11.8.08
Klimawandel bedroht jede fünfte Pflanzenart
(idw) Der Klimawandel verändert die Lebensbedingungen in vielen
Regionen der Welt. Wie sich die globale Erwärmung auf die Flora
in Deutschland auswirken könnte, haben Forscher nun mit Computermodellen
simuliert.
Jede fünfte Pflanzenart in Deutschland könnte bis zum Jahr 2080
Teile ihres heutigen Verbreitungsgebietes verlieren. Das geht
aus einer Studie von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für
Umweltforschung (UFZ), des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
(PIK) und des französischen Laboratoire d' Ecologie Alpine hervor.
Als Folge des Klimawandels werden die Vorkommen der Arten neu
verteilt. Dies könnte die Vegetation vor allem im Südwesten und
im Osten Deutschlands stark verändern. Die Forscher haben die
Verbreitungsgebiete von insgesamt 845 Europäischen Pflanzenarten
in drei verschiedenen Zukunftsszenarien modelliert und erfasst,
wie sie sich in Deutschland verschieben. Selbst bei moderatem
Klimawandel und geringen Veränderungen der Landnutzung sei damit
zu rechnen, dass die Flora geschädigt wird, schreiben die Forscher
in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Biology Letters". Die
Untersuchung zeigt, wie wichtig es ist, die Erwärmung auf zwei
Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau zu begrenzen, um
eine große Biodiversität der pflanzlichen Artengemeinschaft erhalten
zu können.
Die Wissenschaftler um Sven Pompe vom UFZ haben mögliche klimabedingte
Änderungen der Verteilung von 845 Europäischen Pflanzenarten ausgewertet.
550 dieser Arten kommen gegenwärtig auch in Deutschland vor. Das
Forscherteam, dem auch Franz Badeck vom PIK angehörte, nutzte
Klima- und Landnutzungsszenarien bis 2080, denen mögliche Temperaturerhöhungen
von 2,2, 2,9 oder 3,8 Grad Celsius zugrunde liegen. Die Auswirkungen
des klimatischen Wandels führen zu lokalen Verlusten in der Flora.
Ein genereller Trend ist die Verkleinerung der Verbreitungsgebiete
der Pflanzen. Es wandern aber auch Arten aus Mittel- und Südeuropa
zu, die bislang nicht in Deutschland vorkommen. Die Effekte sind
lokal unterschiedlich, negative Auswirkungen auf die aktuelle
Artenvielfalt sind vor allem in Nord-Ost- und Süd-West-Deutschland
absehbar. Die Effekte in den Simulationen sind umso deutlicher,
je größer der Temperaturanstieg ist. Bei einer moderaten Erwärmung
von etwa 2,2 Grad Celsius verlieren etwa sieben Prozent der Arten
mehr als zwei Drittel ihres aktuellen Verbreitungsgebietes. Bei
2,9 Grad Celsius Erwärmung sind es elf und bei 3,8 Grad Celsius
zwanzig Prozent der Arten. Dass das Ausmaß der Veränderungen überproportional
mit der angenommen Temperaturerhöhung wächst, spricht auch unter
Gesichtspunkten des Biodiversitätsschutzes für das Zwei-Grad-Stabilisierungsziel
der Europäischen Union. Besonders viele Arten könnten das Saarland,
Rheinland-Pfalz und Hessen sowie die Tieflandebenen Brandenburgs,
Sachsen-Anhalts und Sachsens verlieren. Dagegen rechnen die Forscher
damit, dass die Artenzahlen in den Mittelgebirgen Baden-Württembergs,
Bayerns, Thüringens und Sachsen durch einwandernde Pflanzen leicht
zunehmen könnten. Dies setzt aber voraus, dass diese Arten die
Standorte auch erreichen. Der Klimawandel könnte aber für die
Mehrzahl der Pflanzenarten zu schnell verlaufen, um sich anpassen
oder mit der Verschiebung des Verbreitungsgebietes - nordwärts
oder in größere Höhenlagen - mit zu wandern.
"Viele Pflanzenarten könnten ihre Nischen zum Beispiel im Gebirge
oder in Mooren verlieren", erklärt Sven Pompe vom UFZ. Zuwandernde
Arten aus Südeuropa könnten diese Verluste in den Modellen nicht
ausgleichen. Die Sumpfdotterblume (Caltha palustris) gehört beispielsweise
zu den Verlierern des Klimawandels. Die Änderungen der Umweltbedingungen
in den Szenarien führen dazu, dass diese Art aus den tiefen Lagen
Brandenburgs, Sachsen-Anhalts und Sachsens lokal verschwindet.
Die Echte Walnuss (Juglans regia), ursprünglich von den Römern
nördlich der Alpen angesiedelt, würde dagegen mehr Gebiete mit
geeigneten Bedingungen finden können und sich bis in den Osten
Deutschlands ausbreiten können.
Das Drittmittelprojekt "Modellierung der Auswirkungen des Klimawandels
auf die Flora" wurde vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
und im Rahmen der Forschungsprojekte ALARM, MACIS sowie ECOCHANGE
von der Europäischen Union gefördert. Auswirkungen des Klimawandels
auf die Biodiversität werden vom UFZ und vom PIK in den gemeinsamen
Projekten "Schutzgebiete Deutschlands im Klimawandel - Risiken
und Handlungsoptionen" und ALARM erforscht.
Tilo Arnhold, Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung - UFZ
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