19.11.09
Gladiatoren im 21. Jahrhundert - Wissenschaftler
starten Projekt im Bereich Experimentelle Archäologie
Mit dem originalgetreuen Nachbau einer antiken
römischen Galeere und zwei Fußmärschen in Legionärsausrüstung
- 2004 über die Alpen und 2008 an der Donau entlang von
Carnuntum (Niederösterreich) nach Regensburg - konnten Historiker
der Universität Regensburg schon bundesweit auf sich aufmerksam
machen. Jetzt fiel auf dem Regensburger
Campus der Startschuss für ein weiteres Projekt aus dem
Bereich der Experimentellen Archäologie. Organisiert wird
es abermals von Mitarbeitern des Lehrstuhls für Alte Geschichte
der Universität Regensburg. Im Rahmen des Forschungszentrums "Region
im Umbruch" (RIU) nehmen die Organisatoren dabei ein weiteres
bekanntes Thema der antiken Welt näher unter die Lupe: die
Gladiatoren. Gleich zwanzig originalgetreu nachgebildete Gladiatorenausrüstungen
wurden der Universität Regensburg in diesem Zusammenhang
durch einen großzügigen Spender, den Unternehmer Hans
Schaller aus Pfaffenhofen an der Ilm, überreicht.

Die Gladiatoren erobern den Regensburger Campus
Foto: Referat II/2 Kommunikation & Marketing, Uni Regensburg
Historischer Hintergrund:
Wie kaum ein anderes Thema der Altertumswissenschaften ist die
Geschichte der römischen Gladiatoren mit Klischees behaftet,
welche die historische Realität in vielerlei Hinsicht
verfälschen. Zwar waren die munera, also die Veranstaltungen,
in deren Rahmen Gladiatorenkämpfe ausgetragen wurden,
eine Form der Massen-Unterhaltung. Oftmals wird aber außer
Acht gelassen, dass diese Form des Spektakels auf religiösen
Ritualen der Etrusker fußt, die ursprünglich außergewöhnliche
Ehrerbietungen für Verstorbene darstellten. Zudem ist
die Geschichte der Gladiatur mit einem außergewöhnlichen
Prozess der Professionalisierung verbunden, der wiederum eng
mit der politischen Entwicklung Roms zusammenhängt.
Die einstige Begräbnissitte wandelte sich erst im Laufe
der Zeit zu einem Bestandteil der PR-Kampagnen römischer
Staatsmänner wie Caesar. In der Kaiserzeit wurden Gladiatorenkämpfe
dann in nahezu allen Teilen des expandierenden Imperium Romanum
eingeführt. Gladiatorenkämpfe wurden zu einem festen
Bestandteil der antiken römischen Zivilisation. Während
zunächst Kriegsgefangene und Sklaven zu solchen Kämpfen
gezwungen wurden, zog das Leben als Gladiator in der Folge auch
Angehörige der römischen Oberschicht an. Etliche vornehme
Römer gaben ihren sozialen Rang auf, um dem Kreis derjenigen
anzugehören, die in den Arenen des Reiches die munera austrugen.
Mit brutalen und ohne jegliche Regeln ausgefochtenen Kämpfen,
wie es die modernen Medien unserer Zeit suggerieren, hatten die
munera darüber hinaus nur selten etwas gemein.
Obwohl sie eigentlich auf der untersten sozialen Ebene angesiedelt
waren, genossen die hervorragend ausgebildeten und medizinisch
bestens versorgten Gladiatoren in der römischen Gesellschaft
mitunter den Status von Idolen; durchaus vergleichbar mit modernen "Super-Stars".
Verbunden mit der aufwendigen medizinischen Versorgung dieser "Super-Stars" war
ein abgestimmter Ernährungsplan, der genauso wie die Behandlung
der Gladiatoren streng wissenschaftlichen Kriterien folgte. Beides
fand Eingang in die Ausbildung des antiken römischen Heeres
und leistete so einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung
der Medizin des Abendlandes bis in die Frühe Neuzeit hinein.
Zielsetzung und Zeitplan des Projekts:
Genau diese wissenschaftlichen Entwicklungen werden im Zentrum
des neuen Projekts der Regensburger Wissenschaftler stehen.
Ausgehend von der Frage, ob es möglich ist, aus einem
Menschen des 21. Jahrhunderts einen Gladiator nach antikem
Vorbild zu machen, sollen diese medizinischen, ernährungswissenschaftlichen
und sportwissenschaftlichen Aspekte vor dem Hintergrund antiker
Quellen untersucht werden.
Nach der Übergabe der Gladiatorenausrüstungen durch
den Unternehmer Hans Schaller wird es in den nächsten Wochen
darum gehen, Probanden für das geplante Projekt zu finden.
Gesucht werden männliche Studierende der Universität
Regensburg zwischen 20 und 30 Jahren, die sich zunächst
einem intensiven Kraft- und Bewegungstraining stellen müssen
und im Umgang mit der schweren Ausrüstung geschult werden.
Darüber hinaus wird auf der Grundlage antiker Quellen -
allen voran den Ausführungen des antiken Arztes Galen -
ein detaillierter Ernährungsplan aufgestellt, der den Probanden
ein hohes Maß an Disziplin abverlangen wird. Zielpunkt
des Projekts, dessen Ausgang zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund
der hohen Anforderungen an die Beteiligten völlig offen
scheint, ist ein längerer Aufenthalt im Amphitheater in
Carnuntum. In diesem Zusammenhang werden die Probanden einen
Monat lang leben und trainieren wie antike Gladiatoren.
Das Projekt könnte neben einem tieferen Verständnis
für die Lebensumstände der Gladiatoren auch weitere
Erkenntnisse für die Ernährungswissenschaft, die Sportwissenschaft
und die Sportmedizin liefern. Gerade deshalb werden die verschiedenen
Phasen des Projekts auch von Mitarbeitern des Instituts für
Sportwissenschaft der Universität Regensburg begleitet.
Alexander Schlaak,
Universität Regensburg
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