28.3.08
Die große Epoche der Gotik: Straßburg
1400
Das Kunstschaffen der Freien Reichsstadt Straßburg
um die Wende von 14. zum 15. Jahrhundert stellt eine heute eröffnete
Ausstellung im Musée de l'vre Notre Dame, dem Frauenwerksmuseum,
in Straßburg dar. Die Epoche ist gekennzeichnet von einer
ganz internationalen, ohne an Landesgrenzen haltmachenden Kunst,
die sich durch verfeinerte Formen, geschwungene und fließende
Linien auszeichnet, und nicht mehr nur von Nordfrankreich, sondern
jetzt auch von anderen Metropolen, wie Avignon oder Prag ausgeht.
Vor allem aber ist die hier in einer einmaligen
Zusammenstellung ausgestellte Kunst eine rein bürgerliche
Kunst, ohne adligen oder kirchlichen Auftraggeber und Mäzen.
Gleichwohl sind die Stücke Zeugnis dafür, wie sehr sich
das wohlhabende Bürgertum an den von Adel und der Kirche
gesetzten Maßstäben ihrer Zeit orientiert und die verinnerlicht.
Straßburg ist in dieser Zeit eine der großen
und wohlhabenden Städte im Reich, und die Bürger demonstrieren
ihr Selbstbewusstsein der von ihnen geförderten Kunst. Hier
wird nicht nur das gotische Münster fertiggebaut, hier entstehen
auch Bildwerke wie die des "Meisters des Paradiesgärtleins".
Madonna im Erdbeergarten (Detail). Straßburg, um 1425
Die Ausstellung im Frauenwerksmuseum, der alten
Münsterbauhütte, das sich der Erforschung und der Bewahrung
des mittelalterlichen Baubetriebs verschrieben hat, zeigt Werke
der Straßburger Produktion aus dieser Zeit. An ihrem Anfang
steht der schwarze Tod von 1348/49, an ihrem Ende, ein Jahrhunder
später, die Vollendung des Münsterturms 1439. Ausgestellt
werden Tafelbilder, Zeichnungen, Handschriften, Glasmalereien,
Bildteppiche und Skulpturen, die ein vielfältiges Bild von
der künstlerischen Qualität in der Stadt bieten.
Die Ausstellung repräsentiert den aktuellen
Forschungsstand, bleibt aber von der Präsentation her gesehen
hinter den aktuellen Standards für eine Ausstellung, die
die Kultur, die Grenzen des 20. und 21. Jahrhunderts nicht kennt,
thematisiert, zurück. So werden - im Gegensatz zu der in
Karlsruhe oder Saarbrücken längst üblichen Praxis
- die Wandtexte nach wie vor ausschließlich in Französisch
gegeben, so wird auch im - übrigens ausgezeichneten - Beiband
"Elsaß und Oberrhein im gotischen Europa" gefeiert,
dass "das, was wir heute Oberhein nennen, schon um 1400 als
zusammenhängender Raum wahrgenommen" werde.
Das ist kein "schon", denn der Raum war
eine Einheit seit karolingischer Zeit, das "schon" ist
die Sehweise des 20. und 21. Jahrhunderts. Diese Einheit wird
in der sehr auf Straßburg eingeengten Präsentation
nicht ganz deutlich, dazu fehlen zu viele zeitgenössische
Parallelen, dazu fehlt die sichtbar gemachte Einbettung in de
wirklich übernationalen, ganz Europa durchziehenden Kunstströmungen.
Was Straßburg und die hier entstandene Kunst angeht, leistet
die Ausstellung aber Vorbildliches, demonstriert die künstlerische
Aktivität der Reichsstadt, die Zentrum für den ganzen
Oberrhein, links wie rechts des Stroms, war.
Zu sehen im Musée de l'vre Notre Dame
bis zum 6. Juli. Der Katalog (in französischer Spreche) kostet
40 €. Dier Ausstellung wird ergänzt durch Tourenvorschläge,
die zu den Kunststätten dieser Zeit im Elsass und am badischen
Oberrhein führen.
Mehr zur Ausstellung gibts auf Landeskunde online:
Straßburg
1400
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