7.10.07
Plädoyer für eine „engagierte evangelische Sprache“
Interview mit Petra Bahr
Paul Gerhardts wunderschöne Kirchenlieder, dessen populärstes
„Geh aus mein Herz und suche Freud’“ auch Titel gebend für Ihr
Buch war, sind unvergänglich und seit Jahrhunderten in aller
Munde. Gleichwohl sind nur wenige Details über das Leben des
Gastwirtsohnes aus Gräfenhainichen in Sachsen, der an der
lutherischen Universität Wittenberg Theologie studierte,
überliefert. Und von diesem Wenigen vor allem die tragischen
Seiten: Paul Gerhardt verlor vier seiner fünf Kinder und seine
Frau. Was hat Sie bewogen, sich auf die Spurensuche zu begeben?
Petra Bahr: Ich bin mit Paul-Gerhardt-Liedern aufgewachsen.
Sie waren so was wie eine selbstverständliche Lebensmelodie. Über
seinen Autoren habe ich allerdings erst nachgedacht, als ich im
Studium begann, mich mit den alten Traditionen der Rhetorik und
Poetik zu befassen. Da eröffnet sich einem bei Paul Gerhardt eine
ganz neue Welt. Denn seine vermeintlich so schlichte Sprache ist
voller Anspielung, Witz und theologischer Kraft. Irgendwann will
man natürlich auch mehr über die Person wissen, die hinter diesen
großen Texten steckt.
Ihr Buch sei eine „Annäherung an ein Theologenleben im Schatten
des Dreißigjährigen Krieges“ heißt es in einer Kritik. Inwieweit
ist Ihnen die Annäherung angesichts der diffusen Quellenlage zu
Paul Gerhardts Leben und Werk gelungen?
Petra Bahr: In dem kleinen Wörtchen „Annäherung“ steckt ja
schon eine Warnung. Es bleibt eine Distanz. Ganz nah ran kommt man
nicht mehr. Mir ging es deshalb um eine an den neueren
historischen Kenntnissen geschärfte, aber sehr persönliche
Annäherung, um Menschen von heute für Paul Gerhardt zu
interessieren, die kein Kirchengeschichtsstudium anstreben.
Sie werden mit dem Satz zitiert, Kirche und Theologie stünden
vor der Herausforderung, den christlichen Glauben in die
kulturellen Konfliktlagen der Gegenwart einzuspielen. Was bedeutet
das für die Zukunft der Kirche?
Petra Bahr: Für mich bedeutet es zweierlei: erstens die
kulturellen Konfliktlagen wie das anstehende Problem der
Integration der Menschen mit einer anderen Religion, oder die
Orientierungssehnsüchte genau und differenziert wahrzunehmen. Da
können die Einschätzungen und Bewertungen durchaus auch mal
auseinander gehen. Um eine theologisch fundierte Gegenwartsanalyse
kommen wir nicht herum. Dafür müssen wir unsere internen Debatten
um die Zukunft der Kirche auch mal verlassen. Zweitens müssen wir
uns trauen, prägnant und kenntlich zu reden. Man muss der Kirche
anmerken, dass sich ihre Sicht der Dinge einer anderen Perspektive
verdankt. Dafür braucht es eine engagierte evangelische Sprache.
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