ändert
sich die Bevölkerungsstruktur auf dem Lande - die jungen
Menschen wandern ab, die überliefernden Alten sterben allmählich
aus. "Damit sind auch diese sprachlichen Denkmäler
regelrecht vom Aussterben bedroht", ist Barbara Aehnlich überzeugt.
Um es jedoch nicht so weit kommen zu lassen, sammeln und erforschen
die Jenaer Sprachwissenschaftler die Thüringer Flurnamen.
Dabei wollen sie auf das von 1933 bis 1982 an
der
Universität Jena geführte "Thüringische Flurnamenarchiv" zurückgreifen,
in dem etwa 80.000 Flurnamen erfasst sind. Vorher müssen
die auf Zetteln und in dreifacher Ausfertigung gesammelten Daten
jedoch digitalisiert und aufbereitet werden, um sie vor altersbedingtem
Zerfall zu bewahren. Erst dann haben die Wissenschaftler einen Überblick
darüber, welche Daten im Archiv bereits enthalten sind und
wo noch Forschungsbedarf besteht. Unterstützt werden sie
dabei von ehrenamtlichen Heimatforschern, die in den 2.700 thüringischen
Orten auf Spurensuche gehen und überlieferte Flurnamen sammeln.
"Am Ende des Projektes soll ein Thüringischer Flurnamenatlas
stehen, in dem neben den Namen auch historische Belege sowie
die Herkunft und Bedeutung der einzelnen Namen nachzulesen ist",
so Prof. Meineke. Doch vorher gilt es, das Projekt im Rahmen
der Tagung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Neben Vorträgen zu thüringischen Flurnamen diskutierten
auf der Jenaer Tagung über 80 Namenforscher aus ganz Deutschland
und Europa über ihre Forschungen. So ging es
auch um Hessische Flurnamengeographie im Internet, Flurnamen
slawischen Ursprungs in Salzburg, Seenamen und Flurnamenübersetzungen
in Lothringen und im Saarland.
Die Tagung des Arbeitskreises für Namenforschung findet
alle drei Jahre an einem anderen Ort und zu einem unterschiedlichen
Hauptthema statt.
Manuela Heberer,
Friedrich-Schiller-Universität Jena |