24.6.08
Vielfalt auf dem Acker - das Genreservoir von
morgen!
Exkursion zum landesweiten "Aktionsplan Biologische
Vielfalt" am 22. Juni 2008 in Rangendingen
(rpt) Das Sommer-Adonisröschen wurde im Rahmen des landesweiten
"Aktionsplans Biologische Vielfalt" der Landesregierung als eines
der 111 Stellvertreter auserkoren, um auf die drastisch schwindende
Artenvielfalt im Land aufmerksam zu machen. Im Rahmen einer Exkursion
des NABU Kreisverbandes Zollernalb und des Regierungspräsidiums
Tübingen am Sonntag, 22. Juni 2008, standen diese Art, aber auch
andere seltene Ackerwildkräuter im Mittelpunkt.
Als die griechische
Liebesgöttin Aphrodite den Tod ihres wunderschönen Liebhabers
Adonis beweinte, sollen aus ihren Tränen Blätter und aus dem Blut
des Jünglings Blüten gesprossen sein. So dramatisch das Adonisröschen
der Sage nach entstand: In den kommenden Jahrhunderten erfreuten
seine blutroten Blüten so manches Auge bei der schweren Landarbeit
auf den kargen Böden der Schwäbischen Alb. Genutzt wurde die Pflanze
aber auch als Heilpflanze. Von einer Anwendung im Hausgebrauch
ist aber unbedingt abzuraten: Das Adonisröschen steht in seiner
Wirkung dem des Roten Fingerhutes nicht nach. Und auch sein weiterer
Name "Teufelsauge" weist auf die Giftigkeit der enthaltenen Herzglykoside
hin. Heute ist das Sommer-Adonisröschen, das übrigens zur Familie
der Hahnenfußgewächse gehört, sehr selten geworden. War es in
früheren Zeiten vor allem verbreitet auf kalkhaltigen, kargen
Ackerschlägen zu finden, bevölkert es heute stattdessen die Roten
Listen der gefährdeten Arten. Die Adonisröschen-Gesellschaft
war die vorherrschende Begleitgesellschaft auf den kargen Grenzertragsflächen
der Schwäbischen Alb und der Gäulandschaft. Heute sind von der
als besonders artenreich beschriebenen Gesellschaft nur noch Fragmente
zu finden. Die Ursachen sind vielfältig und die wichtigsten, wie
Herbizideinsatz und hohe Düngergaben, sind allgemein bekannt. Weniger
bekannt ist, dass die dichte Saat von Getreide oder anderen Feldfrüchten,
die Verschiebung von Saat- und Erntezeiten und die Mahd der Feldraine,
um nur einiges zu nennen, zum Artenrückgang beitragen haben. Zur
Erhaltung der Ackerwildkräuter ist deshalb die Mithilfe der Landwirte
gefragt. So ist zu überlegen, ob nicht auf manchen Äckern im Randbereich
auf Herbizidgaben verzichtet werden kann oder die Randbereiche
lichter eingesät werden. Interessierte Landwirte können Äcker,
auf denen gefährdete Wildkräuter vorkommen, in ein Extensivprogramm
des Regierungspräsidiums Tübingen aufnehmen lassen. Für die spezielle
Bewirtschaftung erhalten sie dann eine finanzielle Entschädigung. Ein
einmaliges Schutzgebiet für Ackerwildkräuter ist bei Rangendingen
im Zollernalbkreis entstanden. Hier wird die überaus artenreiche
standörtliche Ackerbegleitflora auf kleinen gewachsenen Feldparzellen
erhalten. Sechs Landwirte beteiligen sich bereits an dem Artenschutzprojekt.
Das Projekt wird fachlich vom Regierungspräsidium Tübingen betreut.
So ist hier eine Art Museumslandwirtschaft entstanden mit über
30 gewachsenen Feldern. Neben lichter Aussaat ohne Mineraldünger
und Pestizide, in vielgliedriger Fruchtfolge, wurde auch der Anbau
alter Kulturpflanzen wie Emmer oder Lein ins Konzept mit aufgenommen.
Bis zu 20 Arten der Roten Liste Baden Württembergs sind hier zu
finden, manche in riesigen Beständen. Eine dieser Arten ist der
stark gefährdete Ackerkohl, ein Verwandter der Kulturpflanzen
Raps und Ackersenf. Heute, nach über 15 Jahren Schutzprojekt,
ist die zuvor nur selten anzutreffende Art über das gesamte Gebiet
verteilt. Probleme bereitet zur Zeit allerdings die starke Ausbreitung
von Wurzelwildkräutern wie Acker-Kratzdistel und Quecke. Die Dezimierung
erfordert viel Arbeiteinsatz und vor allem Geduld. Trotzdem stellt
das Projekt einen großen Erfolg für den Artenschutz dar, denn
letztlich dient diese Fläche auch als wichtiges Genreservoir für
die Zukunft. Wer Interesse hat, diese Seltenheiten unter fachkundiger
Führung anzusehen, hat dazu am Sonntag, den 22. Juni 2008, Gelegenheit.
Die Exkursion wird vom NABU Kreisverband Zollernalb, der entscheidend
zum Erfolg des Projektes beitragen hat, gemeinsam mit dem Regierungspräsidium
Tübingen veranstaltet.
Hintergrundinformation:
Ackerwildkräuter sind Pflanzenarten, die auf bewirtschafteten
Ackerflächen ihren Standort haben, es existieren Hunderte davon.
Neben dem allseits bekannten Klatschmohn und der Kornblume gibt
es weitere auffällige Arten, z. B. das Adonisröschen, die meisten
Pflanzen sind jedoch viel unscheinbarer.
Die Arten haben sich an den sich ständig
verändernden Standort gut angepasst, unter anderem mit massenhafter
Samenproduktion und mit besonders langer Keimfähigkeit. Neben
heimischen Florenanteilen, die ursprünglich wohl auf natürlichen
Abbruchstellen, wie Flussufern vorkamen, wurden die Äcker von
einer Vielfalt an Begleitern aus den Herkunftsländern der Ackerkulturen
besiedelt. So fanden Pflanzen aus dem Orient und aus dem Mittelmeerraum
bei uns mancherorts ein neues Verbreitungsgebiet. Die Ackerbegleitgesellschaften
haben sich hier über Jahrhunderte ins Ökosystem eingefügt und
bieten einer Menge Tierarten, namentlich Insekten, Nahrungs- und
Lebensraum. Darunter finden sich, nebenbei bemerkt, auch landwirtschaftliche
Nützlinge.
Gefährdung
Mit der drastischen Veränderung der Feldbaumethoden
in den letzten Jahrzehnten, der Versiegelung von Feldwegen, dem
Wegfall von Randhabitaten und der Flächenzusammenlegung, nahm
die Ackerwildkrautflora dramatisch ab. Heute sind artenreiche
Felder und bunte Feldränder eine echte Rarität. Die Ackerbegleitflora
bestückt in großer Anzahl die roten Listen gefährdeter Arten.
Nicht wenige Arten sind bereits ausgestorben. Ein weiterer Intensivierungsschub
steht mit der Förderung von Biogasanlagen (vermehrter Maisanbau)
und mit steigenden Getreidepreisen bevor.
Schutzmaßnahmen
Das
Regierungspräsidium Tübingen hat sich zum Ziel gesetzt, die wenigen
Bestände seltener Ackerwildkräuter im Bezirk auf ihren natürlichen
Standorten zu erhalten und zu fördern. Da der Schutz nur auf ackerbaulich
genutzten Flächen stattfinden kann, ist man auf die Mithilfe der
Landwirte angewiesen. Das Regierungspräsidium geht mit der Bitte
um Flächenextensivierung auf betroffene Landwirte zu. Ertragsausfall
und die Mehrarbeit werden entsprechend vergütet. Zur Zeit unterstützt
das RP Tübingen sieben solcher Projektflächen, Einzeläcker oder
ganze Gebiete, vom Neckartal bis zur Albhochfläche.
Das Beispiel Rangendingen
Das größte dieser Projekte befindet sich bei Rangendingen
(Zollernalbkreis). Hier konnten die kargen und selten artenreichen
Ackerflächen über die Gemeinde käuflich erworben werden. Heute
bearbeiten sechs Landwirte nach speziellen Vorgaben die teils
sehr kleinen Anbaustreifen. Es ist eine Art Museumslandwirtschaft
entstanden, mit über 30 gewachsenen Feldern. Neben lichter Aussaat
ohne Kunstdünger und Pestizide, in vielgliedriger Fruchtfolge,
wurde auch der Anbau alter Kulturpflanzen wie Emmer oder Lein
ins Extensivierungskonzept mit aufgenommen. Bis zu 20 Arten der
Roten Liste Baden Württembergs sind hier zu finden, manche in
riesigen Beständen. Eine Art ist der stark gefährdete Ackerkohl,
ein Verwandter der Kulturpflanzen Raps und Ackersenf. Heute, nach
über 15 Jahren Schutzprojekt, ist die zuvor nur selten anzutreffende
Art über das gesamte Gebiet verteilt. Probleme bereitet zur Zeit
die starke Ausbreitung von Wurzelwildkräutern wie Acker-Kratzdistel
und Quecke. Die Dezimierung erfordert viel Arbeiteinsatz und vor
allem Geduld. Trotzdem ist das Projekt ein großer Erfolg für den
Artenschutz, letztlich erhält man damit auch das Erbgut der seltenen
Arten. Will man die ungewöhnliche Blüten- und Artenvielfalt erleben,
so bietet sich in der Zeit von Mitte bis Ende Juni ein Spaziergang
auf Rangendinger Flur an.
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